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Vom Nashorn zum Nemo

Es hört sich nach Jammern auf hohem Niveau an, aber die vergangene Woche war tatsächlich richtig anstrengend: Auf einer exklusiven Flugsafari hatten wir die Nationalparks Julius Nyerere und Ruaha im Süden Tansanias kennengelernt. Spätestens um halb sechs Uhr stand jeden Morgen eine gute Seele vor unserem Luxuszelt und trieb uns mit frischem Kaffee aus den Federn. Keine halbe Stunde später waren wir bereits auf Pirschfahrt und fotografierten Löwen, die eine Giraffe fachgerecht zerlegten, und Afrikanische Wildhunde, die selbiges mit einem frisch gerissenen jungen Impala taten. Abends unternahmen wir dann sogenannte Night Drives, um auch die nachtaktiven Tiere wie Ginsterkatzen und Löffelhunde vor die Linse zu bekommen. Spannend und wunderschön war das, aber irgendwann fielen uns vor Übermüdung die Augen zu. Und deshalb sind jetzt doch sehr froh, auf Sansibar gelandet zu sein, um uns vom Tiere-Gucken standesgemäß zu erholen.

Die Matemwe Lodge im ruhigen Nordosten der Gewürzinsel ist dafür der perfekte Ort. Von der Terrasse unseres auf alte Korallenbänke gebauten Chalets blicken wir auf die Silhouetten der Dau-Holzsegler. Schreiben wir wirklich das Jahr 2021? Vor 200 Jahren sah es hier kaum anders aus. Die Fischer fahren mit der Morgenflut hinaus, holen ihren Fang ein, und nutzen die Nachmittagsflut, um sich abermals über die Untiefen des Riffs hinweg zu mogeln. In der Zeit dazwischen, wenn Ebbe herrscht, waten Dutzende von Dorfbewohnern durch das seichte, türkisblau schimmernde Wasser. Unter Steinen suchen sie nach Tintenfischen, Seeigeln und Muscheln. Einige haben Taucherbrillen und Speere dabei. Andere schlagen mit Holzstöcken auf das Wasser ein, um die Fische in ihre Netze zu lenken.

Während der Ebbe. Suche nach Seeigeln und Muscheln. Foto: Asilia Africa
Während der Ebbe. Suche nach Seeigeln und Muscheln. Foto: Asilia Africa

Stundenlang könnte man diesem Treiben zuschauen. Sansibar, der halbautonome Inselstaat, 40 Kilometer vor der Küste Tansanias gelegen, unterscheidet sich doch deutlich von seinen schicken Schwestern im Indischen Ozean. Während auf den Seychellen und auf Mauritius viele Insulaner vom Tourismus leben, geht die meisten Sansibaris noch traditionellen Arbeiten nach: Sie fischen, bauen Reis und tropische Früchte an. Vor allem aber ernten sie Gewürze, für die die Insel weltberühmt ist. Trotzdem ist es ein hartes Leben, reich wird dabei kaum jemand. Aber den Touristen gefällt es, wenn sie sagen können, sie urlauben auf einer Insel, auf der es noch authentisch zugeht. „Authentisch“ oder „echt“ ist auch die deutsche Übersetzung für das Swahili-Wort Asilia. Das von dem Niederländer Jeroen Harderwijk mitgegründete Unternehmen gleichen Namens mit derzeit 23 Lodges in Tansania und Kenia setzt denn auch auf authentische Reiseerlebnisse abseits des Mainstream. Das hat seinen Preis. Aber der ist es wert.

Die Matemwe Lodge, erzählt uns deren aus Südafrika stammender Manager Ross Owen, gehört seit 2005 zu Asilia. Dort, wo heute zwölf Chalets, vier Villen und ein exklusives Beach House mit Butler und Privatkoch stehen, befand sich bis in die 1990er Jahre dichter Küstenwald. Eine touristische Infrastruktur gab es noch nicht. Dann kamen zwei wohlhabende schwedische Schwestern und beschlossen, hier ein einfaches Gästehaus bauen zu lassen. Man muss dazu wissen: Damals dauerte die Fahrt von Sansibar City nach Nungwi an der Nordspitze der Insel satte sechs Stunden. Das Fischerdorf Matemwe liegt auf halbem Weg, eignet sich perfekt für einen Zwischenstopp. Außerdem befinden sich hier die besten Schnorchel- und Tauchreviere der Insel auf dem vorgelagerten Mnemba-Atoll. 2006 kaufte Asilia die Pension und baute sie behutsam Schritt für Schritt zu einer komfortablen, aber nicht über die Maße luxuriösen Relax-Oase aus. „Die meisten Asilia-Gäste landen am Ende ihrer Safari bei uns“, erzählt Owen, „um vor der Heimreise einige entspannte Tage hier zu verbringen.“

Asilia: Traumhafte Luxus-Oase. Foto: Asilia Africa
Asilia: Traumhafte Luxus-Oase. Foto: Asilia Africa

Das heißt jedoch nicht, dass man rund um die Lodge nichts unternehmen kann. Vom Riff-Walk bis zur Dorf-Tour ist vieles möglich, Tauchen und Schnorcheln sowieso. Ein besonderes Erlebnis ist eine Dau-Fahrt in den Sonnenuntergang hinein, während eine Führung durch einen der zahlreichen Gewürzgärten der Insel fast schon zum guten Ton gehört. Und dann ist da natürlich noch Stone-Town, das alte Herz von Sansibar-Stadt, mit seinen rund 2.000 denkmalgeschützten, aus Korallenstein gebauten Häusern – ein in die Jahre gekommenes, aber dennoch höchst lebendiges Freilichtmuseum, wo Queen-Frontmann Freddie Mercury 1946 als Farrokh Bulsara geboren wurde und heute ein kleines Museum an ihn erinnert, wo junge Designer afrikanische Mode anbieten und wo zu normalen Zeiten sogar ein Open-Air-Festival steigt. Zu Wohlstand kam die Stadt, vor mehr als 1.000 Jahren gegründet und heute UNESCO-Weltkulturerbe, durch den Handel mit Elfenbein und Gewürzen, aber auch mit Sklaven. Erst 1907 wurde hier das Verkaufen von Menschen abgeschafft.

„Sansibar ist eine Perle, wenngleich eine mit Patina“, meint Matemwe-Lodge-Manager Ross Owen. Traditionelle Lebensweisen und die Moderne würden bisweilen hart aufeinanderprallen auf der mehrheitlich von Muslimen bewohnten Insel, die etwa halb so groß ist wie Mallorca. Er sieht es deshalb als seine Aufgabe, beide Welten miteinander zu versöhnen. Vor allem die Förderung von Frauen liegt ihm am Herzen. Gerade erst hat er ein junges Mädchen aus dem Dorf als Trainee angestellt. Sie ist noch schüchtern und unsicher, lernt aber schnell, was Westler so für Frühstücksgewohnheiten haben. Auch Workshops für angehende Imkerinnen hat Owen auf den Weg gebracht. Die seien längst nicht mehr darauf angewiesen, dass die Lodge ihren Honig abkauft. „Sie haben schnell herausgefunden, dass sie in der Stadt bessere Preise bekommen“, lacht er.

Schnorchel Paradies. Foto: Asilia Africa
Schnorchel Paradies. Foto: Asilia Africa

Auf der Website von Asilia Africa liest man nichts bis wenig über die vielen sinnvollen Projekte. Machen statt Reden lautet das Motto. Der blinde Pandu aus dem Nachbardorf etwa verdient sich seinen Lebensunterhalt selbst, indem er alte Netze der Krabbenfischer in Deko für die Lodge verwandelt. Auf den Tisch kommen nur mit Handleinen gefangene Flossenträger und grundsätzlich keine Riff-Fische. Wer möchte, geht selbst mit zum Fischmarkt und lernt dabei, welche Arten man überhaupt noch ohne schlechtes Gewissen essen darf. Besonders am Herzen liegen Owen die Grünen Meeresschildkröten. Während der Zeit der Eiablage stellt er ein Team ab, das die Reptilien vor tierischen und menschlichen Fressfeinden abschirmt und sie auf dem Weg zurück ins Meer begleitet.

2019, also vor der Pandemie, seien 70.000 US-Dollar in gemeinnützige Projekte geflossen. Die Gäste hätten mit ihrer Abgabe von fünf US-Dollar pro Nacht entscheidend dazu beigetragen. Jetzt hofft Owen, dass es mit dem Tourismus schnell wieder bergauf geht. Asilia ist einer der wenigen Lodge-Betreiber, der seine Camps seit dem Corona-Ausbruch, der in Tansania sehr moderat ausfiel, ständig geöffnet hat. Die Gäste schätzen die strengen Hygiene-Standards. In der Matemwe Lodge, die über den Jahreswechsel ausgebucht war, tragen sämtliche Mitarbeiter Masken, das Areal wird von einem Sicherheitsdienst überwacht, überall gibt es Flaschen mit Desinfektionsmittel, die Tische im Open-Air-Restaurant stehen weit auseinander. Sorgen bereiten Owen allerdings die vielen Russen, die jetzt direkt aus Moskau mit Chartermaschinen auf der Insel einschweben und oft wenig von Social Distancing halten. Die Süddeutsche Zeitung berichtete darüber mit der wenig schmeichelhaften Überschrift „Insel der Sorglosen“. Was auf jeden Fall stimmt: Sansibar ist die Insel der Sorgenlosen. Wer in der Matemwe Lodge seine Safari-Erlebnisse bei einem Glas Sauvignon Blanc aus Südafrika und frischem Fisch vom Grill Revue passieren lässt, vergisst in der Tat sehr schnell den Lockdown und die kollektive Depression zuhause. Hakuna matata heißt es hier auf Swahili: alles kein Problem!

Meeresschildkröte auf dem Weg zurück ins Meer. Foto: Asilia Africa
Meeresschildkröte auf dem Weg zurück ins Meer. Foto: Asilia Africa

Informationen:

Anreise: Mit Qatar Airways www.qatarairways.com via Doha nach Sansibar.

Schlafen & Erleben: Asilia Africa www.asiliaafrica.com besitzt mehrere erstklassige Safari-Lodges in Tansania. Ein Aufenthalt dort lässt sich gut mit einigen Anschluss-Nächten in der Matemwe Lodge kombinieren. Zur Zeit der großen Tierwanderung (Great Migration) sind besonders die Camps in der Serengeti interessant. Wer Neues entdecken will sowie Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, fliegt mit kleinen Maschinen in den Süden des Landes, wo Asilia im Julius-Nyerere-Nationalpark das Tented Camp Roho ya Selous und im Ruaha-Nationalpark die Lodges Jabali Ridge und Kwihala Camp betreibt.

Fotos: Asilia Africa

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