Travel

Zu Haselnuss und Felchen

Und es lohnt, denn in den zurückliegenden Jahren wurden die wunderbaren mit zig Fresken geschmückten Räume akribisch restauriert, so dass alles in den farbenfrohen Popfarben der Renaissance erstrahlt. Natürlich erzählen diese Fresken erst einmal ein Loblied auf den Adelsclan der Farnese und seine ungeheure Machtposition. Aber ob nun im Erdgeschoss, entlang der sich spiralförmig aufwärtsdrehenden „königlichen Treppe“ der Scala Regia oder dann in den repräsentativen Räumlichkeiten des Piano Nobile: Man kann sich kaum satt sehen an prachtvollen Motiven!

Absoluter Höhepunkt ist dann schließlich die Sala del Mappamondo, ein Raum, dessen Wände alle damals bekannten Erdteile zeigte und an der Decke das Himmelsfirmament samt Tierkreiszeichen abbildet. Lustig, dass damals das Reich der kriegerischen Amazonen auf der Afrika-Karte zu finden war, während es den Amazonas gegenüber auf der Amerikakarte bereits gab. Noch beeindruckender ist dann aber die Aussicht auf Caprarola, durch dessen mittelalterliches Gassengewirr die Farnese ohne Umschweife eine schnurgerade Auffahrt zu ihrem Luxusdomizile schlagen ließ.

Haselnuss-Land

Entlang dieser heutigen Einbahnstraße finden sich viele wunderbare Restaurants und Bars. Gleich am unteren Ende etwa die Bar San Marco, wo man auch die örtliche Spezialität, einen Cappuccino alla Nocciola bestellen kann. Solch ein Cappuccino mit Haselnusscreme als Garnitur ist schon etwas Besonderes. Denn schließlich sind Caprarola und Umgebung absolutes Haselnuss-Land. Kein Wunder daher, dass ausgerechnet der König der Haselnusscreme-Branche, Ferrero, hier nun ein Verarbeitungswerk errichten ließ, das zukünftig für noch bessere Nutella sorgen wird. Noch schwören die Einheimischen aber auf ihre eigene, teils sogar biologisch hergestellten Nusscremes.

Uferblick am Ristorante Fiorò über den Vicosee (Lago di Vico). Foto: Jürgen Sorges
Uferblick am Ristorante Fiorò über den Vicosee (Lago di Vico). Foto: Jürgen Sorges

Doch bevor wir uns näher mit Haselnüssen und einer weiteren Ortsspezialität, Esskastanien, befassen, werfen wir noch einen Blick in den prächtigen Park, spazieren durch den Wald und vorbei an weitläufigen Wasserkaskaden bis hinauf zum Casino: welch ein Ambiente, und beim Blick auf den Palazzo auch kein Wunder, dass er schon oft als Filmkulisse diente. Hier sowohl Szenen für den Film „Luther“ als auch für „Der Pate III“ gedreht.

Ufer des Vicosee

Nur drei Kilometer vom Palazzo taucht dann nach vielen Serpentinenkurven eine weiter Attraktion auf: Es ist der Lago di Vico, im Deutschen eher unbeholfen Vicosee genannt. Dieser heute insbesondere von Naherholung Suchenden, aber mehr und mehr auch von ausländischen Touristen entdeckte, bis zu 48,5 m tiefe, glasklare und 12,93 km² große See in 507 m Höhe See ist eine Besonderheit. Denn eigentlich ist er ein Kratersee, entstanden nach der letzten Eruption vor ca. 93 000 Jahren aus vielen einzelnen Explosionskratern. Ursprünglich war er mal viel größer, sein Wasserpegel soll bis zu 20 m höher gelegen haben. Damals soll der Monte Venere (851 m), heute wie die höchste Erhebung, der Monte Foligno (965) am Ufer des Vicosees gelegen und Teil der Monti Cimini, eine Insel im See gebildet haben.

Die Ufer säumen üppige landwirtschaftliche Flächen, auf denen vor allem Haselnusssträucher und -bäume dominieren. In den Wäldern darüber stehen Esskastanien. Und and den an vielen Stellen frei zugänglichen Stränden am See – in Italien keine Selbstverständlichkeit – lässt sich das Dolce far Niente samt einem Bad im kühlenden Nass perfekt ausleben. Gut dann auch, dass sich entlang der Uferstraße, die dann weiter in die Monti Cimini führt und im Winter oft nur mit Schneeketten zu befahren ist, eine Reihe kleiner, aber feiner Lokale und sogar Hotellerie niedergelassen hat, die Übernachtung, Freizeit- und Wandervergnügen anbieten und vor allem herrliche Speisen anbieten.

Blühender sog. Judasbaum (ital. L'albero di Giuda, lateinisch Cercis siliquastrum vor dem Ristorante Fiorò am Vicosee (Lago di Vico). Foto: Jürgen Sorges
Blühender sog. Judasbaum (ital. L'albero di Giuda, lateinisch Cercis siliquastrum vor dem Ristorante Fiorò am Vicosee (Lago di Vico). Foto: Jürgen Sorges

Nur motorisierte Sportbootfahrer sind vom See verbannt. Das ist gut für Schwimmer, die dennoch achtsam sein sollten. Denn ein lokales Sprichwort sagt: „Il Lago di Vico, ogni anno si prende un amico“. Der von Strömungen durchzogene See „holt“ sich also alljährlich sein „Opfer“. Aber man muss nicht alles glauben, was gesagt wird, auch nicht die Legende, nach der Mythenheld Herkules hier seien Keule schwang, auf den Boden drosch und so den See entstehen ließ.

Richtig und für den Gaumen perfekt indes ist die Aussage, dass der Vicosee enorm fischreich ist. Hier tummeln sich Hecht, Barsch und Aal, vor allem aber taucht – und dies in enormer Größe – hier gern der „Coregone“, dieser in nördlichen Breiten als Maräne, in Süddeutschenland als Felchen und in Österreich als Renke bekannte Speisefisch ist sozusagen das Aushängeschild am See, den zudem zig Wasservögel bevölkern. Die Wälder ringsum sind zudem sehr wildreich, so dass eigentlich auch nie an Wildschweinen mangelt.

Coregone aus dem Vicosee

Den kulinarischen Reichtum am Ufer und Seeblick kann man z. B. im Ristorante Fiorò an der Via dei Noccioleti erleben. Am Parkplatz vor dem Lokal blüht ein herrlicher Judasbaum (ital. L’albero di Giuda, lateinisch Cercis siliquastrum), gleich nebenan öffnet die Weinbar „Copacabana“, ein gutes Omen. Und dann ordert man schlicht nach Herzenslust, z. B. ein Nudelgericht mit Coregone (Felchen) aus dem Vicosee, ordert dazu einen wohlschmeckenden Chardonnay Pian Sant`Angelo von Caprigliano zum Schnäppchenpreis und gönnt sich zum Dessert Pannacotta mit Waldfrüchten. Perfekt!

Delikatesse als Vorspeise: Filetstückchen vom Coregone (Felchen) aus dem Vicosee (Lago di Vico) auf Rucola mit roten Pfefferkörnern. Foto: Jürgen Sorges
Delikatesse als Vorspeise: Filetstückchen vom Coregone (Felchen) aus dem Vicosee (Lago di Vico) auf Rucola mit roten Pfefferkörnern. Foto: Jürgen Sorges

Feiner geht es im Ristorante Lido dei Pioppi zu. Ebenfalls direkt am See an der Via Lido dei Pioppi 14 in Punta del Lago, gelegen, gibt es gleich eine Delikatesse als Vorspeise: Filetstückchen vom Coregone (Felchen) aus dem Lago di Vico auf Rucola mit roten Pfefferkörnern. Dann hat man die Qual der Wahl: Denn neben Taube ist die Spezialität im Lido dei Pioppi Kaninchen!

Dazu gibt es als Beilage Artischocken auf römische Art (Carciofi alla Romana) und den Gemüsehit aus dem Latium, die geschützte und hier aus dem Ofen kommende Chicorée-Variante „Cicorie stufate“ mit einem leichten Bittergeschmack wie Löwenzahn. Herzhaft rustikal geht es hingegen auf der Terrasse des Seerestaurants Riva Azzurra zu. Direkt am von Badegästen bevölkerten Strand ist der Antipasto Frutti di Mare die ideale Vorspeise, ehe die Delikatesse schlechthin, Coregone (Felchen) vom Grill angesagt ist.

 

Informationen:

Palazzo Farnese und Caprarola: www.visitcaprarola.it/de/luoghi-da-visitare/edifici-storici/palazzo-farnese

Lago di Vico: www.visitcaprarola.it/de/luoghi-da-visitare/natura/riserva-naturale-del-lago-di-vico

Ristorante Fiorò: www.ristorantefioro.it/il-ristorante

Ristorante Lido dei Pioppi: www.de-de.facebook.com/ristorantelidodeipioppi

Ristorante Riva Azzurra: www.riva-azzurra.business.site

Ristorante und Hotel La Bella Venere: www.labellavenere.it

Fotos: Jürgen Sorges, pixabay

Teilen: