Foodie

Palio und Pandolce, Pistolen und Propheten (Teil 2)

Es wartet mit 39 Zimmern und Suiten, mit Spa, gleich zwei Restaurants, schicker Bar und einem großen Parkplatze auf und ist tatsächlich ein Schmuckstück der italienischen Hotellerie. Viele Gäste zieht es auch hierher, weil berühmte Thermen (Saturnia) nahebei liegen. Betrieben wird das Hotel seit Neuestem höchst erfolgreich von Managerin Daniela Rappuoli und ihrem Gatten. Die zwei haben mit Herzblut und großem Engagement diese Villa aus den 1950er Jahren perfekt renoviert und bieten heute auch alle herrlichen Schätze, die Castel del Piano und der Monte Amiata anbieten. Dies betrifft insbesondere die alle Sinne betörende Gastronomie, um die sich Daniela Rappuoli höchstpersönlich kümmert.

Erst einmal fallen indes die über 50 Skulpturen und Kunstwerke eines einheimischen Künstlers auf: Piero Bonacina, stammt ursprünglich aus der Provinz Lecco, reiste viel durch Asien, ließ sich vom tibetischen Meister Namkhai Norbu unterweisen und dann 1990 am Monte Amiata nieder, weil er hier seinen spirituellen Ort fand. In Montegiovi betreibt er sogar das kleine Gartenmuseum „Arte a parte” mit herrlichem Blick auf Castle del Piano. Und seine im Hotel ausgestellten Werke sind definitiv inspirierend. Hinzu kommt eine weitere Ausstellung zur Raku-Technik. Die herrlichen Objekte realisierten Schüler des Liceo Artistico Polo Bianciardi in Grosseto.

Dann aber schlägt die Stunde des Ristorante Impero: Hier zelebrieren Daniela Rappuoli und ihr tolles Team die hohe Schule der allerbesten Amiata-Küche. Und natürlich stammen die Zutaten zum größten Teil aus allernächsten Quellen. Berühmt ist Daniela Rappuoli für die klassischen, aber stets mit Inspiration innovativ gestalteten Traditionsgerichte, seien es nun die nach Amiata-Art zubereitete toskanische Bohnensuppe oder sonstige Leckereien. Einmalig sind auch ihre zum Verkauf angebotenen Köstlichkeiten, die Delizie: dazu zählen Marmeladen oder selbstgebackene Anis-Plätzchen und Cantucci.

Salami der Extraklasse. Foto: Ellen Spielmann
Salami der Extraklasse. Foto: Ellen Spielmann

Und natürlich kann man in Hotel Impero auch die Köstlichkeiten vom Amiata probieren. Das Hotel Impero organsiert sogar Besuchsfahrten zu den lokalen Herstellern. Perfekt ist natürlich, wenn die Hersteller direkt ins Hotel kommen. Wir hatten das Glück! Und so erwartet uns erst einmal eine Riesenüberraschung, als uns Augusto Cerboni an seinem Tisch aus der hauseigenen Metzgerei nicht nur grandiosen Schinken und Salami der Extraklasse anbietet, sondern auch zwei Spezialitäten offeriert.

Da ist einmal die edle, sanfte Salami „Zia“, benannt nach der Tante der Familie, für deren Geschmack die Rezeptur für diese sanfte Salami entwickelt wurde. Und da ist die deftige, höchst pikante Salami „ammazzafegato“. Diese herrliche, nur am Monte Amiata hergestellte Salami darf man getrost mit „Leberkiller“ oder „Lebertöter“ übersetzen. Und dies ist nun keine Warnung an den Kunden! Der Grund liegt in der Geschichte. Einst war diese Salami die günstigste, wurden doch auch Innereien zur Herstellung verwendet. Um den daraus entstehenden Geschmack, etwa von Leber, zu übertünchen und zu veredeln, wurde ordentlich Pfeffer dazu gegeben, der dann natürlich den Geschmack der Innereien übertrumpfte.

Heute sind die Zutaten von erlesenster Qualität, geblieben ist die Historie zum Leberkiller – ein absolutes Muss! „Naturalmente differente“, „natürlich anders“, sind dann die herrlichen Olivenöle aus der Azienda Olearea Santella aus Castel del Piano. Die Olivenöle werden exklusiv am Monte Amiata erzeugt, allen voran im herrlichen Olivenöldorf Seggiano, nur 9 km von Castel del Piano, das Daniel Spoerri mit seinem Skulpturenpark berühmt machte. Von dort stammt etwa das Olivenöl „Ex Albis“, ein geschütztes DOP-Olivenöl, dessen in 500 m Höhe wachsende Oliven Ende Oktober per Hand gepflückt und dann im geschlossenen Zyklus kaltgepresst werden.

Olivenöl aus der Toskana. Foto: Ellen Spielmann
Olivenöl aus der Toskana. Foto: Ellen Spielmann

Es ist ebenso ein „Monocultivar“, ein Olivenöl aus nur einer Olivensorte, wie das „Il terzo Seme“, ein geschütztes IGP-Produkt, aus dem gleichen Haus. Und schließlich überzeugt auch das dritte Olivenöl „L`Ultima Stretta“ mit fruchtigen, würzigem Geschmack. Ursprünglich nur als Nebenerwerb gedacht, hat sich das Ganze zu einem veritablen Familienbetrieb entwickelt. Auf den gesunden Böden am Monte Amiata baut auch die in Montalcino wohnende Paola Bendini ihre sämtlich biozertifizierten Produkte an. Ihre kleine Firma „Il Cipressino“ bietet herrliches Mehl aus Dinkel, Kastanie, oder Kichererbse, dazu Kichererbsen, Erbsen und Olivenöl Olio EVO allerhöchster Qualität.

Und dann entpuppt sich das kleine Weingut Amiata Vini mit Eigner und Winzer Simone Toninello als eine weitere grandiose Überraschung: „I vini del vulcano“, die „Weine des Vulkans“ sind eine herrliche Offenbarung. Die von Simone und Gattin Stefania gepflanzten Reben gedeihen auf nur 3 Hektar in 400 bis 500 m Höhe im nahen Montegiovi und sind ein Aushängeschild für die Weinregion Montecucco DOC: trocken, elegant und voller Aromen sind diese Vulkanweine. Ihr Lapillo IGT Toscano (90 % Sangiovese, 10 % Cabernet) reift drei Monate im Stahl, sechs Monate im Eichenfass und weitere drei Monate auf der Flasche. Der Lavico Montecucco DOC, ein reiner Sangiovese, reift 18 Monate in großen französischen Eichenfässern (25 hl) und weitere 6 Monate in der Flasche, eher er marktreif ist. Und schließlich ist der Amiata Cenere Sangiovese Montecucco DOC Riserva sogar 24 Monate in großen Eichenfässern und mindestens neun Monate auf der Flasche. Am besten mundet er nach sechs Lagerjahren. Probieren Sie mal den Amiata Riserva 2012! Ein Gedicht!!!

Wer im Grand Hotel Impero absteigt, hat nur schlappe drei Kilometer allerdings kurviger Fahrt bis nach Arcidosso zu bewältigen. Dort empfängt uns an der Rocca Aldobrandesca, der alten, wohl schon auf 860 n Chr. zurückdatierenden Burg der einst mächtigen Adelsfamilie Aldobrandeschi, Fremdenführer Adriano Crescenzi. Der Pensionär ist der perfekte Guide durch die mittelalterlich anmutenden Gassen hinauf zur Burg, vorbei am uralten, schon 1741 gegründeten Teatro degli Unanimi an der Piazza Cavallotti, gegenüber dem imponierenden Aufgang zur Burg. Zur Linken hat im Nebenhaus der Burg, im Palazzo della Cancelleria, das MACO, das Museo Arte e Cultura Orientale Unterschlupf gefunden. Das Museum ist das Ergebnis von 35 Jahren fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen Arcidosso und dem tibetischen Lehrer und Professor Namkhai Norbu, der 1962 – 1992 an der Uni Neapel lehrte. Es präsentiert 5000 asiatische Kunstobjekte aus der professoralen Sammlung, auch buddhistische, tibetische und mongolische Kunst.

Amiata Wein aus der Toskana. Foto: Ellen Spielmann
Amiata Wein aus der Toskana. Foto: Ellen Spielmann

Uns aber zieht es in die uralten Gemäuer des Kastells, wo im Eingangsberiech erst einmal Köstlichkeiten aus Arcidosso zum Verkauf ausgestellt sind. Hinter dem Tisch verbirgt sich in einer Wandnische ein in den Sims gekratztes Mühlespiel. Hier haben sich wohl einmal zwei Soldaten auf angenehme Weise den Wachtdienst „verkürzt“. Die Burg dient auch als Tourismusbüro und Standort für den Parco Faunistico Amiata. Wir sind aber neben der Burgbesichtigung selbst vor allem wegen des Studienzentrums David Lazzaretti hier. David Lazzaretti, oft auch Davide Lazzaretti geschrieben, war der „Prophet des Amiata“.

In Arcidosso geboren, entwickelte der Sohn armer Bauern (1834 – 1878), Visionär und tragische Figur zugleich, ein neues religiös basiertes Sozialkonzept, das als „Giurisdavidismo“ bzw. „Chiesa Giurisdavidica“, „Kirche nach dem Recht Davids“ berühmt wurde. Der Prediger und Mystiker selbst fand nach einem 40 Tage dauernden Eremitenaufenthalt auf der Insel Montecristo ab 1873 rasch viele Anhänger, wurde zum „Christus vom Amiata“ stilisiert und anfangs sogar von der Kirche unterstützt. Doch nach und nach wurde sein gepredigter visionärer „christlicher Sozialismus“ als gefährlich eingestuft, die Bewegung, sie siedelte nahebei auf dem Monte Labbro, unterdrückt. Am 18.8.1878 kam es am Ende einer Prozession vom Monte Labbro nach Arcidosso zum Showdown. Carabinieri und Militärs schossen und töteten Lazzaretti. Drei weitere Teilnehmer der Prozession starben. Geblieben sind zig Artefakte dieser Sozialbewegung, unter anderem auch Hut, „Hirtenstab“ und Kleider von Davide Lazzaretti. Die Gemeinschaft lebte übrigens weiter. Erst 2002 soll der letzte Priester dieser Sekte, Turpino Chiappini, verstorben sein.

Im krassen Gegensatz zu Lazzaretti steht dann die ebenfalls in der Burg gezeigte Sammlung militärischer Waffen. Neben Kanonenkugeln, Säbeln, Pistolen und Gewehren ist sogar ein echter Bumerang aus Australien ausgestellt. Und dies ist nun wirklich eine besondere Überraschung im sonst so beschaulichen, dank unseres Guides aber so perfekt näher gebrachten Arcidosso.


Information:

Uffizio Informazione Turistiche, www.comune.casteldelpiano.gr.itwww.comune.casteldelpiano.gr.it/home/vivere.html 

Touristische Informationen Provinz Grosseto: www.provinciagrosseto.com 

Informazioni turistiche Grosseto (Info Point Grosseto)/Tourismusbüro Maremma Toscana, https://quimaremmatoscana.it/

Toscana Promozione Turistica, www.visittuscany.com 

Fotos: Ellen Spielmann

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