Foodie

Im „Faelt“ in Berlin: Reduziert und wesentlich

Der Akazienkiez zählt inzwischen zu den etwas betuchteren Ecken in dem multikulturellen und toleranten Bezirk. Schon vor dem Krieg war Schöneberg die Heimat der LGBT-Community. Und später von so manchem Star. David Bowie wohnte einst gleich um die Ecke.

Schon das denkmalgeschützte Eckgebäude von 1903 mit seiner schneeweißen Fassade wirkt sehr einladend. Im Inneren des „Faelt“ setzt sich das fort. Offene Showküche, schwarz gestrichene oder rot geziegelte Wände. An den markanten Tischen aus hellem Holz sitzt überwiegend junges Publikum. Keine weißen Tischdecken, keine Kerzen, keine Blumen. Und schon gar kein Dresscode, wie auch sonst in Berlin. Stilvoll geht auch ohne, wie das „Faelt“ beweist. Gut 20 Gäste passen in das kleine Lokal, das  kürzlich von den Testern des „Guide Michelin“ erneut mit einem Stern bedacht wurde.

Minimalistisch und reduziert geht es auch auf den Tellern zu. Schon dank der skandinavischen Handschrift von Küchenchef und Inhaber Björn Swanson, der vor allem mit Erzeugern aus der nahen Umgebung zusammenarbeitet. „Faelt“ ist die schwedische Bezeichnung für „Feld“. Und zugleich ein Hinweis auf die skandinavischen Wurzeln des Sternekochs.

Nicht nur ein Genuss für die Augen: Topinambur. Foto: Fritz-Hermann Köser
Nicht nur ein Genuss für die Augen: Topinambur. Foto: Fritz-Hermann Köser

Hier dreht sich alles um das Produkt. So ist der „Topinambur und Café de Paris“ nicht nur ein Genuss für die Augen. Das Wintergemüse, bekannt für sein nussiges Aroma, wurde auf Salz gegart. Und mit Nussbutter und eingelegter Senfsaat verfeinert. Obendrauf, als Krönung, dann ein Café-de-Paris-Butterschaum. Daneben ein grüner Farbklecks, Petersilienöl. Der freundliche und sehr aufmerksame Mitarbeiter gießt dazu noch etwas Topinambur-Sud, aus den Schalen gekocht und mit etwas Butter gebunden. Der Butterschaum, eigentlich ein Klassiker auf Entrecote oder Filetsteak, schlägt sich auch auf dem wunderbar verfeinerten Gemüse hervorragend.

Brot und Butter bedürfen in der Regel kaum einer Erwähnung, hier schon. Was normalerweise vorab serviert wird, ist hier ein eigener Zwischengang. Eine Kümmelseele, wie die schwäbische Spezialität genannt wird, dazu etwas Salzbutter. Das war es leider schon, bedauert die Servicekraft. Kein Problem. Das warme Brot, außen knusprig, innen weich, luftig und feucht, verdient das Prädikat „sensationell“. Ausnahmsweise stammt es von einem Bäcker,  in der Regel backt der Küchenchef aber selbst. Gesund und bekömmlich geht es weiter, mit Grillgurke und Artischockenpüree, „mit unanständig viel Butter“, so der Mitarbeiter. Und raffiniert gewürzt. Zwischen den beiden Gemüsen geht es streng zu. So schmeckt jedenfalls die weiße Konsistenz, die aus Ziegenmilch, eingedickt mit etwas Ziegenkäse, besteht.

Vitello, mal etwas anders. Foto: Fritz-Hermann Köser
Vitello, mal etwas anders. Foto: Fritz-Hermann Köser

Mild und nur leicht pikant dagegen der nächste Gang. Vitello „Somehow“. So steht es, etwas geheimnisvoll, auf der Karte. Somehow, also irgendwie. Thunfischbauch, mit Thunfischmayo, Essiggurkenmarmelade. Und Dashi. Die japanische Brühe mit Algen ist eigentlich ein Fisch-Sud, hier wurde die aus Kalb zubereitet. So wurde die bekannte italienische Vorspeise „Vitello Tonato“, kaltes, hauchdünn geschnittenes Kalbfleisch mit einer Soße aus Thunfisch und Kapern, gewissermaßen „seitenverkehrt“ zubereitet. Die vier Kapern wurden hier frittiert. Originell. Und geschmacklich eine interessante und sehr gelungene Erfahrung.

Deftig geht es weiter, zumindest steht es so auf der Speisekarte: „Ferkel und Steckrüben“. Keule, zart und rosa gebraten. Mit Püree und Salat von besagter Steckrübe. Dazu scheint sich noch ein Dim Sum auf den Teller verirrt zu haben. Inhalt der asiatischen Teigtasche: Schweinenacken. Beide Varianten, das Fleisch stammt vom Iberico-Schwein, wurden perfekt zubereitet. Und das Gemüse, auch Runkelrübe genannt, und als Überlebenshilfe in den Hungerwintern nach dem ersten und zweiten Weltkrieg berühmt wie berüchtigt, erhält spätestens hier den Ritterschlag zu einer Delikatesse.  Alles  in allem der absolute Höhepunkt  des Abends.

Der Höhepunkt: Ferkel mit Steckrübenpüree. Foto: Fritz-Hermann Köser
Der Höhepunkt: Ferkel mit Steckrübenpüree. Foto: Fritz-Hermann Köser

Das gilt auch für den Rotwein. Ein Chianti Classico, Felsina „Berardenga“ von 2017, einer der besten Jahrgänge der letzten Zeit. Charaktervoll, leicht erdig, frische Säure, feine Tannine. Die typischen Aromen der Rebsorte „Sangiovese“ sind zudem deutlich erkennbar: Sauerkirsche, etwas Tabak. Robert Parker war der erlesene Tropfen 92 Punkte wert.

Experimentell geht es weiter, mit den Desserts. Kürbis-Foccacchia mit Kürbiskernöl und, man mag es kaum glauben, Stilton-Sirup. Stilton, der englische Blauschimmelkäse, berühmt wie berüchtigt für seinen strengen Geruch. Im Faelt wurde aus ihm eine Art Süßspeise. Waren da kulinarische Magier am Werk? Das Geheimnis: der Käse wurde in Zucker eingekocht. Geschmacklich einfach unbeschreiblich, aber auf jeden Fall ein Genuss.

Süßer Stilton als Dessert. Foto: Fritz-Hermann Köser
Süßer Stilton als Dessert. Foto: Fritz-Hermann Köser

Ebenso interessant der nächste Dessert-Gang. „Spannende Kombi“, verspricht der Mitarbeiter. Kürbiskernöl-Eis, Rote-Beete-Udon-Nudel, Kürbiskern-Paste, Hibiskus-Meerrettich Eis. Wie recht er doch hat. Zunächst gewöhnungsbedürftig, fährt er fort, doch dann passt alles. Und liegt wieder richtig.

Ein insgesamt sehr gelungenes Menü, mit Ayran als passendem Einstieg. Hier, eisig-erfrischend, als Slushie. Begleitet von gepickeltem Rettich und Staudensellerie-Gel. Ebenso gelungen der Abschluss. Die Pfannkuchen, warm und klein. Mit Kirschmarmelade gefüllt und Kürbiskernöl-Schlagsahne serviert. So kommen Joghurt-Drink samt Schmalzgebäck, allseits beliebt, aber doch recht profan, zu besonderen Ehren. Über beiden leuchtet jetzt der rote Stern.


Informationen:

www.faelt.de

Fotos: Fritz-Hermann Köser

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