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Bydgoszcz (Bromberg): Die Stadt am Wasser (Teil 1)

Bydgoszcz ist eine der beiden Hauptstädte der historischen Landschaft (Woiwodschaft) Kujawien-Pommern (polnisch: województwo kujawsko-pomorskie. Der Verwaltungsbezirk gilt neben Großpolen als die Keimzelle der Nation. Heute zählt die moderne – seit 2005 Universitätsstadt – im 12 Jh. gegründete Stadt fast 400.000 Einwohner. Deren Beziehung zur nur 45 km entfernten Nachbarstadt Toruń (Thorn), der anderen Hauptstadt Kujawien-Pommerns, ist von Konkurrenz und Hass-Liebe geprägt.

Über Bydgoszcz kursieren in Polen so einige recht derbe Witze, die alten Namen Budegac, Bydgoscia, Bydgost luden zu Sprachspielen ein. Heute aber weht ein anderer Wind: Bydgoszczs steht mit seiner jungen Bevölkerung für Offenheit und Gastlichkeit. Das historische Stadtwappen, das in der Mitte eine rote Mauer mit Zinnen und ein Tor mit zwei Flügeln zeigt, wird positiv umgedeutet: der rechte Torflügel steht offen. Und wirklich: Bydgoszczs strahlt eine weltoffene Atmosphäre aus, die historisch gewichtige Stadt lädt zum Schlendern, Relaxen und Genießen kultureller und kulinarischer Besonderheiten ein.

Mit der Wassertram

Die schönste Art Bydgoszczs zu erschließen ist die ca. 70-minütige Fahrt mit den modernen Wassertrams auf der Brda. Am Rybi Rynek (alten Fischmarkt), der zurzeit noch als Autoparkplatz fungiert, bald aber schon ein begrünter Platz für Fußgänger und Radler sein soll, befindet sich die Hauptanlagestelle der Slonecznik I und II. Die mit Sonnenenergie fahrenden kleinen Fähren (Platz für insgesamt 28 Personen, 8 davon im offenen Heck) zirkulieren von Mai bis September mehrmals täglich. Los geht’s, flussabwärts!

Wassertram auf der Brda. Foto: Jürgen Sorges
Wassertram auf der Brda. Foto: Jürgen Sorges

Links liegen die drei (von einstmals fünf) noch verbliebenen historischen (Korn-) Speicher von Ende des 18. Jh. Sie sind das vielleicht wichtigste Symbol Bydgoszczs und bilden das Stadt-Logo. In den Fachwerkgebäuden ist das Bezirksmuseum untergebracht, hier wird die Alltagsgeschichte erzählt und es gibt temporäre Ausstellungen.

Vor der Brda-Brücke schwingt über unseren Köpfen der „Seiltänzer“ (eine Skulptur von Jerzy Kedziora, die 2004 anlässlich des Beitritts Polen in die EU errichtet wurde). Die hohle Figur hält dank eines Gewichts im rechten Bein ihre Balance. Dann erblickt man am grünen linken Flussufer die alte spätgotische Pfarrkirche, die Bydgoszczser Kathedrale St. Martin und Niklas.

Das älteste Bauwerk entstand zwischen 1466 und 1502. Sehr ungewöhnlich doch wunderschön ist die in starken Farbtönen (vor allem dunkellila) gehaltene Ausmalung der Innenräume. Sie stammt aus den Jahren 1922-25 im Rahmen der Restaurierung und ist ein Werk von Henryk Jackowski. Blickfang bleibt aber das spätbarocke Madonnenbild mit Jesuskind des Hauptaltars, das kunsthistorisch und religiös höchsten Wert besitzt. Es zeigt die Muttergottes mit einer aufgeblühten Rose und heißt deshalb auch „Madonna mit der Rose“. Papst Johannes Paul II verlieh bei seinem Besuch 1999 der Kirche den Rang der Zweitkathedrale der Erzdiözese Gnesen und dem Madonnenbild die päpstliche Krone.

Am rechten Flussufer erstreckt sich die belebte Promenade an der Brda. Linkerhand sieht man die Mühleninsel. Die sechs ha große von Fluss und Flussarm Mühlengraben umspülte grüne Oase (mit altem Linden- und Kastanienbaumbestand) der Stadt ist der meistbesuchte Ort Bydgoszczs. Sie ist über Brücken erreichbar und hat neben Anlegestellen und Ausleihstation für Wassersport seit 2008 eine kleine Marina. Bereits 1408 funktionierte auf der Insel eine Kirchenmühle, eine Landratsmühle, ein städtisches Badehaus sowie ein Sägewerk. Einige Gebäude blieben bis heute erhalten.

„Europäisches Zentrum des Geldes“

Unter den historischen Wassermühlen ist die Rothermühle (zwei 1848-49 errichtete fünfstöckige Flügel aus Fachwerk und Backstein) die größte. Sie wurde wie ehemalige königliche Lager- bzw. Speicherhäuser in den letzten Jahren, teils mit EU-Geldern, aufwendig restauriert. Heute beherbergen die historischen Gebäude regionale Museen, der „Weiße Speicher“ (archäologische Sammlungen), der „Rote Speicher“ die „Galerie der Modernen Kunst“ und moderne Gastronomie.

Mit der Wassertram vorbei an historischen Gebäuden... Foto: Jürgen Sorges
Mit der Wassertram vorbei an historischen Gebäuden... Foto: Jürgen Sorges

Im „Europäischen Zentrum des Geldes“ (Bezirksmuseum) ist die Ausstellung des Bydgoszczer Schatzes untergebracht: 500 Goldmünzen und 200 Artefakte aus dem 16. und 17. Jh. Sie wurden 2018 in der Kathedrale bei Ausgrabungen gefunden.  Hier war einst der Sitz der Bydgoszczer Münze (1594-1688). 1594 erhielt Stanisław Cikowski das königliche Privileg Münzen zu schlagen. Das Know How brachten deutsche Fachleuten aus Poznan und so prägte die neue Münzstätte Bydgoszcz Taler, Silbermünzen etc. 1621 wurde eine der größten (7 cm Durchmesser) und wertvollsten Münzen geprägt, sie erbrachte 2018 bei einer Auktion in New York mehr als 2 Millionen US$.

Gegenüber der Mühleninsel am rechten Ufer der Brda steht die imposante Opera Nova. Der Bau des Opernhauses (1974-2006) dauerte 32 Jahre, entstanden ist eines der modernsten Musiktheater Polens. Neben Opern und Operetten kommen Ballette und Musicals zur Aufführung und jährlich findet das große und einzige polnische Opernfestival (April-Mai) statt.

Die Wassertram passiert die große Brücke der Marszalka Ferdynanda Focha Strasse und schippert in modernere Teile Bydgoszcz, linkerhand ist der Universitätscampus für Ökonomie angesiedelt. Ruderboote und Kanus tummeln sich auf dem Fluss. 10 Minuten dauert es in der Schleusenkammer (57,4 m lang, 9,6 m breit) bis es weiter geht, grüne urbane Bereiche säumen das Ufer. Bald schon kehrt die Wassertram um, fährt flussaufwärts Richtung Rybi Rynek…


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel

Kujawsko-Pomorska Organizacja Turystyczna, www.kujawsko-pomorskie.travel

Bydgoszcz Information Centre, www.visitbydgoszcz.pl/de


Restaurants:

www.restauracjaapteka.pl

www.katarynkabydgoszcz.pl/en/restaurant-about-the-restaurant

www.auduncoffee.com


Sightseeing:

www.visitbydgoszcz.pl/de/entdecken/sehen/2661-wyspa-de

www.mlynyrothera.pl

www.muzeummydla.pl

Fotos: Jürgen Sorges

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