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„Verita è vita!“ – „Wahrheit ist Leben!“ (Teil 1)

Es liegt nahe dem Städtchen Castiglion Fibocchi, das Leonardo da Vinci berühmt machte, weil er einst den Ponte Buriano, jene Arno-Brücke am alten Verlauf der Via Cassia, der im 2. Jahrhundert v. Chr. angelegten Via Cassia Vetus, malte, die dann den Hintergrund für sein Gemälde der Mona Lisa bildete. Man findet sie gleich oberhalb der linken Schulter der Monna Lisa. Auch das Landgut liegt direkt an der Cassia Vetus, eiern der schönsten Straßen der Toskana, und noch dazu nur 12 km von Arezzo, der heimlichen Hauptstadt der Toskana entfernt!

„Verita è vita“ ist eine Hommage an einen der wichtigsten Begründer der modernen Architektur. Denn diesem Begriff prägte kein anderer als Frank Lloyd Wright (1867 – 1959), der Begründer der organischen Architektur. Nahe Chicago, der Wiege der modernen Architektur, steht im Dorf Oak Park, 951 Chicago Avenue, sein Wohnhaus mit Architekturatelier. Und im Haus, direkt an der offenen Kaminfeuerstelle, findet sich diese wegweisenden Zeilen: „Truth is life. Good friend, around these hearth-stones speak no evil word of any creature.” Wahrheit ist also Leben. Und, so die Mahnung an den „guter Freund“: Rede kein böses Wort rund um diese Herdsteine über auch nur ein Lebewesen.“

Nun, das etwa 36 Hektar große Landgut der Tenuta Canto alla Moraia befindet sich nicht im amerikanischen Mittelwesten, ist ein wie eine Zunge geformter, von zwei Bächen begrenzter uralter toskanischer Landsitz mit eher feuchten Böden. Und natürlich stehen hier auch nicht die von Frank Lloyd Wright erfundenen legendären „Prarie Houses“, Die am Ende einer herrlichen Zypressenallee auf einer Hügelkuppe angelegte alte Hauptvilla des Gutes geht samt perfekt restaurierter Nebengebäude noch auf die Zeiten der letzten toskanischen Großherzöge zurück. Und auch die weiter unterhalb angelegten Wirtschaftsgebäude sind in sehr toskanischem Landhausstil gehalten.

Tenuta Canto alla Moraia: Toskana pur. Foto: Ellen Spielmann
Tenuta Canto alla Moraia: Toskana pur. Foto: Ellen Spielmann

Aber da ist ja auch noch Greg, „Gregorino“ genannt, der frei herumlaufende, indes friedliche Haus- und Hofhund des Gutes. Und da sind „Zanzibar“, „Cesare“ und „Fortuna“, die drei Pferde der Tenuta. Mit ihnen kann man per Kutsche z. B. zwischen der Weinkellerei und der Hügelvilla hin und her kutschiert werden. Mit ihnen wird aber auch die Feldarbeit in den Weinbergen verrichtet. Denn auf der Tenuta setzt man konsequent auf Handarbeit – ganze zwei Maschinen werden im Weinbau eingesetzt. Es ist eben diese konsequente Umsetzung der von Frank Lloyd Wright geprägten „organischen Architektur“ in den Alltag des Landgutes und in die fast vollständig biologische Weinherstellung, die Canto alla Moraia ausmacht. Denn auch hier gelten die Prinzipen von Frank Lloyd Wrights organischer Architektur.

Zu Lebzeiten erhielt Wright nur wenige Auszeichnungen. Erst spät, im Juli 2019, wurden endlich acht seiner grandiosen Bauten ins UNESCO-Welterbe aufgenommen: Unity Temple in Oak Park im US-Bundesstaat Illinois, das Frederick C. Robie House in Chicago, Illinois, das Taliesin (Prariehaus) in Spring Green, Wisconsin, das Hollyhock House in East Hollywood, Los Angeles, Kalifornien, das Fallingwater in Mill Run, Pennsylvania, das Herbert and Katherine Jacobs First House in Madison, Wisconsin, das Taliesin West in Scottsdale, Arizona und schließlich das berühmte Solomon R. Guggenheim Museum in New York City. Viel früher aber hatte sich da schon Besitzer Rodolfo „Rudi“ Banci, der mit seiner Gattin Silvia sowie Tochter Sarah Banci die Tenuta Canto alla Moraia zu einem lebendigen Gesamtkunstwerk im Sinne von Lloyd Wright machte.

Und so ist die biologisch wie biodynamisch geführte Tenuta eine wirkliche Würdigung des großen US-amerikanischen Erneuerers der Architektur. Denn dessen Hauptprinzipien der organischen Architektur gelten hier auch für den organischen, ergo biologischen Weinbau: Basierend auf dem Grundsatz „Simplicity and repose“, Einfachheit und Ruhe, entwickeln sich viele Stile, die die Persönlichkeit eines Menschen, aber auch eines Weins, zum Ausdruck bringen.

Weinbau: basierend auf dem Grundsatz Simplicity and repose. Foto: Ellen Spielmann
Weinbau: basierend auf dem Grundsatz Simplicity and repose. Foto: Ellen Spielmann

Immer aber zählen die enge Verbindung zur Natur, zu Topographie und Terroir des Landes, das Spektrum der harmonischen Farben in der Natur, die Wahl der Materialien, Werk und Baustoffe sowie natürlich auch Spirituelle Integrität, die alles liebenswürdig, den Menschen Freude bereiten und im Fall der Tenuta Canto alla Moraia natürlich auch zu außergewöhnlich gutem Wein verhelfen soll. Dass dies alles geschieht, entdeckt man schon beim ersten Blick auf die farbenprächtige Flora des Landgutes, auf den uralten Baumbestand und auf die gepflegten Rasenflächen, auf denen mittlerweile einige Dutzend bemerkenswerte Kunstwerke von Valerio Toninelli beeindrucken. Denn der Künstler, ein langer Freund des Hauses und Autodidakt, weil ursprünglich Leiter eines Mercedes-Autohauses in Prato, aber auch seit 1975 mit Ausstellungen im nationalen und internationalen Galeriebereich präsent, schafft mit seinen auch in Carrara-Marmor geschaffenen Skulpturen den kongenialen Beitrag zum Landgutkonzept – und steht zurecht für „Art“ im Namen des Landgutes.

Da ist z. B. seine über Jahrzehnte und nie ohne Witz und Hintergedanken geschaffene Großskulptur zu Alexander dem Großen nahe der Cantina. Oder da ist auch die Skulptur zu Attila, dem Hunnenkönig, an der prächtig hergerichteten Landvilla. Hier zeigte sich auch kein Geringerer als Francis Nemtin, Assistent von Frank Lloyd Wright beim Besuch begeistert. Canto alla Moraia empfand er wegen der angenehmen Luft und des lieblichen Lichts als herrlich zum Relaxen und Erfrischen, bewunderte die visuellen Schönheiten der Landschaft, in die die Steingebäude harmonisch integriert sind. Er schätze die farbenfrohe Baumblüte im Frühling ebenso wie die mit großem handwerklichem Können bis in architektonische Details geschaffenen wohlproportionierten Häuser.

Künstler Valerio Toninelli mit einem Teil seines Kunstwerks Attila. Foto: Ellen Spielmann
Künstler Valerio Toninelli mit einem Teil seines Kunstwerks Attila. Foto: Ellen Spielmann

Kein Wunder daher, dass er sich in Zeiten von Dante, Michelangelo oder Leonardo da Vinci zurückversetzt fühlte und die überbordende Freundlichkeit, Ruhe und zufriedener Gelassenheit überall auf dem Gut zu Recht würdigte. Die Gutsvilla in ihrer heutigen Form entstand übrigens erst 1931 dank des Markgrafen (Marchese) Ceparello Pasquali. Doch schon lange zuvor war hier erst ein militärischer Stützpunkt, dann ein der Landwirtschaft gewidmetes Gutshaus, das in den 1950er Jahren in den Besitz der Vätergeneration der Banci überging…


Informationen:

Übernachten/Wein:

Art & Wine Bio Resort Tenuta Canto alla Moraia, www.tenutacantoallamoraia.com 

Tourismusinformation (Ufficio turistico) Arezzo, www.discoverarezzo.com

Toscana Promozione Turistica, www.visittuscany.com

Fotos: Ellen Spielmann

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