Der Domberg in Tallinns Altstadt ist das Herz der Hafenstadt am Finnischen Meerbusen. Von dort oben aus schweift der Blick über die zu Stein gewordene, wechselvolle Historie: über die Patarei Seefestung, Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus, das Schloss Katharinental, Sommerresidenz von Katharina II die Größe von Russland. Über markante Kirchtürme und dem die Dicke Margarethe, an dem alle großen Straßen vorbeiführen. Und von der man gern die Legende glaubt, dass dort einst eine Köchin Margarethe kochte.
Kiek in de Kök ist nicht etwa ein einladendes Gasthaus, sondern der Festungsturm, vom dem man einst angeblich anderen in die Küche gucken konnte. Beeindruckend ist auch die im neobyzantinischen erbaute St. Alexander Nevsky-Kathedrale mit ihren fünf goldenen Zwiebeltürmen – allerdings untersteht sie dem Moskauer Patriarchen.
Tallins Altstadt ist seit 1997 UNESCO Weltkulturerbe
Die engen Gassen, die roten Ziegeldächer – alles vermittelt Geborgenheit. 1997 wurde die „Vanalinn“ von Tallinn UNESCO-Weltkulturerbe. Daneben muten die aufstrebenden Büro- und Hotel-Tower, die hochmodernen Wohnkomplexe aus Stahl und Glas utopisch an.
Das nordisch coole NOHO-Restaurant findet man im NORDIC Hotel Forum, ein futuristischer Stahl-Glas-Tower mit 267 Zimmern, bester Rundumaussicht, gepflegter 4,5-Sterne-Gastlichkeit und Kongresskultur. Die herzhaften, estnischen Ingredienzien kommen in der international ausgerichteten Küche von Chef Virko Tugevus groß heraus. Das, was jeder Mensch aus Estland von jeher kennt und über alles liebt ist: Rhabarberkuchen! Im NOHO gehört er zu den Signature-Speisen – ein echter estnischer Klassiker.
Aufbruch in Abbruchgemäuern
In ehemaligen Fabrikgebäuden etwas nördlich hat sich die Telliskivi Creative City angesiedelt: Theater, zeitgenössischen Tanz, ein international renommiertes Fotomuseum, Street Art, kleine Hipster-Brauereien, eine Eisproduktion. Im Atelier der Modedesignerin Reet Aus wird aus Trash Trend – in Kooperation mit 200 Organisationen weltweit verarbeitet sie Altkleider mit 99% weniger Wasser zu komplett neuen, maßgeschneiderten Designerstücken. Ein beispielhafter Beitrag gegen Umweltbelastung und für echten zukünftigen Luxus und Style.
Hier wird vom Leder gezogen
Herzensmaterial der jungen Stella Soomlais ist Leder, unter ihren Händen und Ideen wird es zu hochwertigen, mit Liebe zum Detail gestalteten neuartigen Taschen, ebenfalls ein Treffpunkt hauptsächlich für Ladies. Man kann sie auch leihen, sollte eine ihrer Kreationen je ausgedient haben, nimmt sie sie zurück, um etwas Neues, Schönes daraus zu schaffen.
Trendy location ist das Restaurant F-hoone. Globale Küche mit klassischen estnischen Spezialitäten, Craft-Bieren und Cider, handmade, versteht sich. Das heimische „Valmiermuiža Amber Lager“ ist so bernsteinfarben wie die Baumharzreste, die man in Estonia am Ostseestrand findet. Unbedingt probieren: Shot mit Chaga-Pilz und Schwarzer Johannisbeere.
Die junge Genration erledigt dort per Handy oder Laptop entspannt ihr Business – in Sachen Digitalisierung ist Estland allen Ländern voraus. Der alternative, zukunftsorientierte und kritische Geist der Umgebung zeigt sich hier unter anderem in einer überdimensionalen Maske aus Dominosteinen des französischen Philosophen Voltaire: „Common sense is not so common“.
Kunstvolle Marzipanskulpturen und nackte Frauen
Vielfach mussten sich die Balten gegen Besatzer wehren. Das stärkte ihren Zusammenhalt, den man überall spürt. Das älteste Café MAIASMOKK von 1864 ist Zeuge und Abbild dieser liebenswerten Kultur. Die klassische Räumlichkeit in dem Eckhaus am Pikk tn 16 verströmt den Duft, das Ambiente und die Kunst des Genießens vergangener Zeiten, mit frischen, opulenten, inhaltsschweren Torten und Pralinen.
Gleichzeitig ist es das KALEV-Marzipanmuseum mit Vitrinen voller kunstvoll bemalter Figuren zum Reinbeißen. 2011 konnten die Café-Besucher aus den Fenstern nackte Tallinnerinnen beobachten, die sich mit dem Ukrainischen Femen-Protest in Kiew solidarisierten.
Modernes Restaurant in der Altstadt
Hauptzutaten von Estlands Küche sind Pfifferlinge, Steinpilze und Reizker, auch Preiselbeeren oder Moosbeeren fehlen selten und geben fast jedem Gericht den Pfiff. Rado Mitro und Triinu Tapper erfüllten sich ihren Traum und gründeten mit ihren Freunden in der Vene tn 7 das RADO, als andere ihre Restaurants schließen mussten.
Helles Holz, helle Fensterfronten, ein sanfter mint-Schimmer beim Interieur, erkennbare Liebe zu opulenten Blumensträußen. Rado und Triinu verwenden bewusst die Zutaten ihrer Großmütter, die sie auf dem TURG einkaufen, dem typisch osteuropäischen, überdachten Großmarkt, er ist Treffpunkt für alle! Die täglich wechselnde, sehr abwechslungsreiche Speisekarte wird mit Kreide auf eine Tafel geschrieben und von Gästen immer mit Spannung erwartet.
Frauenkloster wird zu zeitlos elegantem Boutique Hotel
Das charmante, komfortabel-behagliche Boutique Hotel NUNNE/Nonne vis-à-vis der mittelalterlichen Stadtmauer war einst Frauenkloster. 74, mit zeitloser Eleganz gestaltete Zimmer – die Messingfassung der edlen Leuchten muten an wie Heiligenscheine. Das über die Landesgrenzen sehr beachtete Restaurant ÂME (übersetzt: Seele) führt Chef Jürgen Põldoja. Nicht trendorientiert, sondern den globalen Aromen und estnischen Zutaten zugetan.
Modern – saisonal – kreativ
Für seine feine Tortellinifüllung garen die Kaninchenschenkel sechs bis acht Stunden in Öl. Das fein gehackt Fleisch vermischt er mit Ricotta, das Tomaten-Consommé, angedickt zur cremigen Butteremulsion ergibt eine seidige, leicht säuerliche Sauce. Alles wird abgerundet mit Basilikumöl, Basilikumperlen und frischer Basilikumkresse. Es lässt sich im ÂME auf hohem Niveau quer durch die Nationen speisen. Feine, doch gleichzeitig schlichte, nicht überfordernde Gerichte, beindruckend serviert.
Das Weinangebot weist das Beste aus den großen Weinnationen auf. Eigenwillig delikat zum zart kristallisierten Ananas-Passionsfruchtsorbet-Meringue-Dessert: ein fruchtiger Oremus 2021, Late Harvest Sicilia, gereift in Szerednyei, den ungarischen Eichenfässern. Auch Estland baut wieder eigene Weine aus wie etwa auf Muhu – dazu mehr an anderer Stelle.
Fast wie privat fühlt sich das kleines Spa mit Massage Pool und Saunamenü an zum Verschnaufen angesichts der vielen Sehenswürdigkeiten, die Tallinn, das früher Reval hieß, bietet. Die Skulptur „Tantsiv Nunn“ von Bildhauer Riho Kuld findet man gleich nebenan im Stadtgrün – schweres Dolomitgestein in anmutigen Schwüngen.
Informationen:
Visit Estonia: www.visitestonia.com
Visit Tallinn: www.visittallinn.ee
Nunne Boutique Hotel: www.nunne.ee
REET AUS COLLECTION®: www.reetaus.com
Stella Soomlais studios: www.stellasoomlais.com
RADO Restaurant: www.radorestoran.ee
NaTourEst ActivESt Triin Asi: www.natourest.ee
Fotos: S. Zjuganov, K. Tähe, Valmar Voolaid – Visit Saaremaa, Stella Soomlais studio, K. Maiasmokk, Restaurant Rado, L. Laan, M. Jõerand

