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Spektakel am Monte Amiata: das Olivendorf Seggiano (Teil 2)

Das Charlotte Horton für sich entdeckte und zu ihrem Lebensmittelpunkt erkor. Diese uralte, erstmals 1042 n. Chr. samt einem Grafen (Conte) „Pepone“ (oder Pietrone?) erwähnte Burg erhebt sich etwa 1,5 km südwestlich Seggiano über dem Fluss Vivo erwarb sie mit Alexander Greene im Jahr 2000! Damals kein leichtes Unterfangen, denn die Burg war nahezu eine Ruine, dazu ohne Wasser und Strom. Und insgesamt 22 Parzellenbesitzer des Grund und Bodens rings ums Kastell mussten vertraglich unter einen Hut gebracht werden. Denn 1906 hatten die Nachfahren der Adelsfamilie Bourbon del Monte, der letzten großen Adelsfamilie in einer langen Reihe vorheriger nobler Eigner, das Anwesen an den Schweizer Unternehmer Antonio (Anton) Hemmeler veräußert. Ende der 1920er Jahre entscheiden sich die Hemmeler, das Gut zu veräußern.

Allerdings wollten sie nur solche Käufer, die das Land auch bewirtschafteten. Und so kam es zur Parzellierung, ehe im Jahr 2000 die Mitglieder der Familie Greene übernahmen. Greene? Ja, natürlich haben Charlotte Horton Alexander Green etwas mit dem berühmten Schriftsteller zu tun. Und tatsächlich hieß der 2016 verstorbene Vater von Alexander Graham Greene. Aber der berühmte Schriftsteller war dessen Onkel. Und nicht genug damit: Alexanders Großmutter, Helga Guinness, war mit einem weiteren Meister des Kriminalromans, mit Raymond Chandler verheiratet. Dessen berühmter Detektiv Philip Marlowe auch von Humphrey Bogart kongenial dargestellt wurde. Beginnend mit Helga, sind die Greenes schon seit den 1970er Jahren in der Toskana aktiv. 1989 kauften sie das Castello di Montepó nahe Scansano in der Maremma und restauriert es.

Heute ist es im Besitz der Weindynastie Biondi Santi. Und dann kam eben die neue Herausforderung mit dem Castello di Potentino. Als erstes renovierte man den Weinkeller und konnten so schon ab dem Jahr 2000 mit Weinernten beginnen. Um den Wein kümmert sich seither Charlotte Horton, die ebenfalls höchstpersönlich die Wein-Degustation durchführt und ihre oft prämierten Spitzenweine präsentiert. Überhaupt ist sie der gute Geist des Hauses, hat aus dem baufälligen Burganwesen ein florierendes Bio-Landgut entwickelt, das heute auch für viele kulturelle Veranstaltungen und Events dient. Das Burginnere, irgendwann im Renaissancestil umgebaut, wurde zudem zu einem luxuriösen B&B umgestaltet.

Gemälde des Castello di Potentino. Foto: Ellen Spielmann
Gemälde des Castello di Potentino. Foto: Ellen Spielmann

In der ersten Etage findet man nicht nur die herrliche historische Küche, sondern auch sieben Zimmer und eine Suite, in denen man wundervolle Baldachinbetten und den Stil der guten alten Zeit vorfindet. Eine wirkliche Schatztruhe, wie auch das neugestaltete Treppenhaus samt Foots der berühmten Romanciers sowie dem geräumigen Salon. Charlotte bietet auch Kochkurse an. Allerdings wird man bei ihr kaum die Zubereitung einer Scottiglia di Pescina erleben. Denn hier ist es nicht nur Bio, sondern auch vegetarisch zu – allerdings nie dogmatisch. Dafür sorgen allein schon die Hunde Minerva, Otto und Circe sowie die schon in fünfter Generation aktiven Katzen, die Namen von römischen Kaisern, Heldinnen der griechischen Tragödie und von Sternkonstellationen tragen. Hilfreich sind in jedem Jahr zahlreiche Volontäre, die hier bei ihr erlernen können, wie man nachhaltig biologisch wirtschaftet.

Wie köstlich diese Gerichte sind, erleben wir selbst open air am Mittagstisch in der Loggia vor der uralten Kapelle, die heiligen Antonius von Padua geweiht ist. Sie ziert sogar ein Zeichen der Tempelritter, die hier auch mal, wie auch die Bischöfe von Chiusi und Siena und die Äbte der Klöster von San Salvatore am Amiata und Sant` Antimo residierten. Sogar Italiens Nationalheilige und Schutzpatronin Europas, die heilige Katharina von Siena, war mal hier zu Gast. Aber zurück zum Essen: Darf es etwa eine Minestrone mit toskanischem Schwarzkohl und Pilzen sein? Oder auch ein Dinkelgericht mit Wildpilzen mit Jerusalem-Artischocken? In jedem Fall darf man sich zum Frühstück auch auf Brot, Marmelade, Obst und Joghurt freuen und die hauseigenen Erzeugnisse, auch Olivenöl, verkosten.

Zuallererst geht es aber natürlich um den grandiosen Biowein. Dass Charlotte Horton hier, nur 30 km von Brunello-Gebiet Montalcino entfernt, wahre Weinschätze produziert, zeigt sich schon an ihrer stark auch an lokalen Traditionen orientierten Weinherstellung. Dabei setzt sie natürlich auch auf das Terroir am Monte Amiata. Und hat so ihren vor 20 Jahren ersten kreierten Wein zu Ehren des erloschenen Vulkans „Sacromonte“, heiliger Berg, getauft. Aber dazu später. Erst einmal Die Erde, das Mikr5oklima und die Wahl der Rebsorten Pinot Noir, Sangiovese und Alicante (Grenache) bestimmten fortan ihr önologisches wirken. Denn zwar liegt ihre Burg nun im Bereich der Weinregion Montecucco DOC, aber ihre auf 10 Hektar in 350 m Höhe biologisch gedeihenden Weine sind auch aufgrund der Rebsorten sämtlich als IGT ausgewiesen.

Den Anfang der Degustation macht der Castello di Potentino Jaspidem Rosato di Sangiovese 2019, der ab Kastell für 16 € offeriert wird. Charlotte hat viele ihrer Weine nach lateinischen Bezeichnungen von Halbedelsteinen benannt. Im Fall diese Rosé (Rosato) aus Sangiovese-Trauben ist es passenderweise der Quarzstein Jaspis. Die schillernden changierenden Farben dieses mit 14,5 % Alkoholgehalt aufwartenden, sehr leckeren Rosato, vom breiten Grün bis hin zum satten Rot und sandigen Pink, sind so perfekt getroffen. Der Wein aus reinem Sangiovese entsteht über fünf Monate im 20 hl-Stahltank, eher noch einige Zeit in der Flasche ruhen muss. 2333 Flaschen wurden abgefüllt. Er passt perfekt zu Käse und Huhn.

Im Tasting: Potentiono 2016 Sangiovese. Foto: Ellen Spielmann
Im Tasting: Potentiono 2016 Sangiovese. Foto: Ellen Spielmann

Der folgende Castello di Potentino Piropo Pinot Noir 2015 ist dann schon ein richtiges Kaliber voller Exzellenz, der jederzeit seinen stolzen Preis (30 € für die 0,75-l-Flasche) wert ist. Von mir erhielt er die höchste Bewertung. 4394 Flaschen wurden hergestellt. Und natürlich ist der nach dem Pyrop, einem Edelstein aus der Granatgruppe benannte Wein (14,5 %) ein herrlicher Wein, der 18 Tage im 50 hl-Fass aus französischer Eiche fermentiert und für 24 Monate in 17 bis 20-hl-Fässern aus französischer Eiche zur Reife gebracht wurde. Dann muss er zudem noch neuen Monate auf die Flasche, ehe die Marktreife erreicht ist. Das Ergebnis ist eben ein sensationell guter „bel piropo“, wie sich der Arzt, Wissenschaftler und Weinliebhaber Francesco Redi schon im 17. Jahrhundert über guten Wein meinte. Damals wurde allerdings noch der Rubin als „piropo“ geführt.

Und schließlich steht „piropo“ auch für „Kompliment, Schmeichelei“, was bei diesem Wein durchaus zutrifft. Dritter Kandidat ist der Potentino Balaxus Rosso di Alicante 2014, dessen Alicante- bzw. Grenache-Trauben in 380 m Höhe wuchsen. Der IGT mit 13,5 % Alkoholgehalt (20 € die Flasche) durfte ebenfalls 24 Monate in 20-hl-Eichenfässer aus Frankreich und dann weitere neun Monate auf die Flasche. 5605 Flaschen wurden abgefüllt. „Balaxus“ ist ein orientaler Name für den tiefroten Rubin. Perfekt! Mit dem Castello di Potentino Sacromontino 2019 IGT (10 €) folgt dann ein junger, reiner Sangiovese, der 6 Monate im 50-hl-Stahltank ruhte, eher er einen weiteren Monat in der Flasche reifte. Er ist mit einem Kronkorken verschlossen und bringt stolze 14,5 % Alkoholgehalt mit sich. Dennoch ist er sehr fruchtig und ist sehr süffig! Insgesamt ist er natürlich nur der kleine Bruder des folgenden Castello di Potentino Sacromonte Sangiovese 2016, der satte 24 Monate im französischen Eichenfass (50 hl) lagerte und weitere neun Monate auf der Flasche ruhte (14,5 %) – ein Topwein.

Schließlich schenkt, wenn man etwas Glück hat, Charlotte Horton auch noch die Hausspezialität, den Castello di Potentino „Winemaker`s Release“ ein, in unserem Fall den Jahrgang 2010 dieses reinen Sangiovese. Auch er reifte zwei Jahre im Eichenfass und ist natürlich nach 10 Jahren Lagerung (30 € die 0,75-l-Flasche) ein besonders großartiges Ereignis. Natürlich produziert das Castello di Potentino auch Gin, Grappa oder Olivenöl. Und man darf auf jeden Fall noch viele erstaunliche Weine von diesem Gut erwarten.


Informationen:

Associazione Pro Loco Seggiano, www.thatsamiata.com/risorse/pro-loco-seggiano/ 

Informazioni turistiche Grosseto, https://quimaremmatoscana.it/

Toscana Promozione Turistica, www.visittuscany.com 

Lokale Produzenten am Monte Amiata: www.stradelvinoedeisaporidamiata.it 

Fotos: Ellen Spielmann

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