Foodie

Ein Hauch von Asien im Schwarzwald

Wer sich der Traube Tonbach in Baiersbronn mit dem Privatwagen nähert, hat mit großer Wahrscheinlichkeit das Vergnügen, auf den Pagen Manfred zu treffen. Seit 41 Jahren kümmert er sich um das Wohl der Neuankömmlinge, nur unterbrochen von einem sechs Jahre dauernden Auslandsaufenthalt. Der 62-Jährige könnte ein Buch schreiben über all die Gäste, die er empfangen hat, darunter gekrönte Häupter, Spitzensportler und Prominente sämtlicher Couleur. „Manne“, wie er intern genannt wird, ist längst zum Faktotum der Traube geworden. Er ist einer von mehr als 320 Mitarbeitern, die das Ankommen in dem Fünf-Sterne-Superior-Hotel zum Heimkommen machen.

Die Traube Tonbach ist zum Pilgerort für Gourmets aus aller Welt geworden. Das kulinarische Aushängeschild, die „Schwarzwaldstube“, rangiert in der weltweiten Restaurant-Bestenliste „La Liste“ für 2023 auf einem herausragenden zehnten Platz. Seit 1993 bekam sie Jahr für Jahr im „Guide Michelin“ verlässlich die Bestnote von drei Sternen. Nur 2020 wurde die Bewertung ausgesetzt, nachdem ein verheerender Brand Teile des Hotels und das Restaurant bis auf die Grundmauern zerstörte.

Das neue Schatzhauser im Stammhaus der Traube Tonbach. Foto: Julian Beekmann Fotografie
Das neue Schatzhauser im Stammhaus der Traube Tonbach. Foto: Julian Beekmann Fotografie

Auferstanden aus Ruinen. Dieses Motto gilt nicht nur für die „Schwarzwaldstube“, sondern ebenso für das Restaurant „1789“, das vor dem Brand Köhlerstube hieß, weil dort vor mehr als zwei Jahrhunderten Hotelgeschichte mit einer winzigen Schänke für Köhler und Waldarbeiter begann. Im vergangenen Frühjahr wurde das Restaurant eröffnet. Die Regie führt weiterhin Florian Stolte, der den Michelin-Stern für die Köhlerstube auf Anhieb auch für das „1789“ einheimste. Der 38-Jährige hat seinen Mix aus klassisch-französischer und thailändischer Hochküche weiterkultiviert und zu einem neuen, eigenen Stil gefunden.

Tatar vom Balfego-Thunfisch mit Zitrus-Vinaigrette

Der gebürtige Heidelberger ist ein Eigengewächs der Traube Tonbach, in der er von 2002 bis 2005 seine Ausbildung zum Koch absolvierte und als Commis de Cuisine arbeitete. Nach Stationen in Österreich, Portugal und der Schweiz kehrte Stolte 2011 als Sous-Chef für die Köhlerstube und Bauernstube zurück an seine alte Wirkungsstätte. Seine mit einem Michelin-Stern und 17 Gault Millau-Punkten prämierte Kochkunst reflektiert seine zahlreichen Reisen in den Fernen Osten. Vor allem Thailand und die dortige Straßenküche haben es ihm angetan.

Gelbschwanzmakrele, Auster, Gurke, Miso. Foto: René Riis
Gelbschwanzmakrele, Auster, Gurke, Miso. Foto: René Riis

Schon der erste Appetitanreger weist den Weg: eine akkurat ausgearbeitet Tom Kha Gai-Suppe en miniature mit Jakobsmuschel als Einlage. Hervorragend und von hoher Produktqualität präsentiert sich auch die Variation vom Balfego-Thunfisch: als Tatar mit Zitrus-Vinaigrette, und als gebeizte, rohe Scheibe mit Imperial Kaviar, die von einem säurebetonten Sud aus Gochujang-Würzpaste und einer Ponzu-Vinaigrette kontrastreich in Szene gesetzt wird.

Der in Butter knusprig auf der Haut gebratene Heilbutt kommt mit einer Tarbouriech perfekt abgestimmte Maß an Schärfe sorgt eine Salsa aus grünem Paprika und Pimentos de Padrón.

Beim großartigen Felsenhummer umschmeichelt Stolte die Geschmacksnerven wie beim Balfego-Thunfisch in zwei Varianten. Gebraten und als Dim-Sum, mit gebratenem Pak Choi, Süßkartoffelcreme und einem ,,Thai-Salat“ mit Koriander und Erdnüssen. Herrlich dazu der Tom Yam-Krustentiersud mit Zitronengras, Kaffirlimette, Galgant und Chili.

Gastgeber im 1789 um Küchenchef Florian Stolte (links). Foto: Julian Beekmann Fotografie
Gastgeber im 1789 um Küchenchef Florian Stolte (links). Foto: Julian Beekmann Fotografie

Wohldurchdachte Weinkarte mit fairem Preisniveau

Auch beim top auf den Punkt gebratenen Black Angus aus dem australischen Jacks Creek lässt Küchenchef Stolte die asiatischen Aroma-Muskeln spielen. Hier sind es Massaman Curry, Litschi, Erdnuss und Ponzu-Vinaigrette, die den verwöhnten Gaumen rund 8600 Kilometer weißer östlich verorten.

Restaurantleiter Fabian Clement punktet mit dem vollendeten Mix aus vornehmer Zurückhaltung und Freundlichkeit. Sekundiert wird er von der überaus kompetenten Sommelière Maya Michels, deren Empfehlungen vortrefflich mit den unterschiedlichen kulinarischen Arrangements harmonieren. Ihre sehr gut kuratierte Karte besticht durch die wohldurchdachte Zusammenstellung und ihr faires Preisniveau. Ein Riesling des Wachenheimer Spitzen-Weinguts Dr. Bürklin Wolf für 30 Euro dürfte seinesgleichen suchen.

Kulinarischer Traum von Florian Stolte. Foto: Rene Riis
Kulinarischer Traum von Florian Stolte. Foto: Rene Riis

Der Betrieb in der Traube Tonbach läuft in der achten Generation. Seniorchef Heiner Finkbeiner übernahm 1993 die Regie und führte das Hotel an die Spitze der europäischen Luxushotellerie. Mit Mathias und Sebastian steht zwar die nächste Generation parat, um das von ihm und seiner Gemahlin Renate geschaffene Lebenswerk fortzuführen. Doch der Patron lässt es sich nicht nehmen, seine Gäste persönlich zu begrüßen. Zum Beispiel im Restaurant „Schatzhauser“, dessen kulinarische Marschroute ebenfalls von Florian Stolte vorgegeben wird. Namensgeber ist der gute Waldgeist aus Wilhelm Hauffs Schwarzwald-Märchen „Das kalte Herz“.

„Ojo de Agua-Steak“ vom Lavastein-Grill

Gespeist wird an einer riesigen Fensterfront mit Blick auf das Tonbachtal. Derweil lockt ein „Wald und Welt“ genanntes Programm mit einem breiten Spektrum zwischen Regionalküche, weithin beliebten Gerichten aus aller Welt sowie Fleisch vom Grill. Schon die irischen Felsenaustern, die sich durch deutlich weniger Jod-Aromen als ihre französischen Pendants auszeichnen, tragen die Handschrift des Asien-Afcionados Stolte. Ihre kongenial passende Marinade setzt sich aus Reisessig, Reiswein und Yuzu zusammen.

Florian Stolte: Küchenchef 1789 und Schatzhauser in der Traube Tonbach. Foto: Julian Beekmann Fotografie
Florian Stolte: Küchenchef 1789 und Schatzhauser in der Traube Tonbach. Foto: Julian Beekmann Fotografie

Ein schwäbischer Klassiker in seiner unverfälschten Urform sind die vorzüglichen „Hausgemachten Maultaschen mit Rinderbouillon, Kartoffel-Gurkensalat und Zwiebelschmelze“. Ein Muss ist zweifellos das „Ojo de Agua-Steak“ vom Lavastein-Grill. Das Fleisch stammt von der gleichnamigen argentinischen Farm, die der frühere Yello-Frontmann Dieter Meier 1996 erworben hat.

„Ojo de Agua“ steht für das Quellwasser, das die Black Angus Rinder auf dem weitläufigen Anwesen aus Pfützen trinken. Zum exzellent gegrillten Bio-Fleisch handgeschnitzte Pommes Frites, asiatisch angehauchte Brokkoli sowie ein Gläschen Lemberger des Fellbacher Spitzenwinzers Rainer Schnaitmann – und die Welt ist nicht nur im Schwarzwald in bester Ordnung.


Informationen:

www.traube-tonbach.de/restaurants-bar/1789-1

Fotos: Traube Tonbach, Rene Riis, Julian Beekmann Fotografie

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