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Unglaublich! Und unglaublich gut!

Unglaublich! Da hat man nun grandiose Weinberge in allerbester Lage, noch dazu im Herzen des Chianti Classico, in Gaiole in Chianti! Denn hier, in der bis auf 800 m ansteigenden Hügellandschaft, ist der Weinbau dank der charakteristischen Alberese-Böden aus lehmigem Kalkstein geradezu optimal! Doch einen „normalen“, sozusagen regulären Chianti Classico mit allen Finessen will man auf dem kleinen, aber feinen Weingut Bertinga partout nicht produzieren! Und noch unglaublicher: Die 2020 erstmals vorgestellten Resultate des Premierenjahrgangs, der ersten Abfüllung aus dem Jahr 2016, erlauben schon jetzt die Bewertung, dass hier der langen, schier unendlichen Erfolgsgeschichte des toskanischen Weinbaus ein neues, hochgradig exzellentes Kapitel hinzugefügt wurde. Dabei lässt sich das Geheimnis des Weingutes Bertinga auf den ersten Blick nahezu kinderleicht an einer Hand abzählen: Ein Grundstück, zwei Rebsorten, drei Weinberge und vier Weine! Und dann ist da aber auch noch ein fünfter Punkt, der den Daumen zum „Supergut-Zeichen“ in die Höhe schnellen lässt: der Bertinga-Stil!

Die Basis für dieses geradezu umwerfende Erfolgsrezept legten erst einmal zwei langjährige Freunde aus Russland, die in der Toskana allerdings schon lange keine Unbekannten mehr sind. Die visionären Gründer des Weinguts Bertinga heißen Maxim Kashirin und Anatoy Korneev, seit je Weinkenner aus Passion und mit ihrem Unternehmen Simple schon seit den 1990er Jahren mit dem Import von toskanischen, italienischen und internationalen hochkarätigen Weinen nach Russland befasst. Ihre Leidenschaft für die Toskana beruht auf einer profunden Kenntnis der Weinzonen und Weine. Diese macht sich geradezu zu Botschaftern der Toskana. Und so lag der Schritt nicht fern, auch selbst ein kleines Weinjuwel zu schaffen. 2015 war es soweit. Die Akquisition der Weinberge fand statt, vorzugsweise Parzellen des renommierten Weingutes Castello di Ama. Der Diamant heißt nun Bertinga, und dies neue Weingut umfasst gerade 17 Hektar Land, davon 9 Hektar Rebfläche (17 bis 25 Jahre alt)! Weitere Flächen werden gerade bepflanzt, dazu wird der gesamte Betrieb auf „bio-zertifiziert“ umgestellt.

Weinberg von Bertinga. Foto: Bertinga
Weinberg von Bertinga. Foto: Bertinga

Schon die Namen der drei Standorte, die Weinberge Bertinga, Vertine und Adine, klingen wie Musik: Bertinga, Namensgeber des Weingutes, geht auf langobardische Wurzeln, eventuell auf einen „Berto“ und das 6. Jh. n. Chr. zurück. So würde „Bertinga“, abgeleitet von „Le Bertinghe“, etwa „Land bzw. Besitz des Bert(o)“ bedeuten. Und Vertine und Adine haben sogar etruskische Wurzeln. Alle drei sind Traditionsweinberge, werden schon seit dem Mittelalter im Weinbau bewirtschaftet. Vom neuen Weinkeller, der derzeit ausgebaut und ab 2022 auch der Öffentlichkeit für Degustationen zugänglich sein wird, hat man einen prächtigen 270-Grad-Panoramablick bis zum Castello di Brolio, zum Castello di Tornano und weiter bis zur Skyline von Siena. Nur den parzellierten Weinberg Bertinga, die Hauptrebfläche, sieht man vom Keller aus eher nicht. Denn der steht über dem Weinberg Adine.

Zudem fallen beide unterhalb steil ab, wie auch der dritte! Steilstes, Schwerstarbeit verheißendes Gelände also, dass selbst die starken italienischen Landmaschinen und Traktoren kaum bewältigen können! Dass indes gerade diese Extremlagen zum Aushängeschild des Weingutes Bertinga wurden, ist vor allem der Crew vor Ort zu verdanken. Da ist erst einmal Gutsdirektor Luca Vitiello, auch für Sales und Marketing zuständig. Und er erklärt die Philosophie des Hauses, den Bertinga-Stil: „Der Chianti Classico ist eine ganze Palette von exzellenten Produkten, aber unsere Weinberge verlangten nach einem anderen Interpretationsstil. Hoch, einsam im Wald und an steilen Hängen gelegen … unter diesen extremen geografischen Bedingungen war es fast natürlich, nach einem neuen Weg zu suchen.“ Das Ziel sind also hochspezielle, auf die jeweiligen Böden abgestimmte Terroir-Rotweine, vorzugsweise mit den Rebsorten Sangiovese und Merlot hergestellt.

Rund ums Jahr verwöhnen daher die technische Direktorin Elisa Ascani und der Agronom David Picci die Weinberge aufs Akribischste. Und dann sind da auch noch die exquisiten Berater des Gutes: der Winemaker Stéphane Derenoncourt, unterstützt von Romain Bocchio. „Unser Ziel ist das Gleichgewicht der Pflanzen. Und um dieses zu erreichen, agieren wir mit aller Umsicht“, erläutert Elisa Ascani. Und Daivd Pecci ergänzt: „Zudem sind alle Rebzeilen begrünt und alternierend mit Biosaatgemischen eingesät, wobei für jede Mikrozone ein passender Pflanzenmix ausgewählt wurde. Abhängig von den Bedürfnissen der Pflanzen und der Bodenzusammensetzung variieren die Anteile der Hülsenfrüchte (Stickstoffversorgung!) oder der Gräser, die mit ihren starken Wurzeln die Belüftung des Bodens fördern.“

Luca Vitiello. Foto: Bertinga
Luca Vitiello. Foto: Bertinga

Um auch Insekten und damit die Bestäubung zu protegieren, wird auch den Blüten viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der positive Nebeneffekt ist, dass die Rebreihen im Frühjahr je nach Parzelle lila, weiß oder rot leuchten, was den Weinbergen außerordentliche Schönheit verleiht. Und Berater und Top- Önologe Stéphane Derenoncourt präzisiert zu den Bertinga Weinen: „Sie sind Kinder des Chianti aufgrund ihrer DNA, nicht ihrer Appellation. Sie sind auch kein sklavisches Spiegelbild ihrer – wenn auch – edlen Rebsorten. Sie sind Terroir pur und daher spannend.“

Natürlich hat Bertinga mit der Erstedition des Jahrgangs 2016 auch eine Portion Glück gehabt. Denn das Weinjahr 2016 gilt in der Toskana allgemein als Jahrhundertjahrgang. Die Weine überzeugen vor allem mit Eleganz und auch Power. Aber schon der erste Wein, der „Bertinga IGT Toscana 2016“ der Signature-Wein des Gutes, überzeugt auf ganzer Linie! Dass er – wie alle Bertinga-Weine – ein IGT Toscana ist, liegt an seiner Zusammensetzung. 50 Prozent Sangiovese gesellen sich zu 50 % Merlot. Zwar kann die Zusammensetzung von Jahrgang zu Jahrgang variieren (drei weitere lagern schon ein!). Doch die paritätische Zusammensetzung ist angestrebt. Bei 14 % Alkoholgehalt überzeugt dieser satt rubinrote, kräftige und harmonische Wein mit ausgewogenen Tanninen und herrlichen Aromen (Kirsche, Pflaume, dunkle Beeren, Vanille, Tabak).

Gelesen werden die Trauben natürlich per Hand und landen in kleinen 10-kg-Kisten, ehe es zur Vinifizierung in den Weinkeller geht. Die beiden Rebsorten werden sodann getrennt vinifiziert, jede einzelne Parzelle wird sogar individuell dekliniert. Die Gärung erfolgt in Stahl und Beton. Dann erfolgt die jeweils 18-monatige Reifung in zwei Varianten: Der Sangiovese wird in Tonneaux aus österreichischer Eiche ausgebaut, der Merlot indes in Barriques aus französischer Eiche, wobei nur zehn Prozent neues Holz eingesetzt wird. Am Ende der Reifezeit wird beides zusammengeführt und der Wein reift weitere 18 Monate auf der Flasche. So vergehen über drei Jahre, ehe dieser Wein voller Energie zur Degustation gelangt. Welches Potential dieser Wein besitzt, zeigt sich auch an einem anderen Fakt. Vom 2016er Bertinga IGT Toscana wurden nur 14 518 Flaschen abgefüllt, hinzu kamen 325 Magnum- und 50 Jeroboam-Flaschen.

Auswahl der Trauben. Foto: Bertinga
Auswahl der Trauben. Foto: Bertinga

Doch wie bei allen anderen Bertinga-Weinen auch gelangt ein Sechstel der Produktion gar nicht erst in den Handel. Sie verbleiben im Weingut, dienen zum Aufbau einer Wein-„Library“ oder sollen später vor Ort bei Degustationen teils auch in den Verkauf gelangen. Zu diesem Wein, der bei der Weinkritik deutlich über 90 Punkte erzielte, passen perfekt – wir sind im Chianti Classico-Gebiet – Steinpilze, aber auch deftige Polenta- und Nudelgerichte.

Kaum weniger gut ist der eigentlich als Zweitwein konzipierte Bertinga Sassi Chiusi IGT Toscana 2016. Auch er ist nach der speziellen Lage der Rebstöcke benannt. Knapp 25 000 Flaschen wurden von diesem herzhaft frischen, wunderbaren Wein abgefüllt, zu dem auch z. B. ein Lammfilet perfekt passt. Die Trauben stammen von den Weinbergen Adine, Bertinga und Vertine. Und er besteht aus 85 % Sangiovese und 15 % Merlot! Bis zur Marktreife lagerte dieser Wein (14 % Alkoholgehalt) 12 Monate in Stahl und Zement und mindestens weitere 12 Monate auf der Flasche. Manchmal gelangt der Merlot auch einige Monate in Barriques. Insgesamt ähnelt dieser Wein am ehesten einem Chianti Classico, hat aber natürlich seine eigene Terroir-Note. Und das Schöne ist: Beide Weine sind für um die 20 Euro für die 0,75-l-Flasche zu haben. Bei der Qualität ein echtes Schnäppchen!

Ganz anders sieht dies natürlich bei den zwei reinsortigen und hochexklusiven Spitzenweinen von Bertinga aus: So wurden vom Bertinga Punta di Adine IGT Toscana 2016 nur 6318 0,75-l-Flaschen und eine Magnum dazu abgefüllt. Die Reben stammen ausschließlich von der Spitze (daher „punta“), somit den höchsten Lagen des Weinbergs Adine. Es handelt sich um die 2005 bepflanzte Parzelle 100. Nach de Handlese und der doppelten Nach der Selektion im Weinberg und am Kellereingang werden die Sangiovese-Trauben in Beton vinifiziert. Die Reifung erfolgt dann indes 18 Monate in 25 hl großen Fässern aus österreichischer Eiche. Im Sommer 2018 konnte er dann abgefüllt werden, um weiter 18 Monate auf der Flasche zu lagern. Heraus kam nun eine genaue, fast tiefgründige Interpretation eines reinen Sangiovese voller Eleganz, Komplexität und feinster Aromen.

Probe vom Zementtank. Foto: Bertinga
Probe vom Zementtank. Foto: Bertinga

Allerdings ist der Punta di Adine auch nicht ganz billig. Ab 60 Euro muss man für eine 0,75-l-Flasche rechnen. Natürlich zählt dieser Wein zu den besten in der Toskana, überspringt locker die 90-Punkte-Marke. Aber sein Pendant, der Volta di Bertinga IGT Toscana 2016, läuft ihm noch den Rang ab. Bis zu 97 Punkte erhielt dieser reinsortige Merlot von der internationalen Weinkritik. Der Gambero Rosso wählte ihn 2021 zu „Italiens Merlot des Jahres“. Welch ein Debüt für Bertinga, und welch eine Verneigung vor dem Bertinga-Stil! Bella Vita erhielten die Trauben in den höchsten Lagen des Weinbergs Bertinga. Es handelt sich um die Parzelle 10, die einzige mit Ausrichtung nach Norden sowie mit den Böden mit höchstem Tonanteil und niedrigen pH-Wert!

Und natürlich ist der Volta di Bertinga ein perfektes Ausrufezeichen für den angestrebten perfekten „Terroir“-Wein. Abgefüllt wurden 10 890 0,75-l-Flaschen, auch hier verblieb ein Sechstel im Weinkeller. Gourmets müssen mit 80 Euro und mehr für eine 0,75-l-Flasche rechnen. Aber es ist eben tatsächlich auch ein „Sieger-Wein“, ein „mentaler“ Meditationswein, der sich weit über die Grenzen der Toskana hinaus mit den besten Rotweinen weltweit misst. „Wir könnten ihn quasi als ‚Merlot aus Höhenlage‘ definieren“, erklärt Önologin Elisa Ascani. Dies ist eines der Geheimnisse dieses Terroir-Weins der Extraklasse (14 % Alkohol), der 18 Monate in Barriques aus französischer Eiche lagerte (nur 30 % neue Fässer). Dann musste er weitere 18 Monate bis zur Marktreife auf die Flasche.

Summa summarum: Welch ein grandioser Start für das Weingut Bertinga! Und da bereits drei neue Jahrgänge eingelagert sind und der 2021er bereits ruft, darf man auch in den nächsten Jahren auf weitere Wunderweine von Bertinga hoffen.


Information:

Soc. Agricola Bertinga S.r.l., www.bertinga.it

Fotos: Bertinga

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