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Cantine Garrone: Schätze von der Riviera des Ossolatals (Teil 1)

Der Ort heißt Crevoladossola, eine Nachbargemeinde des dank der Autobahnverbindung zwischen Mailand und der Schweiz weitaus bekannteren Domodossola. Und hier, in der Provinz Verbano-Cusio-Ossola, die auch das bekannte Verbania am Nordwestufer des Lago Maggiore integriert verläuft auch das Val d`Ossola, auf gut deutsch das Ossolatal, historisch auch schon einmal als Eschental bekannt. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die ans Ende des 15. Jh.s führt, als es zwischen dem Schweizer Wallis und den Piemontesen hier zu kriegerischen Grenzstreitigkeiten kam.

Auch 1944 machte das Ossolatal Schlagzeichen. Denn da begründeten italienische Partisanen die Republik Ossolatal, italienisch die Repubblica dell’Ossola, die 44 Tage, vom 10. September bis 19. Oktober 1944 währte. Die deutsche Wehrmacht und Mussolinis Truppen beendeten den Freiheitsruf im Ossolatal gewaltsam: Allein in den letzten Tagen dieser Republik flohen über 35 000 Menschen in die nahe Schweiz, darunter 2500 Kinder zwischen 5 und 13 Jahren. Dennoch wurden viele Partisanen exekutiert. Auch heute noch wird das Tal vom Fluss Toce, deutsch Tosa, dominiert. Und in dem kleinen Dörfchen Oira, wie das noch mittelalterlich geprägte Dörfchen Canova ein Ortsteil der 4500-Seelen-Gemeinde Crevoladossola und in 350 bis 550 m Höhe gelegen, verwöhnt weiterhin die Sonne die herrlichen Berghänge, deren höchste Gipfel ringsum dann bis auf 2249 m anstiegen. Oira ist berühmt, denn es trägt wegen seiner vielen Sonnenstunden stolz auch den Namen „Riviera des Ossolatals“.

Hier im herrlichen Sonnendorf inmitten des satten Grüns der Alpen, kümmern sich die Macher der 1921 gegründeten Cantine Garrone, Matteo und Roberto Garrone, vor allem intensiv um eine lokale Besonderheit: Hier wird die Rebsorte Prünent kultiviert, ein uralter Klon der edelsten Rebsorte des Piemont, des Nebbiolo. Der Prünent ist die unbestritten schönste, einzigartigste und im Ergebnis eleganteste Blüte des Ossolatals, noch dazu erstmals schon 1309 schriftlich erwähnt. Doch diesem Schatz unter den Rebsorten widmen sich die beiden Garrone nicht allein: Stolz weist man zum 100-jährigen Bestehen der Cantine darauf hin, dass von den 14 Hektar Weinland nur drei direkt bewirtschaftet werden. Die restlichen 11 Hektar hingegen teilen sich unter 50 kleine Winzer auf, die den die Qualität sichernden Cantine alljährlich Trauben allererster Güte liefern.

Im äußersten Norden der italienischen Region Piemont, hart an der Grenze zum Schweizer Kanton Wallis. Foto: Cantine Garrone
Im äußersten Norden der italienischen Region Piemont, hart an der Grenze zum Schweizer Kanton Wallis. Foto: Cantine Garrone

Sie alle haben sich in der Associazione Produttori Agricoli Ossolani, der APAO organisiert. Und die Gemeinschaft der Weinproduzenten aus dem Ossolatal kümmert sich nicht nur um die uralte und weitere weiße und rote Rebsorten. Sie sorgt auch für die Wiederherstellung und Pflege der uralten Weinberge in den steilen Berghängen, die seit den 1960er Jahren mehr und mehr brach lagen. Der Grund: Niemand konnte hier mehr ökonomisch mit der Industrialisierung der Landwirtschaft und des Weinbaus mithalten. Tradition, Kultur und Leidenschaft für den Wein haben nun dazu geführt, dass das Ossolatal, seit 2009 auch DOC-Gebiet (DOC Valli Ossolane), nun ein Revival besonderer Art erlebt. Angebaut werden heute Nebbiolo bzw. Prünent, Croatina und Merlot unter den roten Rebsorten, bei den weißen ist es Chardonnay. 40 bis 50.000 Flaschen werden nun dank dieser vorzüglichen Arbeitsteilung jährlich abgefüllt, ein Drittel davon exportiert: in die USA, dort vor allem nach New York und Los Angeles, nach Australien, in die nahe Schweiz, nach Großbritannien, Schweden und Norwegen. Das ist die ökonomische Seite!

Die önologische sieht so aus: Hier, wo alle Weinberge gen Süden ausgerichtet sind und das durch das Gebirge und die großen Seen Lago Maggiore, Lago d`Orta und Mergozzo erzeugte Mikroklima ideal für den Weinbau ist, entstanden die Weinberge auf künstlichen, in den Fels gearbeiteten Terrassen, die durch in Trockenbauweise errichtete Mauern abgegrenzt und geschützt werden.

Und dank der Wiederbelebung dieser uralten Terrassenwirtschaft entsteht naturgemäß auch ein weiter positiver Effekt: ein perfekter weil effektiver zusätzlicher Schutz auch gegen Hochwasser. Der Trend zur Rekultivierung der seit den 1960er Jahren vernachlässigten, angeblich ineffektiven Terrassenkulturen ist entlang des italienischen Alpensaums derzeit an vielen Orten zu beobachten. Die Gründe dafür sind oft auch kultureller Natur: Viele private italienische Vereine und Naturschutzgruppen sorgen für die Instandsetzung der uralten Terrassen und deren Rekultivierung, was zudem eine enorme Steigerung der Biodiversität mit sich bringt.

Die Weinfamilie Garrone. Foto: Cantine Garrone
Die Weinfamilie Garrone. Foto: Cantine Garrone

Im Fall des Ossolatals sah es so aus, dass Ende der 1980er Jahre eigentlich nur noch für den Eigenbedarf Weinanbau betrieben wurde. Viele Terrassen lagen brach, auch, weil tausende in den zurückliegenden Dekaden in die Industriezentren oder ins Ausland abgewandert waren. Eine kleine Ausnahme waren die 1921 von Luigi Garrone gegründeten Cantine Garrone. Hier investierte man in neue Reben und begann, Trauben von den vielen Winzerfamilien ringsum aufzukaufen und so den Weinbau wieder zu kommerzialisieren. Den Anstoß dafür hatte indes ein anderer gegeben. Der anerkannte Doyen unter den örtlichen Winzerfamilien, der neunzigjährige (!) Pierino De Gregori, begann, die Trauben von seinem Weinberg in Pello di Trontano zu verkaufen! Dies war ein eher symbolischer Akt, aber viele folgten seinem Vorbild!


Information:

Cantine Garrone, www.cantinegarrone.it 

Fotos: Cantine Garrone

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