Foodie

„Ou lala“: Das Restaurant LIZZ im WEESHUIS Hotel Gouda (Teil 1)

Sie springen sofort ins Auge: die knallroten Fensterläden der Fassade des Relais & Châteaux WEESHUIS Hotel Gouda – jüngst eröffnet in einem der schönsten historischen Gebäude der Stadt. Über dem Tor, durch das heute die Gäste das Hotel, das Restaurant LIZZ, die COCO Coffee, Cocktail & Champagne Bar oder den geschlossenen Innenhof betreten, ist ein aussagekräftiges Relief in Stein gehauen: Zwei Waisenkinder halten das Stadtwappen von Gouda, gleichzeitig heben sie einen Lorbeerkranz zu Ehren der Stadt.

An der Rezeption, die man unter Blütenträumen durch den Torhof erreicht, wird man mit geradezu familiärer Freude erwarte. Zum Empfang darf sogleich eine für Gouda typische Leckerei gekostet werden, die Stroopwaffel! Die engagierte Crew identifiziert sich sehr mit der Verwöhn- und Überraschungsphilosophie des WSHS und führt die Gäste stolz durch das Haus in ihre Zimmer.

Hotel Weeshuis Toreingang. Foto: WSHS
Hotel Weeshuis Toreingang. Foto: WSHS

Ein Farbenrausch wie eine freudige Umarmung

Für die Besitzer, die Eheleute Sharon und Lennart van Gastel ging in diesem Jahr ein Traum in Erfüllung: ein eigenes Luxushotel in diesem historischen Waisenhaus-Gebäude von 1599 zu eröffnen. Die 25 Tiny & Comfy-Rooms bis hin zu sehr geräumigen Suiten haben sie bezaubernd gestaltet, ebenso luxuriös wie einladend, alle haben ihren eigenen Charakter. Hauptmerkmal ist ein zartes Blütenrankendesign, das im ganzen Haus in unterschiedlicher Weise auf Tapeten, in Glastüren, auf Teppichen und sogar als Etagere wiederkehrt und eine gewisse Leichtigkeit bewirkt.

Sanfte Farbtöne bei den Stoffen wie dunkelgrün, taubenblau oder currygelb korrespondieren mit leuchtenden Farben etwa bei den Kissen wie knalliges orange oder grelles pink. Ein Farbenrausch, der überraschenderweise nicht etwa kitschig oder überladen ist, sondern im Gegenteil: einladend, geradezu beglückend.

Räume, um zu verweilen, um sich für lange Zeit heimisch zu fühlen! Foto: Uta Petersen
Räume, um zu verweilen, um sich für lange Zeit heimisch zu fühlen! Foto: Uta Petersen

Mehrere historische Sprossenfenster pro Raum, teilweise über zwei Meter hoch schaffen ein anheimelndes Ambiente. Blick kann weit über die Dächer von Gouda schweifen bis hin zur alten Kornmühle „Der rote Löwe“ am Turfsingel. Im Kontrast dazu eine hochmoderne freistehende Schalenbadewanne. Dekorative Hingucker wie etwa ein Hocker aus kleinen goldenen Kugeln, ein Store mit schwarz-weißem Zick-Zack-Muster bis hin zu Zahnputzgläsern in Form jener Gläser, wie man sie auf den Gemälden alter Niederländischer Meister findet, schaffen ein wunderbares Zusammenspiel von Historie und Modernität.

Kunstvolle Leuchten von Sam Anders und Robert Burgstad schaffen ein sehr geschicktes Lichtdesign, die unterschiedlichen Stile ergänzen raffiniert das geheimnisvolle und behagliche dieser alten Mauern, geben den sehr hohen Räumen Wärme und Charme. Das historische Deckengebälk gibt zusätzlich ein Gefühl von Geborgenheit.

Die COCO Coffee-Cocktail & Champagne Bar im Relais & Châteaux WEESHUIS Hotel Gouda. Foto: Uta Petersen
Die COCO Coffee-Cocktail & Champagne Bar im Relais & Châteaux WEESHUIS Hotel Gouda. Foto: Uta Petersen

Frisch verheiraten Paaren steht die „I DO“-Suite zur Verfügung, der „Powder Room“ nur für Damen bildet den Rahmen für eine schöne Zeit mit sich und den Freundinnen. Im „Family Room“ ist reichlich Platz für Kinder, eine Stiege führt auf einen eigenen Dachboden. Lieblingsplätze finden sich überall, vor allem ist es die Kaminlounge. Auch dort zieren – wie im ganzen Haus – Gruppen von unterschiedlich großen, zeitlos, prallen Samt-Kürbisse in leuchtenden Farben die Fenstersimse.

Initiatoren, Besitzer und Kreativteam

Die „WSHS“- Initiatoren und Besitzer Sharon und Lennart van Gastel teilen die gemeinsame Leidenschaft, alten Gebäuden neues Leben einzuhauchen, Staunen und Strahlen auszulösen. Ihre Liebe zum Detail ist im ganzen Hotel zu sehen und zu spüren, über dem ein magischer Schimmer zu liegen scheint – eine Hotelgestaltung, die in Zusammenarbeit mit der erfolgreichen Innenarchitektin Judith van Mourik entstand. Kaum wahrnehmbare Farbschattieren im Mauerwerk oder im Fensterglas wurden aufgegriffen und kehren im Interieur wieder. Eine lustvolle, ästhetische Symbiose von Alt und Neu, der sich kein Gast entziehen kann.

Noch 1973 war in dem Gebäude eine Bibliothek untergebracht, auch dieser Aspekt wird designerisch aufgegriffen – so steht vor dem privaten Speisezimmer im Durchgang des Quergebäudes eine überdimensional große, aufgeschlagene Buchskulptur auf einem dunkelroten Sideboard. Besonders geschickt wurde auch traditionelle Kunst aus Gouda integriert, Vasen und Keramik aus dem matt wie glänzenden Steingut, „Gouds Plateel“ mit prächtigen Mustern, das seit 1898 in Gouda hergestellt wird. Farben und Dekore erzählen eine lange Stadt-Geschichte – die Werkstatt, „Artisan Plateel“ von Trudy Otterspeer ist nur wenige Gehminuten vom „WSHS“ entfernt.

Starke Frauen

Für die Namensgebung von Restaurant und Bar holte man weit aus, zugrunde liegt Inspiration und Würdigung starker Frauen wie etwa Coco Chanel für die „COCO Coffee, Cocktail & Champagne Bar“, sowie die amerikanische Schauspielerin Liz Taylor für das LIZZ Restaurant. Aus der Historie*: „Die reicheren Waisen von Gouda gingen in das Heilige Geestweeshuis, während die ärmeren Waisen in das „Aalmoezenierweeshuis“ geschickt wurden, das von einer Reihe lebhafter Frauen geführt wurde“.

Zu Ehren aller starken Frauen auf der Welt bietet das WSHS jetzt im Herbst ein besonderes Special an: „Woman of the World“.

Frühstück, Lunch-Snack oder Afternoon Tea im Regentensaal. Foto: Uta Petersen
Frühstück, Lunch-Snack oder Afternoon Tea im Regentensaal. Foto: Uta Petersen

Unter den Augen der Regenten des Waisenhauses

Der einstige Regentensaal ist heute der Ort für das erlesene Frühstück, den phantasievollen Afternoon Tea oder einen leichten Lunch-Snack aus der ideenreichen Küche von Sterne-Chef Martijn Kajuiter. Auch hier die stimmige Farbenpracht bei Mobiliar und Leuchten, ergänzt durch überbordende Blütenbouquets in den Vasen. Augenmerk ist sofort das gewaltige schwarz-weiß-Foto eines Gemäldes an der Wand, es zeigt die einstigen Waisenhaus-Regenten mit den Entwürfen für das Torhaus und des neuen Flügels – es ist ein Platzhalter für das Original des Malers Jan Franse Verzijl von 1644, Künstler des Goldenen Zeitalters aus Gouda, der sich auf diesem Kunstwerk sogar selbst porträtiert hat (links hinter dem Vorsitzenden, seinem Schwager Gerrit Jansz ‚t Hart). Im März 2022 wird es vollständig restauriert wieder an seinen angestammten Platz zurückkehren – sicher ein großer Moment!

Die historischen schwarz-weißen Bodenfliesen bedeckt zum Teil ein sondergefertigter Teppich mit unregelmäßigen Kantenschwüngen. Das Prunkstück ist der imposante Kamin. Auch hier die Darstellung zweier Waisenkinder, sie bilden einen Teil der Säulenstützen des hohen Kaminaufbaus – Putten wie die im Sockel finden sich auch als Stuckreste hoch oben unter den Deckenbalken.

Zum Frühstück und zum Afternoon Tea zeigt sich wieder erwähnte Blütenranke, dieses Mal in Form einer Etagere, an der die Teller mit den Köstlichkeiten zu schweben scheinen. Das Noble China Bone von „Bauscher“ zeigt treffliche Graphiken des „WSHS“, einige Teller ziert ein fröhliches „Ou lala“.

Der Innenhof, das Herzstück des WSHS

Von allen Seiten ist der hübsche Innenhof zu betreten, über dessen Pflaster derzeit goldgelbe Blätter wehen – ein Augenschmaus in der Gestaltung. Orte wie dieser Innenhof des Waisenhauses haben vermutlich viel Freud und Leid gesehen.

Aus dem um 1604 entstandenen Stiftungsbuch des „Aalmoezeniershuis“ geht hervor, dass die Anstalt seit 1598 von vier auswärtigen Müttern oder Regentinnen geführt wurde. Das tägliche Management ruhte bei einem Indoor-Vater und einer Indoor-Mutter. 1599 hatte die Anstalt 24 Waisen, bei Ungehorsam oder Nichtfunktionieren war man mit den Strafen nicht zimperlich: „Schwere Verstöße wurden von den Regenten selbst bestraft. Sie trafen sich in dem vornehmen Regentensaal bei Zigarren und Wein, … und sprachen dann „Gerechtigkeit“, zum Beispiel über Annie van den Berg, die sich mit einer erhitzten Stricknadel die Haare kräuseln wollte – sie erhielt drei Monate unter Hausarrest… Radfahren am Sonntag galt als schweres Verbrechen und Willemien Anders, der 1917 dort untergebracht war, erzählte später, dass kleine Mädchen, die immer wieder das Bett nass machten, gezwungen waren, mit dem nassen Laken über dem Kopf im Hof zu stehen.“ (Quelle: Wim Denslagen)

Romantisch, sonnig, lauschig: Der geschlossene Innenhof des WSHS. Foto: WSHS
Romantisch, sonnig, lauschig: Der geschlossene Innenhof des WSHS. Foto: WSHS

Solcherlei Grausamkeiten sind nicht mehr vorstellbar, wenn man umrahmt von den vier Hausflügeln im sonnigen Hof sitzt, auf den rot-weiß-geflochten Gartenmöbeln, in kunterbunten Kissen, auf Schaukelstühlen neben Blumen und unter Palmen – oder vielleicht sogar verliebt mit der/dem Liebsten auf zwei kleinen roten Metallstühlen „Bouche à Bouche“ (von Designer Jean-Charles de Castelbajac – ein überarbeitetes Stuhlmodell von 1900) einen Cocktail aus der COCO-Bar genießt.

Im Relais & Châteaux WEESHUIS Hotel Gouda scheint man angekommen. In warmherziger Gastfreundschaft, luxuriös-legerer Atmosphäre und kulinarischer Überraschungen, da ist die Welt „draußen“ schnell vergessen.

Doch nicht ganz: denn Gouda hat mit der St. Jans-Kirche und ihren einmaligen, prächtigen Glasgemäldefenstern, der „Goudse Waag“ der Käsehändler oder lauschiger Gassen, durch die schon der Denker Erasmus ging wie auch bunte Shoppinggassen jede Menge zu bieten, was das Herz erfreut – Ou lala!

Für die gemütliche Stunde am Kamin steht der Haus-Champagner DE VENOGE bereit. Foto: Uta Petersen

 

Informationen:

Boutique Hotel, www.relaischateaux.com/de/niederlande/weeshuis-gouda 

Leuchten-Design:

DEP (Design Electro Products) www.dep-nederland.nl 

Ein Wort zu den Betten muss sein: TRAUMHAFT!

Sie sind von Coco-MAT, www.coco-mat.com/de 

*Historische Quelle: Wim Denslage:

https://www.dbnl.org/tekst/dens002goud01_01/dens002goud01_01_0021.php

Fotos: Relais & Châteaux WEESHUIS Hotel Gouda, WSHS, Uta Petersen

Teilen: