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Marienburg: der größte Backsteinbau Europas

49 km südöstlich von Gdansk/Danzig steht die noch vor dem Hradschin in Prag größte Burg der Welt. Sie ist zudem der größte Backsteinbau Europas und – klar – seit 1997 UNESCO-Welterbe! Und natürlich ist sie auch ein Hauptkulminationspunkt deutsch-polnischer Geschichte. Hier residierten von 1309 bis 1454 die Hochmeister des Deutschritterordens. Der letzte Hochmeister zog dann nach Königsberg, und am 7. Juni 1457 zog dann Polens König Kasimir IV. Jagiello hier ein. Er hatte den Bau erworben.

Bis 1772 gehörte der am Ufer des Flusses Nogat, einem Mündungsarm der Weichsel, errichtete Mammutbau zu Preußen königlichen Anteils, war autonome preußische Provinz und gelangte auch unter die polnische Krone, weil die Menschen in Malbork/Marienburg den Deutschen Orden nicht mehr und lieber den polnischen König wollten. Zwischenzeitlich regierten hier auch die Schweden in der zur polnischen Residenz umgebauten Burg. Nach der ersten Teilung Polens 1772 gelangte die gigantische Militärfestung ans Königreich Preußen und war dann bis 1945 unter deutscher Herrschaft.

Beinahe endgültig fertiggestellt wurde der Bau aus Hochburg, Marienkirche, Mittelschloss, Vorschloss, Außenbefestigungen und – wie beim Deutschen Orden üblich – dem Dansker, einem hochaufragenden Eckturm mit Toilettenanlage, wohl 1406, noch zur Blütezeit des Deutschen Ordens, der als Kreuzritterorden natürlich auch für die militärische und damit gewalttätige Expansion während der deutschen Ostkolonisation steht. Doch schon 1410 kam es mit der verlorenen Schlacht von Tannenberg zu einem weiteren entscheidenden Rückschlag. Damals wurde die Marienburg im Anschluss an die Schlacht lange belagert, doch gelang es Großmeister Heinrich von Plauen, die Festung zu halten.

Marienburg, UNESCO-Welterbe. Foto: Ellen Spielmann
Marienburg, UNESCO-Welterbe. Foto: Ellen Spielmann

Schon weitaus früher war ein neuer Hauptsitz für den 1190 gegründeten Orden nötig geworden, weil 1271 die Hauptfestung des Ordens im Heiligen Land, Montfort, verloren ging. 1291 fiel dort mit Akko auch die letzte Bastion. Schon viel früher hatte sich der Orden daher der Unterwerfung der Bevölkerung entlang der heutigen polnischen Ostseeküste und im Baltikum gewidmet. Mit verbündeten Orden gelangte das Adelsheer, das meist nur in Sommerkampagnen aktiv, die allerdings wohl höchst lukrative Beute bescherten, schließlich bis nach Narwa und an den Peipussee, wo Alexander Newski und sein Heer der Ostexpansion in der denkwürdigen Schlacht auf dem zugefrorenen Peipussee am 5. April 1242 ein fatales Ende setzte. Die zu schweren berittenen deutschen Eisenmänner brachen durchs Eis und versanken in den Fluten.

3000 „Waffenbrüder“

Bis ca. 1309 wurde erst einmal ein Vorläufer der heutigen Hochburg samt Vorburg als regionaler Landessitz errichtet. Dann ging es Schlag auf Schlag. Mit der Auflösung des Templerordens 1307 und 1308/09 ging Danzig an den Deutschen Orden. Das reizte Großmeister Siegfried von Feuchtwangen, der seinen temporären Sitz in Venedig aufgab und ihn verlegte 1309 hierher nach Marienburg verlegte. Zwischenzeitlich soll er dann hier mit bis zu 3000 „Waffenbrüdern“ residiert haben.

Beim Anblick der Hochburg fällt dem Besucher zuerst jene 8 m hohe Marienstatue auf, die in einer Nische die Fassade der der Hochburg angegliederten, 1344 eingeweihten Marienkirche schmückt und zu Ehren der Namensgeberin der Burg, der Gottesmutter, damals als kostspieliges venezianisches Glasmosaik gefertigt wurde. 1945 ging alles „in Dutt“, wie Walter Kempowski gesagt hätte. Die Nazis hatten seit 1933 die Marienburg okkupiert und verteidigten diesen symbolträchtigen Bau – man wollte gar eine Nazi-Ordensburg aus ihr machen, sie war „Pilgerziel“ von Hitlerjugend und BDM (Bund deutscher Mädchen) – bis in den März 1945 mit 2500 Mann.

Waffen in der Burg aus vergangenen Zeiten. Foto: Ellen Spielmann
Waffen in der Burg aus vergangenen Zeiten. Foto: Ellen Spielmann

Erst ab 2014 konnte die Marienstatue wieder hergestellt werden. Am 31. März 2016 wurde dann in Anwesenheit des damaligen Deutschordens-Großmeisters Bruno Platter aus Wien die neue Marienstatue wieder eingeweiht. Überhaupt dauert es bis 1973, ehe genug Geld beisammen war, um an den Wiederaufbau dieses deutsch-polnischen Menetekels überhaupt zu denken. Was man indes heute sieht, löst bei jedem Betrachter nur Bewunderung aus. Denn die polnischen Restauratoren haben hervorragende Arbeit geleistet – bis ins Detail. Und überhaupt ist die Marienkirche, eines, wenn nicht das Highlight des Besuchs. Von außen komplett und im Inneren nur in Teilen restauriert, weil die Kriegsschäden zu groß waren, legte man doch uralte Fresken frei und gab dem Bau seine Aura zurück. Man betritt dies besondere Gotteshaus, unter dem in der St.-Annen-Kapelle die Gebeine mehrerer Hochmeister ruhen, durch die sogenannte „Goldene Pforte“, ein Keramikportal aus dem 13. Jh., das in der Archivolte mit gleich fünf Miniaturfiguren, den „fünf klugen Jungfrauen“ aufwartet.

Architektonische Meisterleistung

Nur drei Gehminuten entfernt befindet sich dann die zweite Topattraktion: der Große Remter, den man ebenfalls durch eine besondere Keramikpforte betritt. Remter, ein eingedeutschtes Wort aus dem lateinischen Refektorium (= Speisesaal), bezeichnet hier indes nicht einen Ort für grandiose kulinarische Genüsse. Hier in diesem 30 m langen Saal, dessen Kuppelgewölbe auf nur drei schmalen roten Granitsäulen ruht (damals eine architektonische Meisterleistung), residierte und empfing der Hochmeister seine Gäste, hier wurden Entscheidungen getroffen und bekanntgegeben. Das Gestühl mit seinem Holzthron wurde ebenso rekonstruiert wie die Wandfresken mit Szenen aus der Ordensgeschichte und einem Marienbildnis.

Die lebensgroßen Bronzestatuen der vier bedeutenden Hochmeister des Ordens. Foto: Ellen Spielmann
Die lebensgroßen Bronzestatuen der vier bedeutenden Hochmeister des Ordens. Foto: Ellen Spielmann

Hierher gelangt man allerdings erst, wenn man gewaltige einstige Zugbrücken, Fallgitter und Wachttürme passiert hat, im ersten Hof vorbei am Burgrestaurant mit guter polnischer Traditionsküche und zu den vier lebensgroßen Bronzestatuen gelangt, die die vier bedeutenden Hochmeister des Ordens, Hermann von Salza (ca. 1162 – 1239; 4. Hochmeister 1209 – 1239), Siegfried von Feuchtwangen (15. Hochmeister 1303 – 1311), Winrich von Kniprode (ca. 1310 – 1382; 22. Hochmeister) und Markgraf Albrecht von Brandenburg (37. Hochmeister von 1511 – 1525; 1490 – 1545) darstellen. Danach folgen weitere Fallgitter und Türme in den zweiten Innenhof zum Mittelschloss. Zuvor aber wartet die Burg heute als riesiges Museum auf. Da ist erst einmal das schmucke Bernsteinmuseum zu nenn. Dann – noch gewaltiger – die historische Waffensammlung aus mehreren Jahrhunderten, von Schwertern und Rüstungen über Hellebarden und Armbrüste bis hin zu pulverdampfenden Gewehren und Pistolen.

Erstaunlich ist die Sammlung orientalischer Waffen, die teils sogar aus Persien stammen. Besonders beeindrucken aber die freigelegten Fresken in den Treppenhäusern, die vielen aufwändig rekonstruierten Details und die Fülle an so gewonnenen Eindrücken, die heute Menschen aus aller Welt aufsuchen. Schließlich: Wer nicht im Burgrestaurant speisen möchte, kann auch außerhalb an einem improvisierten Imbiss etwa zu Kebab greifen. Noch besser ist es aber, eines der vielen kulinarischen Restaurantangebote rings um die Burg wahrzunehmen. Denn die Stadt Malbork ist gut vorbereitet auf ihre Gäste.

 

Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel

PROT, Informationszentrum: www.pomorskie.travel/en

Europäische Route der Backsteingotik: www.eurob.org

Tourismuszentrum Malbork, www.de.visitmalbork.pl

Schlossmuseum Malbork: www.zamek.malbork.pl/de

Fotos: Ellen Spielmann

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