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Spektakel am Monte Amiata: das Olivendorf Seggiano (Teil 1)

Da ist erst einmal die lange kulturelle, mindestens bis ins 10. Jahrhundert zurückdatierende Dorfgeschichte mit vielen bedeutenden architektonischen Hinterlassenschaften. Und da sind die jährlich 2204 Sonnenstunden, die Seggiano ein außerordentlich angenehmes Mikroklima bescheren. Kein Wunder daher auch, dass sich Seggiano auch als touristischer Ort am Fuß des Monte Amiata empfiehlt: Wanderungen, Mountain Bike-Touren und Skifahren sind angesagte Aktivitäten. Aber vor allem besticht Seggiano durch seine kulinarischen Genüsse. Denn die von Wildbächen durchzogenen Ländereien und Höfe rings um das herrliche, von der uralten, ab dem 10. Jahrhundert errichteten Stadtmauer eingefasste mittelalterlich geprägte historische Zentrum von Seggiano liefern z. B. eine einzigartige Olivensorte.

Es ist das als DOP-Produkt streng geschützte, weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannte Olio di „olivastra Seggianese”, das besondere, als „Monocultivar“ angebotene Olivenöl aus Seggiano. Mindestens 85 % Anteil müssen die Oliven aus Seggiano in so einem Olivenöl haben. Im Angebot haben dies für die mediterrane Diät nahezu unverzichtbare Olivenöl eine Reihe von Produzenten ringsum und auch z. B. die Azienda Olearia Santella aus Castel del Piano, deren Oliven ebenfalls an der berühmten Conca d`Oro, dem Valle degli Ulivi, dem Olivental zwischen Montegiovi und Seggiano gedeihen ( www.oleariasantella.com ). Dies ist aber nur eine wenn auch wichtige Basis für den Reichtum von Seggiano. Dazu kommen z. B. der Pecorino-Käse aus Seggiano, die Weine des Montecucco DOC, der Honig oder die herrlichen Esskastanien vom Monte Amiata.

Schließlich bewahrt Seggiano im Ortsteil La Pescina sogar eine toskanische Spezialität besondere Klasse. Denn kurz Scottiglia oder „Cacciucco di carne“ genannten Fleischtopf Scottiglia di Pescina. In diesem Gericht aus Rind- und Schweinefleisch, Huhn, Pute, Kaninchen und je nach Geschmack auch Lamm vereinen sich die Höhepunkte der Amiata-Kochkunst. Drei bis fünf Stunden muss diese „Suppe“ aus gemischtem Fleisch vor sich hin brodeln, ehe es geröstetem Brot aufgetischt werden kann. Früher war es das Leibgericht der Bauern. Heute beeindruckt Seggiano vor allem mit seinem Olivenöl-Museum, das ganz ungewöhnlich als Spazierrundgang durch Seggiano angelegt ist und ab der großen Zisterne an der Stadtmauer zu wichtigen historischen Bauten wie der Chiesa di San Rocco, aber auch zu einer alten Ölmühle aus dem 19. Jahrhundert führt.

Im Skulpturenpark von Daniel Spoerri. Foto: Ellen Spielmann
Im Skulpturenpark von Daniel Spoerri. Foto: Ellen Spielmann

Höhepunkt ist dann einer der ältesten und wohl größten Olivenbäume überhaupt, eine Installation und große Hommage an die Landwirtschaft. Und natürlich kann man später in der Olearia auch Olivenöl verkosten. Auch einem anderen, Daniel Spoerri, hat Seggiano eine Installation gewidmet. 1991 eröffnete der berühmte Künstler, heute längst Ehrenbürger von Seggiano, vor den Toren des Bergdorfes seinen herrlichen Skulpturenpark, in dem sich mittlerweile 113 Skulpturen und Installationen von über 40 internationalen Künstlern versammeln. Aber dazu gleich mehr. Seggiano hat den im Jahr 2020 90 Jahre alt gewordenen Begründer und Meister der Eat Art auf der Hauptpiazza des Dorfes und eines seiner neueren Kunstobjekte, das 3 m hohe Bronzewerk „Sede di Giano“ („Sitz des Janus“) aufgestellt.

Aber das ist natürlich nur ein einzelnes Unikat gegenüber dem grandiosen, open air angelegten Skulpturenpark von Daniel Spoerri, dem wir die Aufwartung machen. Bürgermeister Daniele Rossi führt uns höchstpersönlich durch die weitläufige, coronabedingt sonst geschlossene Anlage, die auch Übernachtungen in Apartments anbietet und sogar mit dem Bar/Bistro/Ristorante „Non solo eat Arts“ kulinarisch auftrumpft, wenn denn nicht gerade Covid-19 dazwischenfunkt. Im Eingangsbereich finden sich hübsche Palindrome, die Spoerri und wohl auch Freunde sich ausgedacht haben. Etwa: „dreh magiezettel um, amulette zeig am herd“! Oder: „NEE, DIE IDEEN“, „DOGMA I AM GOD“ sowie „STRATEGY GETS ARTS“! Dann geht es auf den Skulpturenparcours. Ursprünglich, bis 1996, waren hier nur Arbeiten von Daniel Spoerri ausgestellt.

Heute sind es 40 von ihm. Doch dann kamen Werke großer Künstler wie Eva Aeppli, Jean Tinguely, Meret Oppenheim oder Bernhard Luginbühl hinzu. Ebenso sind auch Pavel Schmidt und Dieter Roth vertreten, zudem italienische Künstlerfreunde wie Luigi Mainolfi und Roberto Barni. Unter den Auserwählten ist auch Dani Karavan (geb. 1930) mit Objekt 72, dem 2002 entstandenen Werk „Adam und Eva“, einem mit Blattgold überzogenen Olivenbaum. Das Werk passt zum Oliven-Dorado Seggiano, und natürlich ist Bürgermeister Rossi von diesem Werk wie auch allen anderen Skulpturen sehr angetan. Und, keine Frage sei, dass die Gemeinde sich jederzeit bereit erklären würde, irgendwann in der Zukunft den Skulpturenpark auch zu übernehmen und intensiv weiter zu betreuen. Besonders stolz ist er aber auch über an das Spoerri-Grundstück angrenzende kirchenähnliche Mausoleum, in dem sogar zwei uralte Langobardengräber entdeckt wurden.

Skulputur. Foto: Ellen Spielmann
Skulputur. Foto: Ellen Spielmann

Dann stehen wir vor einer Ikone des Parks, Spoerries 1991 entstandenem Bronzekunstwerk „Nabel der Welt“! Dies Objekt Nummer 3 wird daher auch „Omphalos“, aber auch „Einhörner“ genannt. Und von diesem Ort aus blickt man auf ein herrliches Panorama mit Seggiano im Mittelpunkt des Auges des Betrachters. Weitere großartige Werke sind der „Aqua Golem“ von 2014 (Objekt 109) und die Hommage an Spoerris Zeit in Paris (Objekt 42), das schiefe Haus der Bronze- und Eiseninstallation „Chambre N° 13 de l’Hotel Carcasonne“ von 1998. Und natürlich darf auch Spoerris 2008 aus Carrara-Marmor geschaffenes „Mauer der 12 letzten Mahlzeiten berühmter Frauen“, das Duodecim ultimae cenae de claris mulieribus“ nicht unerwähnt bleiben. Hier versammelte der Eat Art-Künstler berühmte Frauengestalten wie Leda, Kleopatra und Marlene Dietrich, aber auch Tania Blixen, Mata Hari, Isadora Duncan, Frida Kahlo oder die Philosophin Hannah Arendt und entschlüsselte gekonnt deren Charaktere anhand spezifischer Zuschreibungen möglicher letzter Mahlzeiten. Und dies ist, da sind wir uns mit Bürgermeister Rossi einig, nicht nur für das gastronomisch sowieso verwöhnte Seggiano ein kulinarisches Abenteuer der ganz besonderen Art.


Informationen:

Associazione Pro Loco Seggiano, www.thatsamiata.com/risorse/pro-loco-seggiano/ 

Informazioni turistiche Grosseto, https://quimaremmatoscana.it/

Toscana Promozione Turistica, www.visittuscany.com 

Lokale Produzenten am Monte Amiata: www.stradelvinoedeisaporidamiata.it 

Fotos: Ellen Spielmann

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