Heute umfasst das Landgut Castello di Brolio – beinahe Synonym und architektonisches Symbol für den Chianti Classico – 1200 ha, von denen 240 ha in 220 bis 500 m über Meereshöhe für den Weinanbau und 26 ha für Olivenbäumen reserviert sind. Dafür gesorgt haben zwei besondere Adelsherren. Da war einmal Bettino Ricasoli (1809 – 1880), der nicht nur zweimal Premierminister der jungen Nation Italien war, sondern sich auch für die Wissenschaft begeisterte und 1872 auch die bis heute gültige Formel für den Chianti Classico-Wein erfand!
Und da ist Baron Francesco Ricasoli, der 1993 das Castello di Brolio übernahm, es aus dem Dornröschenschlaf erweckte, und nun, nach 30 Jahren, die grandiose Renaissance des großen Namens Ricasoli feiern kann. Seit 1993 sorgte er geduldig, aber festentschlossen dafür, dass die Weine von Ricasoli bzw. dem Castello di Brolio heute wieder zu den allerbesten weltweit zählen. Alles begann 1993 tatsächlich nicht etwa mit der Herstellung eines Chianti Classico, sondern mit der Ernte für den allerersten Casalferro! Man staunt: Damals wurde er aus den besten Lagen der Sangiovese-Trauben hergestellt! Denn der Fokus von Francesco Ricasoli lag von Beginn an wie bei seinem berühmten Vorfahren auf der wissenschaftlichen Recherche, der wissenschaftlichen Erkundung der Sangiovese-Traube, der Erkundung des Terroirs und letztlich auch der Nachhaltigkeit, die Ökonomie, Natur und natürlich auch das soziale Umfeld umfasst. Im Ganzen ging es Francesco Ricasoli um die Entwicklung modernster Weinbaumethoden.
Bis heute bildet für ihn die wissenschaftliche Erkundung die „DNA des Landguts“, sei es nun bei der Wahl der Sangiovese-Klone, sei es bei der Identifizierung der einzelnen, sehr unterschiedlichen Biotope und Terroirs auf dem Landgut, sei es bei der damals noch avantgardistischen Auswahl jener bevorzugten Weinbergzonen, die schließlich zu Präzisionswein- wie -landwirtschaft dank Forschung und insgesamt vier Weltklasseweinen der Kategorie Chianti Classico Gran Selezione führten. Der internationale Siegeszug begann mit dem Jahrgang 1997 des Castello di Brolio Chianti Classico. Dann folgten die Parzellenweine der Extraklasse: ab 2007 der Colledilà Chianti Classico, dann, ab 2015, Roncicone und CeniPrimo. Diese vier Gran Selezione-Musketiere des Gutes sorgen nun seit einigen Jahren dafür, dass es für Ricasoli und das Castello di Brolio Höchstauszeichnungen im Bereich von 97 bis 99 Punkten geradezu regnet! Der CeniPrimo errang sogar 100 von 100 möglichen Punkten (James Suckling)!
Ganz anders die Geschichte des nicht minder hochgeschätzten Casalferro: Dieser Wein, er wird nur in den besten Jahren produziert, machte im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte einige Mutationen durch, die tatsächlich ebenfalls auf akribischer wissenschaftlicher Recherche beruhen. Ab 1997 begann man, dem ursprünglich reinen Sangiovese-Casalferro nach und nach mehr Merlot hinzuzufügen. Seit 2007 bestand de Casalferro zu über 50 Prozent aus Merlot. Und seit dem Weinbaujahr 2018 wird er nun als reiner hundertprozentiger Merlot erneut neu erfunden! Mit großem Erfolg: Denn dieser Erstling Jahrgang 2019 erhielt prompt 94 Punkte von Robert Parker (Wine Advocate), James Suckling vergab umgehend sogar 98 Punkte!
Das Debut des seit Anfang März 2023 auf dem Markt erhältlichen Casalferro 2019 ist ein voller Erfolg! Möglich macht diesen naturgemäß die Wahl des Terroirs. Die Merlot-Trauben wachsen auf drei sorgfältig ausgewählten Weinhöchstlagen in 400 bis 500 m Höhe, die insgesamt nicht einmal 13 ha des Rebparks ausmachen Tatsächlich geerntet wurde auf nur 5 ha der Rebparzellen Vigna Casalferro, Vigna Pecchierino und Vigna Sodacci. Die Vigna Casalferro (5 ha) steht für die Eleganz des Weins und wird daher auch Eleganza genannt.
Die Alberese-Böden auf der Vigna Pecchiarino (3,25 ha) sorgen für seine Struktur. Und schließlich bewirkt der Sandstein des Rebgartens Sodacci (4,22 ha) die Frische und schöne Säure des Casalferro! „Im Laufe der Zeit“, so Francesco Ricasoli, „haben wir die vielfältigen Facetten von Böden, Höhenlagen und Mikroklimas identifiziert, die es uns heute ermöglichen, den echten Charakter des Brolio-Terroirs zum Ausdruck zu bringen.“
Keine Frage: Der Casalferro 2019 besticht durch seine aromatische Komplexität, die ihn schon heute zu einem außerordentlichen Merlot-Wein macht. Zur absoluten Klasse wird er dann in drei Jahren und bis 2035 gereift sein. Francesco Ricasoli meint zu diesem Juwel: „Casalferro ist das Ergebnis jahrelangen Forschens und Experimentierens, die uns dahin gebracht haben, die am besten geeigneten Trauben für diesen großen Roten auszuwählen. Die sortentypischen Eigenschaften des Merlot setzen sich mit dem Brolio-Terroir auseinander. Und daraus entsteht ein Wein mit intensiver Eleganz, einer beeindruckenden Struktur, die so typisch für unsere Böden ist, sich mit der Rebsorte vereinigt und deren Weichheit Kraft verleiht. 2019 war ein regulärer Jahrgang, „klassisch“ würde ich ihn nennen, und so konnten wir Trauben ernten, die vollkommen gesund und perfekt homogen gereift waren, vor allem in ihrem Polyhenol-Profil.“
Tatsächlich verzeichnete das Jahr 2019 verhältnismäßig milde Temperaturen und geringen Niederschlag. Der Winter war mild, aber im Januar sanken die Temperaturen unter den Gefrierpunkt und es schneite heftig. Im Frühling steigen die Temperaturen, doch im Mai war es kühl und regenreich. Selbstverständlich wurden die Merlot-Trauben von Hand gelesen, ab dem 11. September im Rebgarten Casalferro, dem 13. September im Weinberg Sodacci und dann ab dem 18. September im Weinberg Pecchierino. Nach der Vinifikation ging es 21 Monate in Tonneaux (500 l) und Barriques aus Eichenholz, von denen 30 Prozent neu waren. Mit 14,5 5 Alkoholgehalt zeigt dieser kräftige, rubinrote Merlot mit würzigen Noten (Walnuss, Vanille) natürlich seine volle Pracht: er ist eben ein klassischer full-bodied red one! James Suckling attestiert ihm „Super-Aromen“ von „frischen Veilchen, schwarzen Oliven, zerdrückten Himbeeren und Brombeeren“.
In jedem Fall überzeugt der Ricasolis Casalferro 2019 Merlot IGT Toscana durch seine Eleganz und ist ein echtes Aushängeschild im Jubiläumsjahr von Baron Francesco Ricasoli. Aber damit nicht genug: Noch für dieses Jahr verspricht Francesco Ricasoli die Geburt eines neuen, spektakulären Weins. Eines Weißen! Grund genug für alle, dem seit dem 17. März 2023 wieder geöffneten Castello di Brolio samt Vinothek, Fasslager, Schlossmuseum, großartiger Osteria und Caffè Eroica und Übernachtungsmöglichkeiten die Aufwartung zu machen. Und schließlich: Das beeindruckende Kastell im Ortsteil Madonna del Brolio liegt, wie Francesco Ricasoli selbstironisch spöttelt, „an der schönsten Sackgasse der Welt!“
Informationen:
Ricasoli 1141/Castello di Brolio: www.ricasoli.com
Foto: Barone Ricasoli 1141/Castello di Brolio