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Wiens 7. Bezirk ist total „in“

Opportun und glücklich, wer heute „Siebter“ sagen kann. Der 7. Bezirk, einst als „Neubau“ bekannt, liegt zwischen „Ring“ (rund um das historische Zentrum mit Hofburg, Oper, Stephansdom) und „Gürtel“ (historische Stadtgrenze). Diese Verkehrsstraße trennt die einstigen, 1850 eingemeindeten Vorstädte Wiens innerhalb des Gürtels von den einstigen, 1890 / 1892 eingemeindeten Vororten außerhalb des Gürtels.

Den Namen „Neubau“ bekam der 7. wegen der Biedermeierhäuschen rund um den Spittelberg. Hier waren Handwerk und kleine Manufakturen angesiedelt und der berühmte Maler Gustav Klimt verbrachte mitten im 7., in der Westbahnstraße 36, seine letzten Lebensjahre (1898 -1918). Die „Gedenkstätte Gustav Klimt“ sowie die „Österreichische Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege“ haben für eine schöne Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus gesorgt.

Vintage Läden, kleine Geschäfte für alte Fotoapparate und Zubehör, antiquarische Fotos, für historische Spielkarten und moderne Pottery, für Stoffe, alles rund ums Nähen machen den besonderen Charme des Viertels aus. Eine Duftgalerie, schicke Retro-Bars, moderne Cafés, Straßenlokale, Weinläden (alle mit Top-Ökoprodukten) locken insbesondere ein junges Publikum an. Der „Bäck“ (wienerisch für Bäcker) „Felzl“ mit Café (Ecke Westbahnstrasse/Kaiserstraße) bietet die ganze Palette an Gebäck (Mohnstriezel, Handsemmel, Kornspitz, Vintschgerl, Wachauer), dazu Süßes (Nusskipferl, kleiner Gugelhupf mit Schokoguss, Topfengolatschen), mittags gibt es u.a. warmen Spinatstrudel, zum Angebot gehören köstliche Bio-Brote (auch mit Tomate oder Olive), alles ist frisch und von höchster Qualität.

Wer traditionell wienerische Speisen liebt, ist in der Gastwirtschaft „Schilling“ in der Burggasse Ecke Halbgasse bestens aufgehoben, entweder drinnen im holzgetäfelten Schankraum (mit schönem Bretschneiderschank) oder draußen im sogenannten Schanigarten. Das sind auf Gehsteig oder Straße aufgestellte Tische und Stühle eines Wirts- oder Kaffeehauses samt Blumenkübeln, die das Terrain markieren. Eine behördliche Genehmigung ist von Nöten.

In der Bäckerei Felzl. Foto: Ellen Spielmann
In der Bäckerei Felzl. Foto: Ellen Spielmann

Johann Jakob Taroni erhielt 1754 als Erster die Erlaubnis für den Schanigarten, es war ein Limonadenzelt im „Graben“ (1. Bezirk). Ob der Name auf das Wiener Lied „Schani, trag‘ den Garten raus“ oder auf Taronis Vornamen Johann (Jean, Schani) zurückgeht, genaues weiß man nicht. Jedenfalls serviert das „Schilling“ Klassisches: den Tellerrand überbordendes Wiener Schnitzel (vom Kalb) mit Kartoffel-Vogerl (Feld-)Salat (eine Portion reicht für zwei) oder Tafelspitz vom Feinsten. Zu sehr moderaten Preisen (9,90€) bietet die saisonale Tageskarte ein Menü: z. B. Fleischlaberl (Frikadellen) oder Topfenknödel mit Blaubeer-Mus und Schlagobers.

In der Schottenfeldgasse 39 lädt das familiengeführte Hotel, Pension Pharmador mit ruhigem Innenhof und Parkplatz (Zimmer ab 67€, 94€ für 2 Tage pro Person) zum Übernachten ein. Auch kulturell ist im 7. Bezirk einiges los: Der Kunstraum Feller (Kaiserstrasse 54) zeigt in den umgebauten ehemaligen Fabrikräumen interessante Kunstprojekte „Eisblumen 2.0“ ist der Titel der Ausstellung, die historische chinesische Hinterglasbilder (ca. 1880-1935) mit Frauenmotive der privaten Sammlung MEI-LIN (des Sinologen Rupprecht Mayer und seiner Frau Haitang Mayer-Lin) und moderne Collagen chinesischer „Beauties“ von Barbara Spielmann präsentiert.

Katzensprung zum 1. Bezirk

Zehn Minuten zu Fuß ist der angrenzende 1. Bezirk erreicht, vorbei am Volkstheater geht es in den Volksgarten mit der „Meierei“ unter schattigen Bäumen. Dahinter liegt gleich die Hofburg, zwei Tore passiert öffnen sich die Gassen etwa die Wollzeile und Passagen Richtung Stephansdom. Blickfang sind wunderbare Auslagen: historische Laubsägearbeiten, bemalte Tierfiguren stellen die „Arche Noa“ dar.

Historische Laubsägearbeiten. Foto: Ellen Spielmann
Historische Laubsägearbeiten. Foto: Ellen Spielmann

Gleich ums Eck liegt das Jüdische Museum, das auch wechselnde Ausstellungen, z. B. „Die Wiener Rothschilds“ präsentiert. Nah liegt Thomas Bernhards Lieblings-Café „Bräunerhof“. Es verbreitet gezielt den dekadenten Charme eines Wiener Kaffeehauses. Passendes Motto sind die Gedichtzeilen Peter Altenbergs: „Du stehst innerlich vor dem Selbstmord – Kaffeehaus! / Du hasst und verachtest die Menschen und kannst sie nicht missen – Kaffeehaus! Man kreditiert dir nirgends mehr – Kaffeehaus! Der Kellner behauptet hochprofessionell, der „Berhard“ habe keinen Stammplatz gehabt und an jedem Tisch könne der Gast Bernhardschen Gewohnheiten auf die Schliche kommen.

Auf dem Tagesmenü: Karottensuppe und zum Nachtisch Apfelspalten mit Preisselbeerenschlagobers (8,50€). Empfehlenswert das „Kleine Gulasch mit Kartoffeln “ (10,30€) dazu ein Bier „Null Josef“ (3,90€). Vorsicht: „Gebäck nicht inkludiert“! Im Kuchenwagensortiment eine Auswahl „hausgemachter Mehlspeisen“ : Apfel- Topfenstrudel, Sacher-, Mohn- und Nusstorte ((3,70€). Die Kaffees „Maria Theresia“ (Doppelter Mokka im Stielglas mit einem Schuss Orangenlikör) und Pharisäer (Rum mit Kristallzucker im Einspännerglas verrührt, mit heißem Mokka aufgegossen und Schlagobershaube schlagen mit 7,50€ zu Buche.

In der Menükarte grüßt ein Zitat aus Bernhards Erzählung „Wittgensteins Neffe“ (1982): „Das typische Wiener Kaffeehaus, das in der ganzen Welt berühmt ist, habe ich immer gehaßt, weil alles in ihm gegen mich ist. Andererseits fühle ich mich jahrzehntelang gerade im BRÄUNERHOF, das immer ganz gegen mich gewesen ist (wie das Hawelka), wie zuhause, wie im Kaffee Museum, wie in anderen Kaffeehäusern von Wien…“

Habe d´Ehre Herr Bernhard!


Information:

Kunstraum Fellner, www.spielmann-barbara.de 

Fotos: Ellen Spielmann

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