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Zu Besuch in „Irlands Alaska“

Noch höher sind in Irland die Klippen von Croaghaun (664 m) auf Achill Island, die höchsten Meeresklippen liegen dann an Norwegens Atlantikküste. Doch keine höhere Klippe ist begehbar! Zudem: Seit Eröffnung des 2400 km langen Wild Atlantic Way entlang Irlands Nord-, West- und Südküste hat auch Slieve League deutlich mehr Aufmerksamkeit und Investitionen in die Infrastruktur erfahren. Doch nicht genug damit: Ende der zweiten Dekade des 21. Jh.s. wurde sogar noch ein weiteres, 4,95 Mio. Euro schweres, länderübergreifendes EU-Investitionsprogramm aufgelegt, das Slieve League und die nordirische Küstenlandschaft der Gubbins weiter aufwerten soll.

Clever für die Gubbins, aber auch Slieve League, so kurz vor dem Brexit! Diese Aufwertung gelingt heute bravourös. An der Bunglass Road, die von der Hauptstraße des kleinen Küstendörfchens Teelin abzweigt und an die Klippen heranführt, entstand ein neues Besucherzentrum mit großem Parkplatz, das im Mai 2019 eröffnet wurde. Hier, im von Mary Cassidy geleiteten Sliabh Liagh Visitor Centre mit Sea Cliff Experience erhalten Besucher im kleinen Café Kaffee, Tee und Snacks, können sich anhand von Informationstafeln über die Klippen informieren, Souvenirs und auch Kartenmaterial erwerben.

Giant`s Chair and Table (Stuhl und Tisch des Riesen), zwei markante Felsen im Meer an den Klippen von Slieve League. Foto: Ellen Spielmann
Giant`s Chair and Table (Stuhl und Tisch des Riesen), zwei markante Felsen im Meer an den Klippen von Slieve League. Foto: Ellen Spielmann

„Wir holen die Leute aus dem Auto“, meint David Gillespie, der hier an den Klippen aufwuchs, wie alle im 300-Seelen-Dorf Teelin gälisch spricht und im Visitor Centre als Tour Guide arbeitet. Er ist ein Schatz an Informationen und weiß alles über die Klippen: Geschichte und Legenden, wie sie eben nur ein Einheimischer kennt. Und er kann seine eigenen Kindheitserlebnisse aus der noch recht kargen Zeit vor ca. 50 Jahren mit einbringen, als hier in „Irlands Alaska“ noch längst nicht alle über Elektrizität und fließend Wasser verfügten.

Und natürlich erkennt er die Iren schon an ihren Nachnamen und kann sie auch geographisch gut in die einzelnen Countys einordnen. So ist „Gillespie“ an den Meeresklippen von Slieve League ein weit verbreiteter Name. Er bedeutet „Sohn des Angestellten des Bischofs“ – ergo eine höchst ehrenwerte, alte katholische Familie.

David kennt auch den Steinmetz und Bildhauer Paul, Spitzname „Phaid“, Cunningham aus dem nahen, durch den heiligen Kolumban und das Folk Village berühmten Dorf Glencolmcille. Cunningham schuf 2019 jene „Story Stones“, die nun den Fußweg hinauf bis zum Aussichtspunkt Bunglass Point säumen, wo man übrigens an der mobilen Ice Cream-Bude sehr leckeres Eis erhält. Der erste „Geschichtenstein“ steht direkt am Visitor Centre, beschäftigt sich mit Fauna und Flora von Slieve League, zeigt aber im oberen Teil auch den Grundriss der Grundmauern jenes Klosters, das einst auf den Klippen stand und Einsiedler beherbergte. Dominant sind aber Seevögel und Fische, natürlich auch Robben, Wale, Delphine, Lachse oder der Arctic Char (Saibling).

Blackface-Schaf an den Klippen von Slieve League. Foto: Ellen Spielmann
Blackface-Schaf an den Klippen von Slieve League. Foto: Ellen Spielmann

Nahe dem Bunglass Point widmet sich Cunningham am letzten Stein dann der Sagen- und Legendenwelt von Slieve League. Faszinierend ist das Portrait einer jungen Frau, die legendär über Nacht verschwand und nie wieder auftauchte. Das mit abgebildete Segelschiff gibt eine Erklärung. Realistischer ist im unteren Abschnitt die Darstellung von zwei Adlerkrallen. Sie erinnern laut David an eine wahre Begebenheit: Ein Adler versuchte, ein kleines Kind zu greifen, ließ dann aber die zu schwere Beute wieder fallen ließ. David hat die Greifspuren an dem Mädchen später selbst gesehen.

Vorbei an Blackface-Schafen bietet Bunglass Point, die Aussichtsplattform,  atemberaubende Blicke auf die Küstenformation und hinab in den gurgelnden Klippengrund, der mit einmaligen Farbspielen aufwartet. Inmitten des Spektakels ragen Giant`s Table and Chair auf, zwei Felsen, die als „Tisch und Stuhl des Riesen“ berühmt sind. Zwischen ihnen – aber längst nicht nur hier – legt ein Freund von David Reusen zum Hummerfang aus. Letztere kann man fangfrisch schon mittags in Teelin im Restaurant und Pub „The Rusty Mackerel“ ordern, wo man auch gut übernachtet. Natürlich kann man noch viel weiter hinauf, um das Spektakel auf 601 m Höhe zu genießen.

Aus dem Lunch Menu im Ahoy Café in Killybegs: Calamari-Salat mit Gartensalat, Pfeffer, roten Zwiebeln, Tomate, Gurke und Salatdressing. Foto: Ellen Spielmann
Aus dem Lunch Menu im Ahoy Café in Killybegs: Calamari-Salat mit Gartensalat, Pfeffer, roten Zwiebeln, Tomate, Gurke und Salatdressing. Foto: Ellen Spielmann

Doch der Wanderweg One Man`s Way hat es in sich. Er ist schmal und nicht nur bei starkem Wind gefährlich. Gut daher, dass 202e ein neuer, sichererer Weg angelegt wurde, den man dennoch besser nur mit Guide begeht. Ein Blick hinunter zum Meer offenbart, dass Bootsausflüge eine gute Alternative sind. Ab dem Pier im Hafen von Teelin, das schon von Ptolemäus erwähnt worden sein soll, bieten Paddy und Crew sommertags Bootsausflüge an und tuckern mehrmals täglich zum Fuß der Klippen, wo der steinerne Kamm tatsächlich riesig wirkt. Bei ruhigem Seegang darf man auch mal für ein Bad ins Meer hüpfen.

Schließlich öffnet, nur durch einen Campingplatz vom neuen Visitor Centre getrennt, das einstige private Besucherzentrum mit dem Ti Linn Coffee Shop und Souvenirläden. Es gehört der lokalen Web-, Strick- und Tweed-Manufaktur Triona und bietet warme Küche.

Nur eine halbe Autostunde von Teelin ist dann das Angebot in der Hauptstadt von „Irlands Alaska“, in Killybegs, das kulinarische Angebot noch sehr viel größer. Schließlich hat Killybegs, aktuell größter Westatlantikhafen Irlands und zeitweilig größter Fischereihafen Europas, grandiose Auswahl bei garantierter Topfrische zu bieten. Entlang der Küstenstraße, Killybegs Shore Road, fallen daher erst einmal die zahlreichen mobilen Takeaways auf vier Rädern auf.

Wagen von Gastro Gangster, „The Godfather of Food“, Killybegs erster Take Away auf Rädern, an der Shore Road. Foto: Ellen Spielmann
Wagen von Gastro Gangster, „The Godfather of Food“, Killybegs erster Take Away auf Rädern, an der Shore Road. Foto: Ellen Spielmann

Ältester dieser heiß umlagerten rollenden Stände mit Fischgerichten ist „Gastro Gangster“, wo man bei ungünstigem Wetter und Wind auch von der Hintertür aus serviert. Dann sind da noch das schwer angesagte „Seafood Shack“, „The Food Trailer“ oder „An Capall Mara“ („The Seahorse“). Allererste Adresse ist aber ein reguläres Café/Restaurant mit schönem Vorgarten – Killybegs Ahoy Café.

Schließlich: frischen Fisch hat Fish Stop an der Main Street, wo man auch auf ein großes Wandbild schaut, das Killybegs in alten Seefahrtstagen zeigt.


Informationen:

County Donegal: www.govisitdonegal.com

Killybegs Information Centre, www.killybegs.ie

Sliabh Liagh Visitor Centre & Sea Cliff Experience: www.sliabhliag.com

Slieve League Cliffs Centre & Tí Linn Café: www.slieveleague.com

The Rusty Mackerel, www.therustymackerel.com

Central Hotel, www.centralhoteldonegal.com

Fish Stop: www.thefishstop.ie

Fotos: Ellen Spielmann

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