Möglicherweise war es nur ein formaler Grund, der dazu bewog, auf eine Stern-Auszeichnung für das „Gustaw“ zu verzichten. Denn die wahrhaft heilige Halle des Restaurants – eine Bilderbuch-Location mit leicht abgesenkter Innenraumfläche und Ringsum-Bewirtung unter den Innenkolonnaden – besitzt wohl zu viele Sitzangebote. Und auch auf die Bib Gourmand-Auszeichnung musste das Gustaw verzichten – denn hier ist das Preisniveau durchaus (und höchst berechtigt) höher als in den drei prämierten Konkurrenz-Etablissements.
Allein schon die Örtlichkeit ist eine Faszination schlechthin: Das Gustaw befindet sich am Fuß der einstigen Taschenbastion, am Eingang zu den ehemaligen Kasematten der Stadtverteidigungsanlage, die ab 1867 als Liebichshöhe Furore machte.
Auch nach der Wende passierte erst einmal nichts, ehe 2017 die Stadt wieder Zugriff auf das Areal bekam. In der ersten Bauphase 2022 bis 2024 wurden allein 18 Millionen Euro verbaut, im Herbst 2024 in der zweiten Bauphase nochmals eine erkleckliche Summe, um dieses Architekturjuwel wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zwar wurde das Areal schon am 8. Juni 2024 neueröffnet, doch erst seit 2025 sind auch alle Zugangswege und die Infrastruktur erneuert.
Akribisch rekonstruiert wurde die von Architekt Karl Schmidt (1836 – 188) erbaute Liebichshöhe. Auftraggeber war der Zuckerfabrikant Adolf Liebich, der mit diesem gewaltigen Werk aus gewaltigen Säulen-Kolonnaden am Belvedere, Springbrunnenanlage und Restaurant seinem schon 1857 verstorbenen Bruder Gustav Liebich ein ewiges Denkmal setzen wollte. Die Baukosten sollen damals mehr als das Doppelte des gesamten Jahresbudgets der Stadt betragen haben – was Adolf Liebich dann die Ehrenbürgerschaft Breslaus einbrachte.
Heute glänzt alles wieder wie zu Liebichs Zeiten – ein Glücksfall, denn diese Überreste der Taschenbastion, in der einst bis zu 300 Fässer Schießpulver lagerten – wurden 1807, als Jérôme Bonaparte, jüngster Bruder Napoleons, Breslau erobert hatte, nicht wie die restlichen Stadtbefestigungen dem Erdboden gleichgemacht. Der Aufwand wäre zu groß gewesen.
Und so kann man sich heute im Gustaw in jenem klassizistischen Säulenambiente Karl Schmidts wohlfühlen, dessen Design auch einige starke, dem Zeitgeist entsprechende ägyptisierende Züge aufweist. Wie auch in den oberen Säulen-Kolonnaden wurde auch an die herrlich kraftvolle Original-Farbtongebung von 1867 gedacht, die dem Restaurant das unverwechselbare Aussehen verleiht. Hinzu kommen die Auswahl des Mobiliars, die Marmortische – sogar das hochmoderne Tischbesteck ist von edelster Qualität: Es stammt von dem aus Mailand stammenden Superfamilienbetrieb Broggi, der seit 1818 produziert. Alles vereint erzeugt die formal leicht strenge, doch hochelegante Atmosphäre im „Gustaw“.
Und auch bei der Erstellung der Speisekarte knüpften Küchenchef Kacper Sawoń und General Manager Daniel Majdak an die Traditionen der guten alten Breslauer Zeit an, als hier einst Bankette stattfanden und Wildfleisch und Meeresfrüchte erster Güte Standard waren. Als Berater holte er sich Grzegorz Sobel, den Kurator der Universitätsbibliothek Wroclaw, der sich auf historische Gastronomie spezialisiert hat und zahlreiche Rezepte rekonstruierte.
Doch Kacper Sawońs Küche glänzt vor allem durch ihre moderne Interpretation und Ausrichtung auf das 21. Jahrhundert. Als Entree darf es durchaus ein Tatar vom Hirsch mit Schwarzwurzel, Schalotte und Brombeeren sein, wahlweise auch vom Rind mit Liebstöckel, Eigelb und Kartoffel. Alternativ locken der Ziegenkäse mit Spargel und wildem Knoblauch, Enten-Pate mit Brioche und Kirsche oder auch Foie Gras mit frischen Früchten.
Unter den Hauptgerichten sind die Hirsch-Medaillons mit Jerusalem-Artischocke, fermentiertem Knoblauch und Schwarzwurzel erste Wahl. Aber auch die Taube mit Foie Gras, Brombeere, Rote Bete und Perilla (Shiso) ist eine Entdeckung. Das Lammsteak wird mit Sellerie, Mangold, jungem Gemüse und Trüffel demi-glace serviert, der Zander mit Spargel, Sauce Hollandaise und Kräuterpüree.
Zum Dessert locken Steinpilz-Eiscreme mit Kürbis, ein herrliches Rhabarber-Dessert mit Vanille Mousse, Rosmarin, Gin und Johannisbeeren oder Erdbeeren mit Pudding, Sauerampfer und schwarzem Holunder. Das Serviceteam um Anna Dziudz ist höchst aufmerksam und freundlich.
Und natürlich wartet das „Gustaw“ mit herrlichen Cocktails und einer voluminösen Weinkarte mit begehrtesten Tropfen aus Spanien, Frankreich, Italien und Polen auf. Wir wählen Polens besten Riesling von der Winnica Thurnau.
Danach bleibt nur der Erholungsspaziergang durch den Kopernikus-Park hin zu polnischem Theater und Oper, die erneut Karl Schmidt 1871 nach dem zweiten verheerenden Brand neugestaltete. Hier wurde 1804 Carl Maria von Weber mit 17 Jahren Kapellmeister und damit erster Generalmusikdirektor der Welt. Gegenüber hat man vom Dachterrassenrestaurant des Hotel Metropol die beste Aussicht auf Oper und Freiheitsplatz (einst Schlossplatz), wo das Theatermuseum, das frühere Breslauer Schloss und Wroclaws ganzer Stolz, der Neubau des grandiosen Nationalen Forums für Musik (Narodowe Forum Muzyki) NFM locken.
Informationen:
Visit Wroclaw (Breslau): www.visitwroclaw.eu/de
Touristische Organisation Niederschlesien: www.dolnyslask.travel
Polnisches Fremdenverkehrsamt: www.polen.travel/de
Restauracja Gustaw: www.restauracjagustaw.pl
Korona Hotel: www.koronahotel.com.pl/de/
Hotel Monopol: www.monopolwroclaw.hotel.com.pl/hotel-monopol-wroclaw
Nationales Forum für Musik (Narodowe Forum Muzyki) NFM: www.nfm.wroclaw.pl/en
Oper: www.opera.wroclaw.pl
Fotos: Ellen Spielmann

