Foodie

Rotwein-Juwel Ruchè

Bis ins 19. Jahrhundert war sie im Piemont sehr bleibt, wurde sogar bis in die Langhe angebaut. Heute wächst sie nur noch im Nordosten der Provinz Asti – dort indes dank der passenden, leicht alkalischen Böden prächtig. Immerhin wieder 110 Hektar Weinberge werden heute in und um Castagnole Monferrato, Grana, Montemagno, Portacomaro, Refrancore wieder mit Ruchè-Rebstöcken bepflanzt. Auch in der winzigen 593-Seelen-Gemeinde Scurzolengo, deren Bewohner damit tatsächlich einen önologischen Schatz hüten. Dass sie diesen nicht horten, sondern auch der Allgemeinheit zur Verkostung zur Verfügung stellen, dafür sorgen z. B. die Brüder Franco und Claudio Cavallero. 1992 übernahmen Franco, fortan für Verkauf und Marketing zuständig, und Claudio, der Önologe, von ihren Eltern, das Weingut und hoben die Cantine Sant`Agata aus der Taufe.

Und welch ein Glück, das zum Erbe auch ein Weinberg zählte, auf dem die Ruchè-Traube gedieh. Dafür hatte speziell Vater Giuseppe gesorgt. Ursprünglich hatte jener Weinberg mal einem Priester gehört, der sich ab den 1970er Jahren um die Rettung der in Vergessenheit geratenen Traube kümmerte. Denn es waren wohl Don Giacomo Cauda und die Bürgermeisterin von Castagnole Monferrato, Lidia Bianco, die sich so lange um die letzten Ruchè-Rebstöcke kümmerten, bis 1987 tatsächlich ein DOC-Schutz für diesen fast reinsortigen Nischen-Wein mit dem ganz speziellen einmaligen Geschmack geschaffen wurde.

Und so können die Brüder Cavallero durchaus von sich behaupten, Pioniere der Wiederbelebung dieser Traube zu sein, deren Namensherkunft allerdings ebenfalls noch im Dunklen liegt. Einige behaupten, „Ruchè“ rühre von einer uralten, nicht mehr existierenden Benediktinerkapelle her, die entweder in Portacomaro oder in Castagnole Monferrato stand und einst San Rocco, dem Pestheiligen Sankt Rochus geweiht war, der im piemontesischen Dialekt knapp „San Roc“ genannt wird. Andere hingegen leiten „Ruchè“ direkt aus dem Dialekt ab, wo „Ruchè“ auch einen perfekt zum Sonnenlauf ausgerichteten felsigen Weinberg bezeichnet.

Franco Cavallero. Foto: Cantine Sant`Agata
Franco Cavallero. Foto: Cantine Sant`Agata

Wie auch immer, was in die Flasche darf und eben auch nicht, ist dank der DOC-Bezeichnung festgelegt, die 2010 sogar zur DOCG-Qualifizierung gelangte, die zudem 2014 nochmals bestätigt wurde. Mindestens 90 Prozent der Weine Ruché Castagnole Monferrato DOCG müssen aus Ruchè-Trauben bestehen. Maximal 10 Prozent andere Rebsorten wie etwa Barbera dürfen zugemischt werden. Aber die wahren Ruché-Fans lieben den mit guter Struktur und generösen Aromen aufwartenden Wein natürlich pur! Dieser intensive Wein mit indes nur mittlerem Körper zeichnet sich mitunter durch kräftige Tannine und seine rubinrote Farbe aus, besitzt ein fruchtiges Bouquet und wird geschmacklich als „trockener“ (secco) wie auch als „lieblicher“ Wein (amabile) angepriesen. Er passt perfekt zu mittelaltem bis reifem Käse, zu typisch piemontesischen Gerichten wie „bagna cáuda“, Lammkoteletts und vor allem zu Wild.

Und natürlich ist auch Francesco Cavallero ein Fan dieser Rebsorte. Und natürlich ist die Edition der allerersten Riserva des „Genesi 2016 Ruchè Castagnole Monferrato DOCG ein ganz besonderes Ereignis. Den n lange galt der Ruchè al Wein, den man umgehend trinkt. Erst nach und nach setzte sich die lange Reifezeit von 24 Monaten durch, von denen zwölf im Holzfass stattfinden müssen. Vor einigen Jahren begannen dann die Cantine Sant`Agata, einzelnen Weinbergparzellen auszuwählen und die Trauben dieser Parzellen separat reifen zu lassen.

Und nun kann Franco Cavallero stolz das Resultat dieses Tests vermelden. Und natürlich weiß er: „Die Notwendigkeit, eine Appellation Riserva zu besitzen, stammt vom Markt, denn nun erreicht der Ruchè verschiedenste internationale und wird von unterschiedlichsten Kunden getrunken.“ Und: „In den 1990er Jahren wurde der Ruchè nur in der klassischen Version vinifiziert, ohne jedes Reifen. Dann kam die DOCG-Qualifizierung, die es uns erlaubte die Wichtigkeit dieser Rebsorte zu konsolidieren, indem wir die Besonderheit des einzelnen Weinbergs herausstellten. Aber dies war noch nicht genug. Wir mussten nun unsere Anstrengungen fortsetzen, den Weinen, die wir produzieren, eine wirkliche Identität zu geben.

Weinfeld. Foto: Cantine Sant`Agata
Weinfeld. Foto: Cantine Sant`Agata

Und nun – endlich – können wir dies.“ Folgerichtig ist der Ruchè Genesi heute natürlich zum Vorzeigewein und Flaggschiff der Cantine Sant`Agata aufgestiegen. Er muss drei volle Jahre in Fässern unterschiedlichster Größe lagern und dann noch weitere sechs Monate in eiförmige Stahltanks, ehe die Marktreife erreicht ist. Franco fasst zusammen: „Dieser Wein repräsentiert eine Reise durch mein Leben.“ Und er ist stolz, dass die Cantine Sant`Agata nun das allererste Weingut sind, das diese neue Appellation „Riserva“ aus dem zudem wunderbaren Jahrgang 2016 vorweisen kann. Und passend genug, dass das Weingut, 1916 gegründet, dazu auch den 100. Geburtstag feiern konnte.


Information:

Tenimenti Famiglia Cavallero Cantine Sant`Agata, https://guidaallecantine.com/en/monferrato/cantine-sant-agata

Fotos: Cantine Sant`Agata

Teilen: