Da sind heutige Besucher bei weitem besser dran. Denn das Museum für zeitgenössische Kunst, heute Teil des Nationalmuseums Breslau, präsentiert eine wunderbare Ausstellung zur polnischen Kunst seit 1945 bis in die Gegenwart – ein Muss für jeden Kunstfreund, für man sich unbedingt zwei, drei Stunden Zeit nehmen sollte. Einmalig sind nicht nur die präsentierten Kunstwerke. Auch die herausragende Restaurierung des Bauwerks selbst ist zu erwähnen.
Vor allem aber setzen die Ausstellungsmacher auch auf Multimedia: An die Wände projizierte Erklärungen auch in englischer Sprache erleichtern die zeitliche wie künstlerische Zu- und Einordnung und machen den Museumsbesuch so doppelt spannend.
Den kurzen Weg vom Vier-Kuppel-Pavillon zur Jahrhunderthalle verkürzt uns eine kleine Bronzestatuette, die den Krimiautoren Marek Krajewski zeigt – natürlich in Zwergenform. Krajewski, der durch seine Breslau-Krimis um den Kommissar Mock berühmt wurde, steht hier fröhlich ein Buch hochhaltend aus gutem Grund. Denn Wroclaws Messegelände ist auch der Ort der Buchmesse Wroclaw. Natürlich ist dann die Jahrhunderthalle Ziel aller Architekturträume.
Vorbild für den Architekten Max Berg war ohne Wenn und Aber das Pantheon in Rom. Doch Berg übertraf das antike Vorbild bei weitem, und dies dank ausgeklügelter Logistik in kürzester Bauzeit: 42 m ragt der riesige Kuppelbau aus Stahl und Beton in die Höhe, die Kuppel besitzt sagenhafte 65 m freie Spannweite. Dass dieser Bau, seinerzeit eine Weltsensation und von der später im Baukonzern Strabag aufgegangenen Baufirma Dywidag (Dyckerhoff & Widmann AG) ausgeführt, damals tatsächlich halten würde, war keineswegs sicher. Niemand traute sich, die Holzverschalungen abzunehmen, jeder fürchtete den kompletten Einsturz. Also soll Max Berg (1870 – 1947) selbst Hand angelegt haben, mit einem zufällig vorbeigekommen Passanten. Der Gigant hielt und wurde so Bergs Meisterwerk.
Seit 2010, in der Halle ab 2011, wurden sämtliche nach 1913 gefertigten Ein- und Umbauten entfernt. An den Arbeiten war das englische Architekturbüro Chapman Taylor beteiligt. Die Hallenmitte erhielt eine versdenkbare Bühne. Am Ende wurde die Jahrhunderthalle zum Schmuckstück der Festivitäten 2016, als Wroclaw Kulturhauptstadt Europas war. Wie die Halle überhaupt den Zweiten Weltkrieg überstand, erlebt man im neuen Multimedia-Visitor Center, wo auch ein originalgetreues Modell steht. Sowjetische Piloten hatten das Bauwerk wohl als Orientierungspunkt für ihre Flüge in Richtung Stadtzentrum gewählt.
So blieb es fast unbeschadet bestehen. Heue wird sie für Events, Sport- und Musikveranstaltungen genutzt und offeriert 6000 Sitzplätze. Samt Stehplätzen könnte sie aber auch 20.000 Zuschauer fassen. Ohne Mühe gefüllt haben sie Marlene Dietrich bei ihrem Besuch in Wroclaw und natürlich Papst Johannes Paul II., der hier 1997 auftrat. Zum Dalai Lama im Jahr 2010 kamen immerhin auch 5000 Besucher. Und sie erhielt zuletzt dank der Aufführungen von Wagner-Opern durch Wroclaws Oper internationale Aufmerksamkeit. Nicht mehr da ist indes die berühmte riesige Orgel des Frankfurter Orgelbauers Wilhelm Sauer.
Die 1913 aus 15133 Pfeifen und 200 Registern bestehende Mammutinstrument wurde nach 1945 auf drei orgeln aufgeteilt. So wurde Breslaus Domorgel mit 150 Registern und 13207 Pfeifen zur größten in Polen. Ein Besuch des Jahrhundertparks wäre nicht komplett ohne das Flanieren unter der ebenfalls bis 1913 erbauten Pergola hinter der Jahrhunderthalle. Die dicht mit Weinranken bewachsenen 750 Gitter zwischen den Säulen des in Ellipsenform angelegten, 640 m langen Spazierwegs gelten heute als beliebtestes Naherholungsziel Wroclaws. Sie umrahmt zudem einen weiteren, 2009 fertiggestellten Hit: den gigantischen Multimedia-Springbrunnen. Von Mai bis Oktober sprudelt es hier auf ca. 1 ha Wasserfläche aus 300 Wasserdüsen. 800 Lichtpunkte illuminieren das Spektakel, das seinerzeit zum 20. Jubiläum der ersten freien Wahlen in Polen entstand. In Winter dient die 230 m² große Fläche als Eisbahn.
Und nicht genug damit: Von der Pergola kann man dann auch in den Japanischen Garten (mit Eintritt) gelangen. Auch diese einzigartige Anlage des japanischen Gärtners Arai Mankichi entstand bis 1913, besitzt mehrere Wasserfälle und wurde 1997 erweitert. Als Teil des Szczytnicki Parks, wo sich heute ebenfalls die 1913 aufgestellte St. Johannes-Nepomuk-Kirche befindet, ist er natürlich ein besonderes landschaftsarchitektonisches Ereignis. Nicht zu besichtigen ist indes das legendäre Panorama der Schlacht von Raclawice. Es wird bis April 2021 restauriert. Dafür bietet aber gegenüber der Jahrhunderthalle der Zoo ein faszinierendes Novum: das spektakuläre, 2014 fertiggestellte futuristische Africarium! Es zeigt auf 10.000 m² über und unter Wasser Afrikas Tierwelt.
Informationen:
Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel
Visit Wroclaw (Breslau), https://visitwroclaw.eu/de
Fotos: Jürgen Sorges