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Interview: Martina Glauberstein, Sommelière (The Wild Duck)

Prägung:

Die Frage nach einer bestimmten Person lässt sich so schwer beantworten. Es gab sicherlich einige Kollegen die mir in Fragen der Sensorik, des Servicegedankens, des Weinwissens oder auch als Menschen eine gern genutzter Inspirationsquell sind. Auch viele Winzer, die mit unterschiedlichen Philosophien und Systemen Jahr für Jahr neue Weine kreieren prägen sicherlich meinen Blick auf die Weinwelt.

Das Was scheint mir hier die bessere Frage zu sein. Schon von klein an kam ich mit der handwerklichen Produktion von Getränken in Berührung und lernte so die Arbeit, die Denkweise als auch den Wert eines fertigen Produktes zu schätzen. Diesen Blickwinkel nutze ich auch beim Kennenlernen von Winzern: ich befasse mich mit deren Philosophie und Denkweisen und versuche deren Emotionen und Begeisterung für ihre Weine nachzuempfinden. Weiterbildungen:

Zum einen nutze ich die Angebote institutionalisieren Wissens wie das WSET Level 4 (internationales Diploma in Wines in englischer Sprache) oder das Förderprogramm für junge, talentierte Sommeliers: Sommelier College/ Sommelier Union. Ein Bestandteil für die Erweiterung des Weinhorizontes darf aber nicht ungenannt bleiben: der Zufall. Es ist einem kaum bewusst wie überraschend schön einige Entdeckungen sind, die man durch unzählige Zufälle macht. Das können Zufallsbegegnungen mit Winzern auf Weinreisen sein, Tipps von Kollegen in einem beiläufigen Gespräch oder Geschichten eines Gastes der von einem Urlaubswein von einem mir noch nicht bekannten Dorf erzählt. Und eine erstmal geweckte Neugierde führt oft zu einer ganzen Reihe wundervoller Entdeckungen. Diese können dann mit einem erarbeitenden Wissensgerüst aus Sommelier Weiterbildungen perfekt erfasst werden.

Kontakt zu Wein:

Bereits in der Kindheit kam ich durch die eigene Familienproduktion (Mosterei) in Berührung mit der Getränkeherstellung aus Äpfeln, Kirschen, Brombeeren etc. Die Weintraube wurde für mich erst im Teenager- Alter interessant, wo man in hier oder dort mal ein Gläschen im Restaurant bestellen konnte. Mein Vater hatte zum Beispiel lange Zeit in der Nähe der Rhön und Würzburg gelebt. Somit aßen wir mittags öfters mal Forelle- Blau im Juliusspital, dazu ein Gläschen Würzburger Stein, oder haben Wanderausflüge durch die Weinberge gemacht.

Später in der Ausbildung zur Restaurantfachfrau wurde das Thema rund um den Wein durch die Berufsschule oder den a la Carte Service im Hotelrestaurantbetrieb professioneller angeschnitten. Ich verfolgte zum Beispiel mit Spannung und Neugierde die kleinen Vorträge für Auszubildende des FNB- Managers über die Klassifizierungen bei Qualitätswein, oder lernte aus Interesse die Regionen der Weingüter aus der Weinkarte auswendig. Das Gefühl ist unbeschreiblich, wenn man dann ein paar Jahre später tatsächlich direkt neben den berühmten Produzenten wohnt, den man einst am Gästetisch zur Seezunge empfohlen hatte (Schlossgut Diel, Burg Layen), oder gemeinsam mit den Winzern durch deren Weinberge geht um anschließend zusammen die Weine aus dem Fass probieren zu dürfen.

Team im The Wild Duck (Hannover): Chefkoch Viet Anh Nguyen, Sommeliere Martina Glauberstein und Restaurantleiter Nico Schubbe. Foto: Carola Faber
Team im The Wild Duck (Hannover): Chefkoch Viet Anh Nguyen, Sommeliere Martina Glauberstein und Restaurantleiter Nico Schubbe. Foto: Carola Faber

Faszination:

Wenn wir von Wein als Lebensmittel und Produkt von Landwirtschaft ausgehen, dann ist es umso faszinierender, wie im Laufe der Geschichte ein ganzer Kosmos an Traditionen, kulturellen Errungenschaften und regionalen Phänomen entstanden ist. Wein hat in der europäisch geprägten Welt einen großen Anteil am gesellschaftlichen Leben und, dank auch seiner Geschichte, eine große ökonomische Bedeutung. Er ist fest in regionalen Alltagstraditionen verankert und prägt das tägliche Leben unzähliger Menschen. Ich liebe es, den Wein mit all seinen Feinheiten und Ausprägungen weltweit zu entdecken und die Neugier auf noch unbekannte Regionen und Gewächse erweckt in mir flammende Begeisterung. Und selbst wenn ich einen Wein oder Winzer sehr gut kenne; ein Jahr später kommt ein neuer Jahrgang auf die Flasche und das Entdecken geht von Neuem los. Diese Begeisterung gilt es auf den Gast zu übertragen.

Lieblingswein:

Die Frage nach einem Lieblingswein könnte erweitert werden mit: und wenn ja, wie viele? Es wäre nicht ehrlich und gerecht nur einen auszuwählen. Ich denke, dass es bei mir die eine oder andere Flasche gibt, die vielleicht mit besonderen Situationen und Emotionen verknüpft ist. Das müssen nicht immer Grand Crus sein. Ich habe zum Beispiel eine Sammelleidenschaft für die für mich bedeutsamen Weine und jedes Mal, wenn ich sie im privaten Weinkeller zu Hause neu sortiere, bringen sie mir ein kleines Schmunzeln ins Gesicht.

Ungewöhnlichster Wein:

Als ich ein Jahr in Italien gelebt habe, verbrachte ich einige Monate davon im Friaul. Diese Region ist besonders mit der antiken, ursprünglichen Kunst des Weinmachens verknüpft und es gibt nahezu in jeder Bar Weißweine, die mit einer längeren Maischegärung oder in Amphoren hergestellt sind. Für die damalige Zeit, war das für mich recht ungewöhnlich. Es wurde allerdings recht schnell zur Gewohnheit und ich entwickelte in dieser Region neues Interessengebiet für solche Weine, und jene, die mit besonders wenig Interventionen hergestellt werden. Für mich sind dies besonders authentische, ungeschönte und ehrliche Weine, und es ist wundervoll mit anzusehen, wenn der Winzer etwa keine synthetischen Chemikalien verwendet oder die Biodiversität in seinen Gärten fördert und somit so wenig wie möglich in die Natur eingreift, um diese so gut es geht zu schützen.

Herausforderungen:

Jeder Arbeitstag steckt voller unerwarteter Herausforderungen. Was außerordentlich bezüglich auf die späten Arbeitszeiten und vielen Arbeitsstunden erscheint, ist in unserer Branche eher eine Norm. Außerdem spricht man in der Gastronomie öfter mal von einem rauen Ton, und absolut kritisch zu sehen sind die manchmal fließend auftretenden Grenzen zwischen Sexismus und Rassismus in einigen Betrieben.

Ungewöhnlichste Bestellung:

Eiswein zum Rinderfilet

Karte:

Aktuell sind es im The Wild Duck etwa 130 Weine. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf biologisch, biodynamisch und Weine, die mit wenig Interventionen hergestellt sind (Naturweine).


Informationen:

www.thewildduck.de

Fotos: Carola Faber