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Nenagh im County Tipperary (Teil 1)

Der Grund: Bischof Keane wollte eine neue Kathedrale für die heute gerade 8950 Einwohner zählende Kleinstadt im Norden des County Tipperary, im Herzen von Ireland`s Ancient East. Und da traf es sich prächtig, dass dieser Turm schon stand. Er sollte als neuer Glockenturm der Kathedrale dienen. Aber. Bis heute besitzt Nenagh kein solch bombastisches Gotteshaus, obschon oder gerade, weil ringsum eine ganze Reihe von Kirchtürmen in den Himmel ragen.

Und so ist der 2009 bis 2013 aufwändig restaurierte Turm bis heute Menetekel, (begehbares) Wahrzeichen und Haupttouristenattraktion in der Kleinstadt Nenagh, die nur sieben Kilometer vom Lough Derg, dem vom River Shannon gebildeten, 35 km langen drittgrößten See der Grünen Insel entfernt liegt. Folgerichtig bezeichnet sie sich heute als Tor zum Lough Derg, wo sich auch dank des milden Klimas Segler und Wassersportler treffen und auch Wanderer auf dem Lough Derg Trail den Weg in die Natur finden.

In Garrykennedy, einem Dorf am See, existiert sogar ein großes Entenschutzgebiet. Und Urlauber treffen sich dort zu Schmaus und Trank in der sehr familiär geführten Larkins Bar. Denn immerhin sind der Lough Derg und vor allem Nenagh heute auch ein Hotspot für traditionelle irische kulinarische Genüsse. Erst einmal erwartet aber Nenagh selbst etwas Aufmerksamkeit. Da ist, z. B., direkt am Park um den Burgturm, das alte Rathaus, in dem sich nun aber das örtliche Arts Centre mit Ausstellungen und einem kleinen Theater befindet. Das ehemalige Gefängnis von Nenagh wird hörte als Genealogy & Heritage Centre für die vielen Besucher aus Übersee genutzt, die ihre familiären Wurzeln in alten Kirchenbüchern und Stadtchroniken suchen.

Bemerkenswertestes historisches Gebäude ist dann gegenüber dem Arts Centre das alte, ab 2005 restaurierte Court House von 1843. Es entstand nach dem Entwurf von Architekt John B. Keane und erhielt auf seinem Gelände im Jahr 2002 gleich drei bemerkenswerte Bronzestatuen: Sie zeigen die Leichtathleten Matt McGrath, Bob Tisdall und Johnny Hayes, die allesamt mit Nenagh verbunden waren und zudem Olympische Goldmedaillen gewannen. Natürlich ehrt sie auch der örtliche Leichtathletik-Club Nenagh Olympic, aber in Nenagh sind noch mehr Irish Football, Hurling und Rugby heimisch. Schließlich ist man hier im Herzen der Grünen Insel, umzingelt von prosperierender Land- und vor allem Vieh- und Milchwirtschaft, wo als allerwichtigste Mahlzeit immer noch das Full Irish Breakfast gilt. Natürlich gibt es längst zig kulinarische Spezialitäten hier in Nenagh und ringsum zu erwerben. Dafür sorgt u. a. die 32 Mitglieder der rührigen Organisation Tipperary Food Producers. Doch eine Untersektion beschäftigt sich auch 2021/22 noch speziell nur mit dem irischen Frühstück: Die Breakfast Champions von Tipperary!

Am Felsen von Cashel in Tipperary. Foto: Ellen Spielmann
Am Felsen von Cashel in Tipperary. Foto: Ellen Spielmann

Klar: Eigentlich hätte Nenagh schon eine Kathedrale verdient. Denn die Ortsgeschichte zeigt, dass hier schon eine der Keimzellen des irischen Christentums stand. Dafür sorgten vor allem zwei bedeutende Familien: Da waren erst einmal die alteingesessenen irischen Uí Chennétigs, anglisiert die O`Kennedys, die allerdings nach der Normanneninvasion einem gewissen Theobald Walter, dem ältesten Sohn von Hervey Walter of Lancashire Platz machen mussten. Theobald erhielt von Englands King John, dem berühmten Johann Ohneland, den damals sehr hohen höfischen Titel „Chief Butler of Ireland“, „Hauptmundschenk von Irland“ – und so wurde eine der mächtigsten Adelsdynastien auf der Grünen Insel geboren.

Erster Stammsitz der Butlers war tatsächlich der eher noch beschiedene, indes äußerst wehrhafte Rundturm von Nenagh Castle, ehe sich die Adelsfamilie im 14. Jh. mehr und mehr gen Irlands Süden davon machte, Kilkenny Castle erwarb und diese Burg für 500 Jahre zu ihrem Stammsitz machte. Doch ein Familienzweig blieb in Nenagh, erhielt später, im 16. Jh. unter König Heinrich VIII., sogar das volle Marktrecht für Nenagh. Zuvor schon hatte man Anfang des 13. Jh.s, damals noch in Übereinstimmung mit den gerade abgesetzten, aber weiterhin mächtigen O`Kennedys, das heute in Ruinen liegende Kreuzherrenkloster samt Hospital vor den Toren von Nenagh gegründet, samt Fischerei- und Mühlenrechten fortan auch ökonomisch ein Hotspot.

Und 1252 kamen auch noch die Franziskaner, deren Kloster nun ebenfalls Ruine ist. Mit den O`Kennedys gab es dann aber schon ab 1314 Zwist und Hader. Grund war der Schotte Edward Bruce, der Schotten und Iren zum Aufstand gegen Engländer und Normannen verleitete, aber schon 1318 in der Schlacht starb. Dann wurde Nenagh 1347 Opfer eines Stadtbrandes, 1348 sogar der Pest. Und die O`Kennedys revoltierten weiter, so dass einer von ihnen schließlich von einem Butler`schen Strafgericht exekutiert wurde. 1550 brannte Nenagh samt Franziskanerabtei erneut und musste Ende des 17. Jh. nach den Kriegswirren von 1641 bis 1688 komplett neu aufgebaut werden.

Dann wurde Nenagh im 19. Jh. schließlich das prosperierende Marktstädtchen, das eigentlich von Anfang an war und dies auch im Namen trägt: Denn Nenagh heißt im Irischen „Aonach Urmhumhan“ oder schlicht „An tAonach“, was übersetzt „Jahrmarkt/Markt von Ormond“ (irisch: Urmuma) oder kurz „Jahrmarkt/Markt“ bedeutet.


Informationen:

Irland Information/Tourism Ireland, www.ireland.com/de-de 

Fáilte Ireland, www.discoverireland.ie 

Tourism Northern Ireland, https://discovernorthernireland.com

Fotos: Ellen Spielmann