Travel

In der Woiwodschaft Kujawien-Pommern (Teil 2)

Ab 1724 wurde sie nach und nach rekatholisiert, seit 1830 ist sie offiziell wieder römisch-katholische Pfarrkirche und besitzt außergewöhnlichen Schmuck, etwa Wandmalereien von 1380. Daneben erhebt sich das bemerkenswerte Gebäude der alten Hauptpost, auch dies ein perfekt restaurierter architektonischer Schatz wie die dann folgende, nicht minder berühmte Heiliggeistkirche. Und vis-à-vis auch vom Artus-Haus (Altstädter Markt 6) steht dann der heute von bronzenen Fröschen umringte Flößerbrunnen – ein Denkmal für die Flissaken, die historischen Weichselfösser. Denn natürlich kann kein Thorn-Besuch vollständig sein ohne den Abstecher zur Promenade entlang der Weichsel.

Diese wird nun bis 2023 perfekt ausgebaut und sicher zu einem Tourismusmagneten werden. Aktuell nutzen vor allem Ruderer des örtlichen Ruderclubs sowie Kanu-und Kajakfahrer das mächtige, zur Ostsee strebende Fließgewässer. Eine Anlegestelle für Ausflugsschiffe, vor allem aber die knapp 1000 m lange stählerne Józef-Pilsudski-Brücke über die Weichsel dominiert die Aussicht. Sie wurde hier 1928 bis 1934 errichtet – aus Teilen der 1905 – 1909 gebauten Eisenbahnbrücke zwischen Münsterwalde und Marienwerder, die nach dem Ersten Weltkrieg zu Opalenie wurden. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, wurde die Pilsudski-Brücke bis 1950 erneut aufgebaut und wird derzeit restauriert.

Wie durch ein Wunder blieb die Altstadt von Toruń im Zweiten Weltkrieg von gravierenden Zerstörungen verschont. Und so wartet die heute ca. 200.000 Einwohner zählende, sehr alte, indes dank der Universität auch sehr jung wirkende Stadt mit zahllosen weiteren Attraktionen aller Jahrhunderte auf. Da ist erst einmal entlang der Weichselpromenade die guterhaltene mittelalterliche Stadtmauer mit ihren Stadttoren, Bastionen und Speichertürmen – Reminiszenzen an die glorreiche Zeit der Kaufleute in Thorn vom 14. bis ins 17./18. Jh. Zu diesem historischen Inventar gehört auch der „Schiefe Turm von Toruń“ an der Ul. Krzywą Wieżą. Mit ihm verbinden sich auch die Legende um den Stadtnamen „Toruń“: Einst spülte die Weichsel immer mehr Wasser in Richtung dieses Turms, der daraufhin den Fluss anrief: „Weichsel, Weichsel, komme mir nicht zu nah, sonst falle ich noch um!“ Doch der Fluss erwiderte ungerührt: „Dann falle“, was polnisch „To ruń“ heißt.

Denkmal für die Flissaken. Foto: Ellen Spielmann
Denkmal für die Flissaken. Foto: Ellen Spielmann

Nur Schritte entfernt öffnet dort auch das Restaurant „monka“ in einem phantastisch restaurierten gotischen Speicherhaus. Und natürlich wäre ein Besuch der Altstadt nicht vollständig ohne die Visite der Kathedrale St. Johannes des Täufers und des Apostels Johannes (Ul. Żeglarska), die dank ihres Interieurs, der mächtigen Turmuhr und der „Tuba Dei“ („Posaune Gottes“), der zweitgrößten Glocke Polens eine besondere Attraktion ist. Verlorengegangen ist dort indes die „Schöne Madonna von Torun“, eine gotische Marienstatue von 1390 mit Maria und Jesuskind, die von Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs entwendet wurde. 1956 schuf Witold Marciniak eine Kopie, die wie das Original heute auf der Moses-Konsole steht. Vor der Kathedrale befinden sich im Straßenpflaster die Handelszeichen der einst mächtigsten Thorner Handelskaufleute auch von „Grotke van Allen“, dem wohl „Größten von allen“.

Bemerkenswert ist auch, dass sich an noch vielen Hausfassaden die Namen einst deutscher Mitbürger samt ihrer Berufe und Geschäfte erhalten haben. Und natürlich locken die Museen in der Altstadt, darunter auch ein veritables Schokoladenmuseum. Zu entdecken ist aber auch die Bronzefigur einer Eier verkaufenden Marketenderin, ein Geschenk der deutschen Partnerstadt von Toruń, Göttingen. Spannender ist indes die Bronzegedenktafel für den wohl bedeutendsten Rabbiner der Stadt, Rabbi Zwi Hirsch Kalischer (1795 – 1874). Und nie verpassen sollte man das aktuell beliebteste Fotomotiv in der Altstadt, das aus einem Bronzeschirm und dem Bronzehund „Filius“ bestehende Denkmal für den äußerst populären Zeichner und Karikaturisten Zbigniew Lengren (1909 – 2003).

Man sollte den Cosmopolis-Brunnen hinter der Universität und abends außerhalb der Altstadt das beleuchtete Denkmal „Asteroid Toruń“ bestaunen, in der Altstadt das Gildehaus St. Georg entdecken oder das Planetarium besuchen. Und dann, vorbei an der Ruine der Deutschritterburg, die die Altstadt von der nur wenig später im 13. Jh. gegründeten „Neustadt“ trennt, sollte man dort nie die prächtige Jakobskirche versäumen.

Die Backsteingotik-Kirche, 1309 von den Deutschordensrittern gegründet und dann dem Zisterzienserinnenkloster übergeben, bewahrt eine bemerkenswerte, höchst seltene gotische Kruzifix-Variante mit Jesus am Lebensbaum auf. Dessen Zweige umschlingen die Skulpturen der 12 alttestamentarischen Propheten. Hinzu kommen der Altarraum, die Renaissanceorgel und sogar eine Wandmalerei unterm Dach. Sie soll eine Teufelsfratze darstellen.

Kruzifix-Variante mit Jesus am Lebensbaum. Foto: Ellen Spielmann
Kruzifix-Variante mit Jesus am Lebensbaum. Foto: Ellen Spielmann

Was wäre indes die Altstadt ohne das Hotel/Restaurant Karczma Spichrz (Speicher) an der Mostowa (Brückenstraße) 1? Das 2003 eröffnete Hotel im alten schwedischen Speicher von 1719, der auch mal preußische Kaserne war, bietet vier Einzel- und sechs Doppelzimmer sowie Apartments nahebei. Einmalig ist dann das Restaurant mit rustikalem Gasthaus (80 Plätze) im Erdgeschoss, mit Schlemmerstuben, Sommergarten und Terrasse: Hier wird erlesenste traditionelle polnische Küche aufgetischt. Und besonders beliebt sind Wildgerichte! Darf es als Vorspeise Roastbeef mit Pfeffersoße, Kräuterbutter, gegrilltem Gemüse und Kartoffelauflauf mit Butter und Meersalz sein? Oder Lammsattel mit Knoblauchsause, Bohne und Karotte, Perlgraupen mit Kräutern? Jederzeit zu empfehlen sind die Pfannengerichte, etwa Schweinelendchen, oder auch die herzhaften, auf verschiedenste Art gefüllten Piroggen.

Oder favorisieren Sie Hirschtatar mit Waldpilzen, gehackter Rotzwiebel und Senf des Chefs, serviert mit Gebäck, Butter und Eigelb, Entenpastete mit Pflaume, serviert auf Butter-Toastbrot sowie die berühmte Speicher-Blutsuppe mit Kartoffelklößchen? Herrlich sind der Wildbraten, die Bauernroulade oder Gebackene Ente mit Apfel- und Apfelweinsoße! Auch Zander, Wels und sogar Eisbein werden angeboten. Eine Spezialität unter den Mehlspeisen ist neben den gefüllten Piroggen ein Dessert. „Faule Nudeln mit süßer Sahne, Rohrzucker und Zimt“. Oder sollte es doch lieber Baiser mit leichter Mascarpone-Creme und hausgemachter Marmelade sein?

Keine Frage: Toruń biete so viele Attraktionen, dass die Stadt verdient hätte, von weitaus mehr deutschen und internationalen Gästen besucht zu werden. Dies machen derzeit vor allem solche, die einen Stopp auf dem Weg nach Masuren einlegen. Doch der gerade 420 km lange Weg von Berlin in die Metropole von Kujawien-Pommern lohnt auch für alle anderen.


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel 

Touristeninformation Toruń, www.visittorun.com 

Sehenswürdigkeiten in Torun, www.visittorun.pl/233,l2.html 

Fotos: Ellen Spielmann

Teilen: