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Travel Bydgoszcz (Bromberg): Die Stadt am Wasser (Teil 2)

1409 legte die Kreuzritter die Stadt in Schutt und Asche. Es folgten die Schwedenkriege, dann der Dritte Nordische Krieg (1700-1721) und die Stadt von ehemals 5000 Einwohnern sank auf 1000. 1772 wurde Bydgoszcz preußisch und blieb es fast ununterbrochen bis 1920. 1774 erfuhr die Stadt durch den Bau des Bydgoszcz-Kanals (27 km), der heute die Brahe mit dem Flusssystem der Weichsel verbindet, große wirtschaftliche Prosperität. Der Wasserturm mit Aussichtsplattform südlich des Altmarkts wurde nach dem Plan von Franz Marschall (1899/1900) errichtet, er erinnert an die preußischen Projekte Wilhelm II. Die wenigen historischen Gebäude, die die turbulenten Zeiten überlebten sowie die alte Stadtstruktur, Plätze und Straßen, erlauben, das alte Bromberg zu ergründen.

Seit dem Mittelalter war die Lange Straße (ul. Długa), die die west-östliche Axe zwischen zwei (der fünf) Stadttore bildete, eine der beiden wichtigen Straßen. Hier wohnten Händler, Adelsleute und Handwerker. Heute ist die Długa eine interessante Geschäftsstraße. In der Langen Str. 61 wartet das einzigartige moderne Kaffeehaus Parzymy Tutaj mit großartigen Kaffeekreationen auf. Der Norweger Audun Sørbotten eröffnete seine Kaffeerösterei in Bydgoszcz und wurde 2015 (damals noch in Göteborg) World Coffee Roasting Champion.
Ein Halt für einen Kaffee... Foto: Jürgen Sorges
Ein Halt für einen Kaffee... Foto: Jürgen Sorges
Der gelernte Biochemiker absolvierte seine vierjährige Ausbildung beim besten und ältesten norwegischen Kaffeeröster Solberg & Hansen, nach gewonnenen Preisen ging er 2014 nach Polen um sein eigenes Business zu wagen. Was zählt ist der Variantenreichtum des “Auden Coffees“, erlesene Bohnen aus ökologischem Anbau: Miaki (Brasilien), pulped natural, Kianjiru AA (Kenia),  Muhondo HONEY (Ruanda), Riripa (Äthiopien), Jose Vasquez (Peru), Julio Cesar Montenegro (Kolumbien). Der Hit im Sommer ist eine erfrischende Kaffeekreation aus Espresso mit Tonic Wasser.

Am anderen Ende der Straße lohnt der Besuch des „Seifenmuseums“ (Długa 13-17), denn hier wird nicht nur Seifenherstellung historisch erklärt, sondern in den Kontext der Geschichte der Sauberkeit und des Schmutzes gestellt. Besonders aufschlussreich und amüsant ist der eingespielte Werbefilm für das berühmten Waschpulver Persil, das in Bromberg produziert wurde. Persil eignete sich laut Werbespot auch zur Reinigung der Hühner- und Schweineställe und zum Trophäenbleichen, was anhand eines Hirschgeweihs demonstriert wird. In einem Workshop kann jeder Besucher eigenhändig duftende Seifen herstellen.

Auf der Długa fuhr einst die Straßenbahn, ein historischer Waggon dient heute als Touristeninfo. Im Bürgersteig der Straße eingelassen finden sich sehr dekorativ Bromberger Autogramme ausgewählter Persönlichkeiten der Stadt. Sie erzählen ein Stück alter und neuer Stadtgeschichte. An der Ecke Długa/Pod Blankami Straße, der zweiten wichtigen mittelalterlichen Straße Brombergs, steht die Ruine des fünften Wehrturms. Die aus gotischem Backstein in regelmäßigem „polnischen Faden“ gebaute Schutzmauer gibt Zeugnis vom alten polnischen Bydgoszcz.
Das Seifenmuseum. Foto: Jürgen Sorges
Das Seifenmuseum. Foto: Jürgen Sorges

Herzstück der Altstadt ist zweifellos der 1346 von König Kazimir III ausgewiesene Altmarkt (Stary Rynek). Er beeindruckt durch seine Größe von 100 x 125m. Frühklassizistische Häuser stammen aus der Zeit zwischen 1774 und 1798. Das zentral platzierte gotische Rathaus aus dem 16. Jh. (Baumeister Jan von Gdańk) wurde im 19. Jh. abgerissen. Heute dient das dahinter errichtete Barockgebäude (1644 und 1653), das Teil des Jesuitenkollegs war, als Rathaus. Im Zuge der Restaurierung des Altmarkts 2019 wurde der Verlauf des 18. Meridians quer über den Platz markiert.

Am Eck des Stary Rynek, der wie die angrenzenden Straßen Fußgängerzone ist, liegt das Tourismusbüro. Daneben lädt das Katarynka Restaurant & Bistro mit köstlichen polnischen Speisen, zum Nachtisch gibt es herrliche Rhabarbertarte, frisch aus dem Ofen und leckeres Eis aus eigener Herstellung, zum Verweilen ein. Gegenüber des Tourismusbüros in der ul. Batorego an der Ecke zum Alten Markt befindet sich das Restaurant Karramba, einst das Café am Platz, Treffpunkt der Literaten von Bydgoszcz.

Auf die Umwandlung des historischen Cafés in ein touristisches Restaurant durch die neuen Besitzer reagierten die Bydgoszczern mit Protest. Er blieb nicht ganz umsonst: Der historische Türgriff des Cafés ist weiter an seinem Platz. Er zeigt das Emblem eines kleinen Teufels, der eine Verbindung zu Bydgoszczs Faustfigur, Pan Twardowski herstellt. Der Legende nach verweilte der polnische Doktor Faust 1560 in der Stadt und verjüngte mit seinem Zauber den Bürgermeister.

Das gemütliche Restaurant Apteka Restauracja & Koktajlbar. Foto: Jürgen Sorges
Das gemütliche Restaurant Apteka Restauracja & Koktajlbar. Foto: Jürgen Sorges

Ganz besonderen Charme verbreitet das Restaurant Apteka Restauracja & Koktajlbar, es liegt in einer kleinen Straße nah am Altmarkt. Untergebracht in einer ehemaligen Apotheke spielen Interieur, Outfit der Bedienung, Gläser mit der Funktion und Historie des Ortes. „Dr. Dre“ nimmt die Bestellung auf, sie serviert im weißen Apothekerkittel samt Namensschild. Auf der Außenterrasse, wo Gäste in bequemen Sofas sitzen, mundet das kleine Bier vom Fass (serviert im schmucken Apothekermessglas) zu Aptekas Starter-Spezialität: Piroggen (Teigtäschchen) mit Gänsefleisch-Zuckermaisfüllung. Unter den vegetarischen Gerichten sehr zu empfehlen: Gebackene Auberginen mit Austernpilzen und Camembert.
„Na zdrowie!” „Smacznego”! Bon appetit!


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel

Kujawsko-Pomorska Organizacja Turystyczna, www.kujawsko-pomorskie.travel

Bydgoszcz Information Centre, www.visitbydgoszcz.pl/de


Restaurants:

www.restauracjaapteka.pl

www.katarynkabydgoszcz.pl/en/restaurant-about-the-restaurant

www.auduncoffee.com


Sightseeing:

www.visitbydgoszcz.pl/de/entdecken/sehen/2661-wyspa-de

www.mlynyrothera.pl

www.muzeummydla.pl

Fotos: Jürgen Sorges

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