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Tête de Moine: Geschnitten? Nein, geschabt!

Nur sieben Käsereien im Jura dürfen das Käserund überhaupt herstellen, das es – einem cleveren Marketing sei Dank – weit über die Grenzen der Alpenrepublik hinaus zur Berühmtheit geschafft hat. In 40 Länder werden die Laibe mittlerweile exportiert, darunter nach Deutschland, Frankreich, in die Benelux-Staaten, die USA und nach China. Echt ist der Käse nur, wenn er das Siegel der geschützten Herkunftsbezeichnung „Tête de Moine AOP“ auf seinem Etikett trägt. Er ist ein typisches Naturprodukt dieses Fleckchens Erde.

800 Jahre Tradition


Denn dieser Halbhartkäse besteht aus nichts anderem als Milch, Salz, Lab und natürlichen Milchsäurebakterien. Chemische Zusätze sind tabu. Der Tête de Moine in seiner Zylinderform hat eine jahrhundertelange Tradition. Es ist nämlich über 800 Jahre her, als die Mönche aus dem zauberhaft gelegenen Kloster in Bellelay im Berner Jura nahe der französischen Grenze Ende des 12. Jahrhunderts begannen, den Tête de Moine herzustellen. Noch heute prangt der Zusatz „Fromage de Bellelay“ auf dem „Mönchskopf“.

Woher der Name genau stammt, ist nicht 100%ig belegt. Die einen sind überzeugt, dass die Mönche eben jenes Prämonstratenordens den Käse als Zahlungsmittel nutzten und ihn so über die Abteimauern hinaus bekannt machten. Für sich selbst lagerten sie pro (Mönchs-)Kopf nur eine bestimmte Anzahl in den heiligen Hallen des Abbaye de Bellelay ein. Nach einer anderen Version waren es französische Soldaten, die das Schaben des Käses mit dem Scheren der Mönchshaare verglichen. Geschnitten wurde diese würzige, cremige, aromatische Delikatesse nie. Wer den laktosefreien und Omega-3-reichen Tête de Moine so richtig genießen möchte, schabt feinste Schichten von ihm ab…

Eine Delikatesse, abgeschabt in feinen Schichten. Chemische Zusätze sind tabu. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Eine Delikatesse, abgeschabt in feinen Schichten. Chemische Zusätze sind tabu. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Niemand weiß das besser, als junge Männer wie Cédric Spielhofer und seinem Bruder Florian. Die beiden sind die Chefs von Fromages Spielhofer in Saint-Imier und gehören zu den auserwählten sieben Produzenten im Jura, die diesen Käse überhaupt herstellen dürfen. Offenherzig führt Cédric Spielhofer durch die Produktions- und Lagerhallen seines Bio-Betriebs. Wer mit von der Partie sein möchte, wird in lange, weiße Plastikkittel gesteckt, die bis zum Hals zuzuknöpfen sind. Die Schuhe bekommen einen Kunststoff-Überzug. Und die Haare verschwinden unter einer Kopfbedeckung, die mit ihrem straffen Gummizug einer Duschhaube nicht unähnlich ist. So viel Hygiene muss sein.

Hightech trifft Tradition Roboter im Käsekeller


Rund 80 Angestellte hat Spielhofer. Pro Tag – und sie produzieren jeden Tag, von Montag bis Sonntag – verarbeiten sie zirka 40.000 Liter Rohmilch. Die unbehandelte Milch, eine empfindliche Ware, muss einfach rasch verarbeitet werden. „Wir benötigen etwa zehn Liter Milch für ein Kilo Mönchskäse“, erzählt Cédric Spielhofer. 20-25 Käsesorten stellt sein Betrieb her. „An manchen Tagen sind es allein 2.500 Tête de Moine, pro Jahr kommen wir dann auf ca 1,7 Millionen Exemplare.“ Das nennt man effektiv – und modern.

Denn bei den Spielhofers hat die Zukunft längst Einzug gehalten. Fasziniert beobachten wir im Käsekeller, wie Roboter die Laiber regelmäßig vollautomatisch mit Wasser und Salz bürsten. Schließlich muss diese Köstlichkeit unter kontrollierten Bedingungen fein säuberlich auf Fichtenbrettern aufgereiht in den Regalen reifen, damit sich ihre Aromen so richtig entfalten können: bei 90% Luftfeuchtigkeit und 13 Grad Celsius.

Cédric Spielhofer präsentiert die Produkte des Unternehmens. Pro Tag verarbeitet das Unternehmen Spielhofer zirka 40.000 Liter Rohmilch. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Cédric Spielhofer präsentiert die Produkte des Unternehmens. Pro Tag verarbeitet das Unternehmen Spielhofer zirka 40.000 Liter Rohmilch. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Der Käse kommt in unterschiedlichen Reifegraden auf den Markt. Nach mindestens 75 Tagen ist er als Tête de Moine zu kaufen, nach mindestens 4 Monaten dann in goldener Verpackung als Tête de Moine Réserve. Und wenn die Mönchsköpfe nach minimum sechs Monaten Lagerung zu Hochgeschmack auflaufen, nennen sie sich Tête de Moine Extra. Man erkennt ihn an seiner feinen, geschmeidigen Textur und seinem schwarzen Outfit. Wie behält man da den Überblick? Cédric Spielhofer lächelt. „Hier ist alles computer-gesteuert“, sagt er.

Holsteiner Kühe bei den Eidgenossen

Die Milch bekommt er von 60 ausgewählten Bio-Bauern aus den Kantonen Jura und Bern. Insgesamt liefern rund 250 Öko-Landwirte den Rohstoff für die Tête de Moines. Für die Landwirte gelten strenge Vorgaben. Denn die Holsteiner Kühe dürfen in der Hauptsache nur würzige Gräser und duftiges Heu fressen, Silofutter ist tabu.

Und da auf den saftigen Wiesen nicht nur Gräser, sondern auch reichlich aromatische Kräuter wachsen, erhält der Käse seinen unverwechselbaren Geschmack. Auf einem Quadratmeter Bergwiesen gedeihen übrigens bis zu 80 verschiedene Pflanzen, darunter Spitzwegerich, Johanniskraut, Klee, Löwenzahn…  Sie liefern dem Milchvieh Energie und Proteine. Für die durchschnittlich rund 25 Liter Milch pro Tag, die die Kühe der Bio-Bauern im Jura geben, müssen sie etwa 100 Kilo Gras fressen und 85 Liter Wasser trinken.

Tête de Moine: Die Milch für den Käse kommt von 60 ausgewählten Bio-Bauern. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Tête de Moine: Die Milch für den Käse kommt von 60 ausgewählten Bio-Bauern. Foto: Kirsten Lehmkuhl

Alles wird verwertet

Bei der Produktion des Käses bleibt Molke übrig. Diese kleine Milch (le petit lait), wie die französischsprachigen Schweizer sagen, geht in die Lebensmittel- und Pharmaindustrie. So besteht zum Beispiel Rivella, die bekannte, erfrischende Schweizer Limonade, zu 35 Prozent aus Molke. Zum Teil findet die kleine Milch aber auch in der Fitnessbranche für den Muskelaufbau ihren Absatz. Zu ca. zehn Prozent geht sie in die Kälber- und Schweinemast.

Picknick mit Käse-Fondue

Hochmodern geht es auch in der Käserei Fromagerie des Franches-Montagnes in Le Noirmont mit ihrer über 100-jährigen Tradition zu. Durch riesengroße Schaufenster verfolgen Besucher die Herstellung. „Wir produzieren rund 1.500 Tête de Moine pro Tag“, berichtet Philipp Bircher. Der frühere Käse-Sommelier und einer der besten Käse-Experten der Schweiz ist ganz stolz auf den berühmten Käse aus dem „weißen Gold“, wie er fast liebevoll das Ausgangsprodukt nennt.

Auch in Sachen Merchandising ist die Käserei ganz originell. So bietet sie Picknick-Rucksäcke an, in denen ein komplettes Käsefondue-Set steckt, inklusive Stövchen zum Erwärmen der Käsemasse. Wanderer oder Radler können es sich mieten. Wer in dem schicken Laden der Käserei Brot und natürlich auch den Käse kauft, bekommt es sogar kostenlos ausgeliehen. In den Regalen dort findet sich sogar Popcorn auf Tête de Moine-Basis als Einstimmung auf das Open-Air-Mahl und natürlich auch ein Fläschchen Wein … Und dann heißt es nur noch: An den Tischen vor der Fromagerie Platz nehmen oder sich einen anderen idyllischen Platz suchen. Davon gibt es einfach unsagbar viele im Schweizer Jura, diesem schönen Mittelgebirge mit Höhen zwischen 700 und 1.300 Metern. Zum Beispiel am schwarzen See, dem märchenhaft verwunschenen Étang de la Gruère, einem Gewässer in einem geschützten Moorgebiet. Wasserhyazinthen, Orchideen und Seerosen zeigen dort ihre Blüten, Bäume und Unterholz bilden zauberhafte Formationen. Dazu Vogelgesang und Grillengezirp. 

Philipp Bircher von der Käserei Fromagerie des Franches-Montagnes in Le Noirmont. Foto: Kirsten Lehmkuhl
Philipp Bircher von der Käserei Fromagerie des Franches-Montagnes in Le Noirmont. Foto: Kirsten Lehmkuhl

So schön vielfältig

Traditionell tischten die Eidgenossen den Tête de Moine nur zu besonderen Feiertagen auf: nämlich Ostern und Weihnachten. „Dann schabte in einer feierlichen Zeremonie der Herr des Hauses mit einem großen, sehr scharfen Messer feine Rollen von dem Käse ab“, erzählt Philipp Bircher. Für Furore und einen riesigen Verkaufsschub sorgte 1981 die Erfindung der Girolle – dem etwas anderen Käsehobel für die hauchzarten Rosetten. Nicolas Crévoisier war der geniale Erfinder dieses heute so typischen Schneidegerätes. Nur beim Schaben bloß nicht zu stark drücken! Das ist die ganze Kunst.

Je frischer geschabt, desto größer ist das Geschmacksvergnügen. Und durch die große Oberfläche der Blumenform können sich die Aromen des Käses bestens entwickeln … Übrigens gibt es ganze Rezepthefte mit Ideen, wie vielfältig man die Röschen verwenden kann. Sie reichen von Salat-Deko über Blumenkohl-Taboulé, Forellenfilets und Lammkarree bis hin zu Kalbsrouladen mit, Spargel, Salbeibutter und eben Tête de Moine.

Lust, sich diesen besonderen Käse in seiner ganzen Vielfalt auf der Zunge zergehen zu lassen? Stets am letzten Wochenende im April steigt die große Fête de Tête de Moine. Wo? An seinem Ursprungsort: dem Kloster von Bellelay.

Informationen:

Tête-de-Moine-Käsereien:
www.fromagesspielhofer.ch

Fromagerie des Franches-Montagnes:
www.fdfm.ch

Hôtel Auberge de l’Ours Bellelay:
www.adb4u.ch

Hotel in Le Noirmont:
www.lesoleilaunoirmont.ch

Fotos: Kirsten Lehmkuhl

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