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Mit BEN, Belcanto und Buonarroti zu den Sternen!

Zudem ediert die Familie schon seit 1981 jährlich ihren Jahrgangs-Chianti-Classico auf besondere Art. Neben dem klassischen Weinetikett existiert jeweils auch eine limitierte Ausgabe mit Künstleretikett und seidenem Einschlagpapier. Und für diese Edition hat mittlerweile ein „Who is Who“ der internationalen Kunst dem Weingut die Ehre gegeben und die Etiketten gestaltet: Friedensreich Hundertwasser und A. R. Penck, Horst Janssen, Giuliano Gelli, Mimmo Palatino, Arroyo, Combas, Yoko Ono, Pierre Alechinsky, Hsiao Chin, Karl Otto Götz, Alain Clément oder Tomi Ungerer sind zu nennen.

Und sogar zwei Literaturpreisträger, Günter Grass und Dario Fo waren mit von der Partie, um den Wein, dessen Trauben in 450 m Höhe auf dem hügeligem Terrain mit viel Schiefer (Galestro, Albarese) der Vigna Doghessa im Goldenen Dreieck zwischen Panzano, San Donato und Castellina gedeihen, künstlerisch zu würdigen. Den zuletzt edierten Jahrgang, den Casanuova di Nittardi Vigna Doghessa 2017 Chianti Classico DOCG, gestaltete Mikis Theodorakis. Wir werden ihn später bei der Degustation verkosten und erleben, warum Luca Gardini, einer der renommiertesten Weinsommeliers weltweit, diesem sortenreinen Sangiovese (97 % Sangiovese, 3 % Canaiolo Nero) mit intensivem rubinrotem Farbton, großer Intensität und runden Tanninen, mit Aromen reifer Früchte (Pflaume, Kirsche) und Anklängen von Lakritz und pikanten Gewürzen (Pfeffer) satte 96 Punkte verlieh. Und auch andere Starkritiker waren mit der Vergabe von 93 und 91 Punkten hellauf begeistert über diesen Wein. Seine Trauben gedeihen in der Einzellage der Vigna Doghessa, die insbesondere nachmittags viel wärmendes Sonnenlicht erhält. Das Ergebnis ist eine wahre Gaumenfreude!

Kunstvoll gestaltete Etiketten renommierter Künstler. Foto: Jürgen Sorges
Kunstvoll gestaltete Etiketten renommierter Künstler. Foto: Jürgen Sorges

Und es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Jahrgang 2017 der erste voll biozertifizierte Jahrgang auf Nittardi war. Erst einmal bewundern wir aber mit Leon Femfert, dem Sohn des Gutsgründers, des Frankfurter Verlegers und Galeristen Peter Femfert und seiner Gattin, der Historikerin Stefania Canali, die Sammlung der Weinetiketten, deren originale Vorlagen eng beieinander gehängt längst einen ganzen Raum im Landgut füllen. Und natürlich darf es auch ein Blick auf die Skulpturen im Skulpturengarten sein, der sich rund ums Haupthaus, aber auch die Nebengebäude und am herrlich angelegten Swimming Pool ausbreitet. 2008 gestaltete Günter Grass das Etikett, und er ist in einer Nische im Hof des Gutshauses auch mit einem Bronzerelief (Handschuh mit Selbstportrait) vertreten. Herausragend im Skulpturengarten sind z. B. die Werke von Victor Roman wie „Le Dragon“ (Bronze, 1967/1979). Weitere Bildhauer wie Friedensreich Hundertwasser, Igor Mitoraj, Horst Antes, Miguel Berrocal, Dietrich Klinge, Paul Wunderlich, Raymond Waydelich, Giuliano Ghelli, Heiner Meyer, Klaus Zylla und Riccardo Cordero sind zu entdecken. Letzterer, ein langjähriger Freund des Hauses, übergab im Juli 2010 mit der Skulptur „ET“ sogar eine weitere Skulptur. Ein Hingucker ist auch das indonesische Schachspiel.

In jedem Fall aber sollte man dem Lebensmotto auf Gut Nittardi Aufmerksamkeit schenken: Es heißt „Gentilezza, Gioia, Genuinitá“ („Freundlichkeit, Freude, Authentizität“). Dies kann auch für Leon Femfert, Philosoph und Önologe zugleich, gelten. Gemeinsam besichtigen wir die Mitte der Neunziger Jahre erbaute Cantina, in der Ende September eifrig die neue Ernte eingebracht wurde. Am 12. Oktober 2020 war sie beendet. Leon Femferts Credo heute: Traditionelle Rebsorten und Winzermethoden bewahren, aber im Keller mit zeitgenössischen Methoden, indes gleichzeitig vorsichtig vorgehen. Super-Hightech ist eher nicht vonnöten. Ihm zur Seite steht dabei das eingespielte Winzerteam um den Star-Önologen Carlo Ferrini, den technische Leiter Antonio Spurio und den kaufmännischen Direktor Giorgio Conte. Und probierfreudig ist Leon Femfert ebenfalls. Einige Keramikfässer belegen seine neuesten Versuche. Auf die Ergebnisse darf man höchst gespannt sein. Beeindruckend in der Kellerei ist aber auch, dass selbst einige Stahltanks und Fässer künstlerisch verziert sind.

Überall Kunst. Foto: Jürgen Sorges
Überall Kunst. Foto: Jürgen Sorges

Dann geht es aber zur Weinprobe, Den Anfang macht der erste, seit 2012 von Nittardi edierte Weißwein BEN. Er wird auf Nittardis nur acht Kilometer vom Meer entfernten Maremma-Weingut Mongibello delle Mandorlaie erzeugt und ist ein hundertprozentiger Vermentino. Natürlich leitet sich sein Name von „Beniamino“ ab. Schließlich ist er der jüngste Spross in der Nittardi-Weinkollektion. Und machte schon 23014 und 23015 Furore, als er von James Suckling zum besten Vermentino in der Toskana und ein Jahr später von Jancis Robinson zum besten Weißwein der Toskana gekürt wurde. Er reifte sechs Monate im Stahltank.

Im Frühjahr 2020 abgefüllt, besitzt dieser 2019er DOC Maremma eine relativ starke Säure, viel Frische, viel Körper und eine angenehme, leicht salzige Note. Mit dem Belcanto Chianti Classico DOCG 2017 ist dann bereits ein erstes Schwergewicht im Glas. Seine Reben stammen sämtlich vom in ca. 270 m Höhe liegenden Weinberg Villarosa, den Nittardi südlich Castellina in Chianti besitzt. Die Rebstöcke sind zumeist 40 Jahre alt, nur ein Teil wurde 2010 neu bepflanzt. Und natürlich ist auch hier das Flaschenetikett ein Hingucker: Michelangelo wird hier als ein Mosaik aus Galestro-Steinen portraitiert – eine Hommage an den Star wie ans Terroir. Der Belcanto besteht aus Sangiovese (90 %) sowie den Rebsorten Canaiolo, Colorino, Malvasia Nera, Ciliegiolo, Mammolo, Foglia Tonda und Pugnitello, die zusammen 10 % liefern. Nach der Fermentierung im Stahl geht er je zur Hälfte für zwölf Monate in französische Eichenfässer (500 l) bzw. in die klassischen toskanischen Großfässern, den „botti“, mit 3500 Liter Fassungsvermögen. Dann reift er weiter Monate in der Flasche. Mit seinen blumigen und mediterranen Noten ist er ideal zum leichten Mittagessen und sollte mit 156²C serviert werden.

Nectar Dei, Ad Astra und Riserva von Nittardi. Foto: Jürgen Sorges
Nectar Dei, Ad Astra und Riserva von Nittardi. Foto: Jürgen Sorges

Es folgt der Nittardi Riserva Selezionata Chianti Classico DOCG 2016 – ein „Wein zum Meditieren“! Sangiovese (95%) und Merlot (5 %) sowie 24 Monate im französischen Barrique und Tonneaux sorgen für den großartigen Geschmack, der dem Decanter 94 und weiteren Kritikern immerhin 93 Punkte wert ist. Er passt perfekt zu Lamm und Wildschwein und ist einfach sehr, sehr gut (0,75 l = ca. 40 – 45 €). Dies kann als Prognose auch für die kommenden Jahrgänge 2018 und 2019 gesagt werden.

Und auch für 2020 sieht es gut aus. Das Jahr war sehr warm und trocken, im Mai und Juni dafür kühl und regnerisch. Für Leon Femfert ein Vier-Sterne-Jahr. Mit dem „Ad Astra“, „Zu den Sternen“, kommen wir dann zum derzeitigen Verkaufsschlager von Nittardi. Dieser DOC Maremma Toscana 2017 (50 % Sangiovese, 25 % Cabernet Sauvignon, 10 % Merlot und 15 % Cabernet Franc) ist natürlich mit einem Preis von ca. 15 Euro auch ein Hit! Auf der Kritiker-Punkteskala kletterte dieser tief rubinrote Wein mit Aromen von Pflaume und Beeren und komplexem Bouquet schon bis 93 Punkte und erhielt vom Gambero Rosso die höchste Auszeichnung: „Drei Gläser“! Schließlich erwartet uns mit dem Nectar Dei“ 2016 natürlich noch der „Supertoskaner“ des Hauses. Auch seien Trauben wachsen in der Maremma.

Und Nittardi greift hier auch jene Tradition auf, die Michelangelo im 16. Jahrhundert begründete. Schon damals schickte Buonarroti den Päpsten Julius II. und Leo X. jährlich Kostproben seines Weingutes Nectar Dei. Diese Tradition setzt Nittardi fort: Jährlich erhält der Heilige Stuhl die ersten Flaschen des neuen Supertoskaners „Nectar Dei“ (Nektar Gottes). Und dieser DOC Maremma Toscana 2016 (50% Cabernet Sauvignon, 20 % Petit Verdot, 15 5 Merlot, 10 % Syrah und 5 % einer „geheimen“ Rebsorte) ist einfach sehr, sehr, sehr gut.

Allerdings muss man für den 2016er Jahrgang schon 45 bis 50 € für die Flasche rechnen. Aber er dürfte sogar noch etwas besser als der 2015er „Nectar Dei“ sein, der schon 95 Punkte einheimste. In jedem Fall sollte man Gut Nittardi während eines Toskana-Aufenthaltes die Aufwartung machen. Es locken Degustationen und natürlich vertiefende Führungen mit Degustation. Und natürlich sind die Übernachtungen in einem der fein hergerichteten Apartments ein Hit. Und natürlich muss man auch nicht Selbstversorger sein. Nur etwa 2 km weiter auf der Schotterpiste (ausgeschildert) öffnet die ausgezeichnete Osteria alla Piazza und verwöhnt mit exzellenten Speisen.


Information:

Nittardi-Wein-/Olivenöl-/Grappa-Verkauf in Deutschland: Stefania Canali, www.stefania-canali.de 

Tenuta Nittardi, www.nittardi.com 

Essen und Trinken: Osteria alla Piazza, www.osteriaallapiazza.com/ 

Fotos: Jürgen Sorges, Ellen Spielmann

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