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In der Woiwodschaft Kujawien-Pommern (Teil 1)

Eine frühere Hinterhofbrache hat sich hier durch tatkräftige Unterstützung der Stadtverwaltung zu einer kleinen Oase der Ruhe und Erholung gewandelt. Hier residiert nun, flankiert von Grünanlagen und der Rückfront die Altstädtische Brauerei Jan Olbracht (Browar Staromiejski Jan Olbracht), dies wohl beste Café der Stadt. Zumindest in einem sind sich alle Stadtbewohner einig: Hier gibt es nicht nur das beste Eis und den besten Kuchen! Auch die Portionen sind riesig. Und die Konditoren sind experimentierfreudig. So kann man zum leckeren Cappuccino auch an Ausgewähltem wie einem riesigen Stück Himbeer-Blaubeer-Spinattorte naschen. Es darf aber auch ein Stück vom favorisierten Käsekuchen mit Beeren oder schlicht die legendäre Obsttorte sein.

Schon 1936 gründete Stanislaw Lenkiewicz eine Bäckerei, die sich natürlich auch einen Namen bei der Herstellung von Thorner Lebkuchen, der berühmtesten der kulinarischen Spezialitäten aus Toruń machte. Ab 1945 ging es dann so richtig los. Das Traditionsunternehmen setzte sich durch, expandierte nach 1989 weiter und eröffnete 2011 sogar eine Cocktailbar am Altstädter Markt 33/34. Und seit dem Aufbau und der Modernisierung der neuen Bäckerei 2015 und 2017 steht das Lenkiewicz unangefochten an der Spitze der Konditoren in Toruń. Und natürlich sollte man im Lenkiewicz auch das Eis probieren. Mindestens 20 Variationen stehen zur Auswahl.

Kuchen im Café Lenkiewicz. Foto: Ellen Spielmann
Kuchen im Café Lenkiewicz. Foto: Ellen Spielmann

Merken sollten sich Toruń-Besucher auch die Altstädtische Brauerei Jan Olbracht. Denn hier wird nicht nur leckeres Bier ausgeschenkt. Das Hausrestaurant bietet zahllose vegetarische oder Fleischgerichte, die von der polnischen wie der bayrischen Küche inspiriert sind. Dafür sorgt Küchenchef Marcin Drazkowski. Serviert wird auf gleich vier Ebenen. Im historischen gotischen Keller werden gleich acht Sorten Bier an mehreren Theken gezapft. Und hier kann man dann auch das „Hypocaustum“, die mittelalterliche zentrale Heizungsanlage, bewundern. Auf der Ebene 0 befindet sich dann das Sudhaus mit den mächtigen Kupferkesseln, der langen Theke und den in riesigen Holzfässern untergebrachten Gästetischen und -bänken. In der ersten Etage befindet sich der sog. Königssaal, geprägt durch die Architektur des 15. Jh.s. Und schließlich eignet sich Ebene 2 auch für Konferenzen oder größere Familientreffen. Unter den Bieren befinden sich auch spektakuläre Exoten wie das Lebkuchen-Bier oder das Bier „Torunska Crème“. Renner ist aber das reguläre Olbracht Pils.

Auch der Altstädter Markt hat rings um das ursprünglich im Stil der Backsteingotik erbaute, im 18. Jh. aber im Barockstil umgebaute riesige Rathaus Kulinarisches der Extraklasse zu bieten. Erst einmal ist aber das auch als Museum genutzte Rathaus selbst mit seinem 40 m hohen, besteigbaren Turm und seinem Engelsschmuck am Haupteingang einen besonderen Blick wert. Es soll übrigens als Vorbild für den Bau des Roten Rathauses in Berlin gedient haben. Vor dem Rathaus steht dann, am Ort des früheren Prangers (einst ein hölzerner Pfahl, an dem Schandurteile vollstreckt wurden), das gewaltige Denkmal für den größten Sohn der Stadt: Nikolaus Kopernikus (1473 – 1543).

Brauerei Jan Olbracht. Foto: Ellen Spielmann
Brauerei Jan Olbracht. Foto: Ellen Spielmann

Gleich gegenüber öffnet Toruńs älteste Kneipe: Die Gospoda datiert auf 1489. Und ebenfalls gegenüber von Kopernikus steht die nachts goldglänzende moderne Bronzeskulptur des „Spanischen Esels“, direkt vor der einstigen Wache der Stadt. Tatsächlich stand hier ab dem 17. Jh. bis 1797 ein hölzerner Esel aus Holz mit Metallzacken auf dem mit Blech ausgekleideten Eselsrücken. Auf diesem wurden eher minderschwere Fälle abgeurteilt, etwa ungehorsame Wächter. War der Fall gravierender, konnten indes Gewichte an die Füße gehängt und so die Qualen verstärkt werden…

Natürlich muss man beim Stadtbesuch unbedingt auch das Kopernikus-Museum besuchen. Es ist in einem alten Hansehaus untergebracht. Denn das 1231 gegründete Toruń war im 14. Jh. auch Mitglied der Hanse. Auch die in das Pflaster der zur Fußgängerzone gewandelten Haupteinkaufstraße eingelassenen Wappen bedeutender Hansestädte künden heute wieder davon. Das Museumsgebäude aus der Zeit des 14. Jh.s und im Stil der Backsteingotik wartet mit seltenen Möbeln wie etwa einem gewaltigen Schrank aus Gdansk (Danzig) und einer authentischen spätmittelalterlichen Küche auf. Es beherbergt auch eine Kopie des berühmten Thorner Portraits von Nikolaus Kopernikus. Das Original hütet das Bezirksmuseum Thorn. Aber auch der Altstädter Markt kann man mit Bedeutendem zum Entdecker des heliozentrischen Weltbildes aufwarten. Denn im 1906 umgebauten „Glasurhaus“ wurde das Astronomie-Genie geboren. Gleich nebenan steht das wohl schönste Haus am Platz, das barocke Haus „Zum Stern“ mit bemerkenswerter Fassade. Es wird nun auch museal für Kunst aus Ostasien genutzt.

Statue von Kopernikus. Foto: Ellen Spielmann
Statue von Kopernikus. Foto: Ellen Spielmann

Auf der gegenüberliegenden Seite des Altstädter Markets öffnet dann wieder eine allererste kulinarische Adresse: Im Restauracja Chleb i Wino (Restaurant Brot und Wein) wird feine süditalienische Küche geboten. Dazu gibt es eine gute und günstige Weinkarte, u.a. mit leckerem Primitivo aus Apulien. Das Haus bietet auch die Vermietung von Apartments an. Aber es gibt auch eine Fülle anderer guter Hotels gerade in und um die Altstadt herum. Andererseits: Diese Adresse (Rynek Staromiejski 22) ist besonders. Denn hier trafen sich Russlands Zar Peter I. (Peter der Große; 1672 – 1725) und August der Starke (1670 – 1733), Kurfürst von Sachsen und als August II. 1697 – 1706 und 1709 – 1733 König von Polen und Großherzog von Litauen, im Jahr 1709 zu üppigen Gelagen. Bereits 1677 nächtigte und speiste hier Maria Kazimiera Sobieska (1641 – 1716), die 1674 – 1696 Polens Königin und Großfürstin von Litauen war. Brot und Wein also vom Feinsten.


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel 

Touristeninformation Toruń, www.visittorun.com 

Sehenswürdigkeiten in Torun, www.visittorun.pl/233,l2.html 

Fotos: Ellen Spielmann

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