Michelin-Stern-Chef Martijn Kajuiter hat es vom irischen 5-Sterne-Cliff-House-Hotel zurück in seine niederländische Heimat geweht: seit September 2021 krönt er das neu eröffnete Casual Fine Dining Restaurant LIZZ im Relais & Châteaux Weeshuis Hotel Gouda. Martijn ist eine große, kraftvolle Erscheinung, ihm ist anzumerken, wie glücklich er ist, im WSHS im allerbesten Sinne bei Null anzufangen. 14 Jahre war Executive Chef im HOUSE Restaurant des „The Cliff House“ an der südirischen Küste, mit einem Michelinstern.
Die Hälfte der Räumlichkeit des „LIZZ“ in dem historischen Waisenhaus von 1599 ist ein architektonisch geschickter Glasanbau zum geschlossenen Innenhof des WEESHUIS: Tageslicht flutet hinein und macht den Terrassenhofgarten mit den Pflastersteinen, den beiden alten Bäumen wie auch die beeindruckende Fassade des Gebäudeteils gegenüber zum faszinierenden Motiv.
Innen fällt der üppig spießende Pflanzensichtvorhang in traditionellen Keramik-Vasen von „Gouds Plateel ins Auge. Das LIZZ Restaurant ist seit der Eröffnung sofort zum kulinarischen Hotspot in Gouda und dem Cheese Valley avanciert und schwer sterneverdächtig. Einmal mehr, seit mit Remco Kuipers, der zuvor das „Fitzgerald“ in Rotterdam mit einem Michelin-Stern beglückte, als Verstärkung hinzugekommen ist.
Zutaten aus Holland und seinem „Grünen Herzen“
Es liegt nahe, dass Martijn seine kulinarische Philosophie aus Irland auch in Holland fortsetzt: Kochen mit Flair und Fantasie, immer frisch zur Saison, den Geschmack des „Groene Hart“, des „Grünen Herzens“ rund um Gouda hervorheben bis hin zum Fisch aus der nahen Nordsee. So bereitet er Ceviche beispielsweise mit frischen Langusten zu: … „aber statt der „Tigermilch“ verwende ich Buttermilch zum Marinieren – es ist ein bisschen anders, aber es funktioniert“, erzählt der 45-jährige. Buttermilch hat in dem Haus eine lange Tradition, jedoch nicht immer im Luxuskontext: „In diesen Mauern des einstigen Waisenhauses in der Spieringstraat gab es 1683 für die 60 Jungen und 55 Mädchen mittwochs nur Fisch oder Haferbrei und abends Buttermilch.“ (Quelle: Wim Denslage)
Das „Table d’hôte“- Menue
Die Lunchkarte und Snackkarte für die Coco-Bar ist leicht und abwechslungsreich. Das kulinarische Abenteuer beim „Table d’hôte“-Menue beginnt mit köstlichen Amuses, bei denen Gouda Käse und Algen eine Rolle spielen. Mit einer Vorspeisen-Collection aus Lachs mit Fenchel, Grapefruit und Avruga-Kaviar, ein Kohlrabisalat mit Liebstöckl-Buttermilch und Schinken. Fällt die Entscheidung für den Hauptgang zugunsten des „Geräucherten Wild-Heilbutt, erlebt man dessen großen Auftritt mit dem Lüften der Cloche, der Rauch entweicht, das köstliche Aroma entfaltet sich und gibt den Blick frei auf die Komposition Fisch, Bok Choy „Shanghai“, Graupen, Garnele und Safran sowie einem knusprigen Zweig von grünem Algenbrot – eine deliziöse Inszenierung.
Ein Dreifach-Dessert punktet mit „Weißer Schokolade, Tonka und Rahm“, einem „Apfelsorbet mit Mint-Gelee, Seesalz und Olivenöl“ oder „Karamel Mousse mit Sanddornbeeren, Reis und Meringue“ und bildet einen krönenden Abschluss des beinahe sinnlichen Menüs. Im Weinregal großartige Auswahl mit Lagen aus der Bretagne, der Normandie, aus Rheinhessen, Veneto, Spanien und der Bourgogne. Den Champagner bezieht Martijn bevorzugt aus dem Hause „De Venoge“ in Epernay, dessen Noblesse am Gaumen ausgezeichnet mit seinen Speisen korrespondiert.
„Le Cordon Bleu“, das blaue Band, dass sich über das Etikett des Brut Blanc de Noir zieht, bezieht sich zum einen auf den Fluss De Venoge in der Schweizer Heimat der Winzer und zum anderen auf die blaue Schärpe, die der französische Adel trägt – der Champagner „Les Princes“ ist mit der königlichen Familie verbunden und nach dem niederländischen König Willem III benannt.
Auf Wunsch gibt es die Möglichkeit, zusätzlich mit einem Käsegang abzuschließen, mit sechs klassisch-holländischen Sorten aus allen Regionen: Darunter sind ein „Mècorino“*, ein milder, weicher, junger Schafskäse, hergestellt nach einem speziellen Reifeverfahren der Milchschaffarm „De Vreudgehoeve“ nahe Zwolle.
Dann ein „Double Dutch“ aus dem Dreieck Gelderland-Utrecht-Nordholland, eine Mischung aus Kuhmilch- und Ziegenmilchkäse – der mit einer essbaren Kruste und kleiner Ascheschicht, die aus Weinblättern hergestellt wird. Last but not least der „Oudwijker Colloso“ ein Büffelmilchkäse aus Heusden: Die verwitterte Kruste ist hell-orange-braun mit einem weißgrauen Hauch von Schimmel. Ein Film von voller, cremiger Schlagsahne und süßem Fondant breitet im Mund aus, darüber dann ein intensiver und langer, würziger, salzig-holziger Geschmack mit Noten von Lakritz, Lorbeer, Heu und dunkler Schokolade – was für ein interessantes, holländisches Käse-Abenteuer!
Frühstück unter den Augen der Waisenhaus-Regenten
Martijns Speisen können sich durchaus täglich ändern, „…es gibt viel Dynamik“, sagt er, der nahezu durchgehend in der Küche steht. „Mir ist die Ausbalancierung wichtig, die Speisen, der Wein, das Personal und die Umgebung, alles zusammen ergibt für alle Beteiligten ein großartiges Erlebnis“. Stimmt! Fine Food, extraordinary styling, familiäre Atmosphäre und beeindruckende Historie gehen im WSHS Hand in Hand.
Ein großartiges Gesamterlebnis ist auch das Frühstück in dem historisch reich verzierten Regentensaal von 1642, der mit grandiosem Gespür für Farben und Formen gestaltet ist von Hotelbesitzerin und Designerin Sharon van Gastel. Zwei Waisenkinder bilden einen Teil der Säulenstützen des hohen Kaminaufbaus, die Puttis im Sockel finden sich auch an der Decke wieder. Aus einem überdimensionalen sw-Foto schauen die Waisenhaus-Regenten in den Raum. Das restaurierte Originalgemälde von Jan Franse Verzijl von 1644, der sich selbst auf diesem Kunstwerk verewigt hat, wird in wenigen Monaten dort wieder an seiner ursprünglichen Stelle prangen – Grund für ein Fest!
In der Ecke dreht sich eine Glasvitrine mit den Tagesköstlichkeiten aus der Patisserie, die WSHS-Cherry ist pure Verführung am frühen Morgen! Die Frühstücksauswahl schließlich wird auf einer Etagere serviert, deren Form die Windungen einer Blumenranke darstellt – die Teller scheinen zu schweben.
Bei Martijn kann hin & wieder eine seiner Rezeptideen aus Irland einfließen, wie etwa die verschiedenen Brotrezepte mit Brotsoda. „Es nimmt die Pilzsäfte auf und hält den Geschmack – das weiche Innere und die knusprige Außenseite des Brotes mit Butter ist einfach ein Traum“.
Martijn und Remco nutzen das gesamte Repertoire, von Yelly bis Chips, vom Rächern bis Pökeln ist alles vertreten, alle Kochmethoden haben ihren Platz in der Küche. Schon jetzt sind das LIZZ und auch die COCO-Bar die Anlaufstelle für entspannten Hochgenuss in Gouda – mit internationalem Flair!
Informationen:
LIZZ Restaurant im Relais & Châteaux WEESHUIS Hotel Gouda
https://www.relaischateaux.com/de/niederlande/restaurant/lizz-restaurant-gouda
* „Mècorino“ ist eine Käse- und Wortschöpfung der Milchschaf-Farmerin Marianne van Assen/De Vreudgehoeve
* Jan Franse Verzijl (1602-1647, Portraitmaler des Goldenen Zeitalters aus Gouda)
* Historische Quelle: Wim Denslage https://www.dbnl.org/tekst/dens002goud01_01/dens002goud01_01_0021.php
Fotos: WSHS, Uta Petersen