Foodie

Im Reich von „Uva“!

Uvas Zuhause ist der Cortile, der beeindruckende Burghof des auf das Jahr 1112 zurückdatierbaren Castello di Vicarello, das man am Ende einer kilometerlangen Schotterstraße erreicht,. Ab dem winzigen Weiler Poggi del Sasso ist die Anfahrt perfekt ausgeschildert. Und dann, als phantastischer erster Eindruck, die einmalige Lage: ein perfekt restauriertes Burgschloss inmitten der bukolischen Hügellandschaft der toskanischen Maremma, in 350 Meter Höhe. Im Hintergrund der Monte Amiata, gen Westen der Blick bis hin zum Tyrrhenischen Meer. Perfekt!

Einsamkeit?

Beata solitudine, sola beatitudine! Glückliche Einsamkeit, einsame Glückseligkeit! Einsamkeit? Nein, ganz so arg ist es nicht! Noch im Städtchen Paganico, am Abzweig von der Schnellstraße Grosseto – Siena, war die große, weite Welt präsent: In der Hauptbar an Paganicos Piazza Vittoria werden sogar die New York Times und die Süddeutsche verkauft. Wir sind also keineswegs „in the middle of nowhere“, eher an einem ganz besonderen, durch seine abgeschiedene Lage ganz besonderen Ort.

Hausdame Michelle, sie arbeitete zuvor einige Jahre höchst erfolgreich am hochalpinen Monte Rosa, empfängt uns am Parkplatz und geleitet uns vorbei am hauseigenen Gemüsegarten, in dem 50 verschiedene Nutzpflanzen und 30 Kräuter gedeihen, die voll und ganz dem neuen Küchenchef Massimilliano Volenterio zur Verfügung stehen, geht es direkt weiter zum Schlosshof, wo eben „Uva“ die Gäste schnuppernd begrüßt.

Nein, reinrassig ist die schneeweiße Hündin nicht, aber eine äußerst attraktive Mischung aus Labrador und Maremma-Schäferhund. Kein Wunder daher, dass jeder Neuankömmling sie umgehend ins Herz schließt. „Uva“, ihr Name bedeutet „Weintraube“, nächtigt hier auch open air, beschützt also die ringsum in den acht Suiten und einer Villa schlafenden Gäste. Klein, fein, überschaubar, elegant, luxuriös und bis ins kleinste Detail mit Liebe und Sorgfalt gestylt und organisiert!

Uva: Mischung aus Labrador und Maremma-Schäferhund. Foto: Ellen Spielmann
Uva: Mischung aus Labrador und Maremma-Schäferhund. Foto: Ellen Spielmann

Geschmackvoll eingerichteten Suiten

Das ist die Arbeit und Handschrift von Aurora und Carlo Baccheschi Berti. Ende der 1980er Jahre erwarb das damals auf Bali und in Mailand lebende Ehepaar die Burgruine des Castello di Vicarello und baute das historische Gemäuer auch mit Hilfe des Landschaftsarchitekten Giuppi Pietromarchi zwölf lange Lebensjahre wieder auf. Es folgten weitere Jahre der Restaurierung und vor allem der Perfektionierung, bis sich die Burg schließlich als luxuriöses Schlosshotel mit ihren, geschmackvoll eingerichteten Suiten, einem exklusiven Wellness-Programm mit Spa, Massage, Yoga, Fitnessabteilung, Infinity Pool und weiterem großem Außen-Pool präsentierte und zudem eine allererste Adresse auch für kulinarische Genüsse der Spitzenklasse entwickelt hatte.

Dafür stehen die abendlichen Dinner auf der Burgterrasse (Ristorante La Terrazza), aber auch Frühstück und Lunch im Burghof. Biologisch sind alle Zutaten sowieso – das waren und sind sie von Anfang an, dafür sorgte Aurora Baccheschi Berti. Sie reüssierte nicht nur als Designerin von Mode, Möbeln und Geschirr, auch als Kochbuchautorin zur toskanischen Küche war sie höchst erfolgreich. Und Küchenchef Massimilliano Volonterio und seine Crew zaubern dann Gerichte, deren Zutaten direkt aus Gemüse- und Küchengarten des Landgutes mit sieben Hektar Weinbergen stammen. Sogar die frischen Eier kommen vom Gut. Wer möchte, darf sie sogar selbst einsammeln.

Weitere Zutaten stammen direkt von lokalen Erzeugern, so dass es nicht verwundert, dass das Castello di Vicarello 2019 sogar Aufnahme in die Golden List des Condé Nast Traveler fand und die Küche weithin prämiert wurde. Am besten startet man den Nachmittag mit einer Master Class, einem dreistündigen Kochkurs im herrlichen Halbrund der perfekt restaurierten Burgküche.

Massimilliano Volonterio führt die Kurse selbst, nicht selten nach historischen und eigenen Rezepten, die Hausherrin Aurora auch im Kochbuch „Meine toskanische Küche“ zusammenstellte. Man kann aber auch einen Lederkurs bei Era Balestrieri belegen, zu einer Reittour aufbrechen, im E-Bike begleitet von Emiliano die Umgebung erkunden oder im Vintage Car, einem Mini Cooper, eine Sprittour etwa nach Montalcino oder ans Meer unternehmen.

Castello di Vicarello: Weinkeller. Foto: Castello di Vicarello
Castello di Vicarello: Weinkeller. Foto: Castello di Vicarello

Danach könnte gegen 18.30 Uhr der Aperitif auf der Burgterrasse folgen. Am besten wählt man aus der opulenten Cocktailkarte einen Klassiker: der Negroni wird sogar in fünf Varianten angeboten. Oder man startet eine Weindegustation der hochprämierten Weine des Castello di Vicarello, die Winzer Brando Baccheschi Berti höchstpersönlich übernimmt. Mit Vater Carlo kümmert sich Brando schon seit einiger Zeit um die Weiterführung und -entwicklung der hochgelobten Weine seines Vaters. Ihm zur Seite stehen die zwei Brüder Neri als neuer CEO des Familienunternehmens sowie Corso, der sich zukünftig um das Hotel kümmern wird.

40 Hektar

Und die drei Brüder haben Großes vor. „Wann, wenn nicht jetzt?“ hätten sie sich, so Brando, gefragt. Und, gesagt getan. Es wird eine neue Cantina (Weinkeller) entstehen, deren Kosten mit 2,5 Mio. Euro veranschlagt sind. Zudem soll die Zahl der Suiten durch den Ausbau der Case Coloniche ringsum auf 15 steigen. Aus dem alten Wachtturm am Gutseingang wird eine Villa mit eigenem Pool, die derzeitige Spa wird durch eine neue ersetzt. Zudem soll die Burgkirche restauriert werden.

Große Pläne stehen also ins Haus – und dann erst die Weinberge des 40 Hektar großen Gutes. Gerne würde Brando die Hektarzahl der Weinberge gern auf zwölf erhöhen, doch noch sträubt sich der mögliche Verkäufer. Mit einem hauseigenen Fiat 500 aus den 1980er Jahren fahren wir mit Brando hinaus zu den dicht bepflanzter Weinbergen (11 000 bis 14 000 Pflanzen pro Hektar!) in drei Lagen. Hier gedeihen Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Petit Verdot, weil diese die klassischen Weine der Toskana veredeln. Zudem wird Sangiovese mit Merlot zu einem Blend vermählt, um eine Neuinterpretation des Terroirs der Maremma zu erreichen. Hinzu kommt neu die Malbec-Rebsorte für den Rosé-Wein. Und die Malbec-Rebe wird weiter ausgebaut und soll die Zukunft sichern. Darauf ist Brando besonders stolz.

Castello di Vicarello. Foto: Castello di Vicarello
Castello di Vicarello. Foto: Castello di Vicarello

Und auch hier veranstaltet Brando seine Degustationen. Am besten startet man mit dem Rosato des Hauses, dem Castello di Vicarello „Santaurora“! Dieses herrliche, majestätische Rosé vereint die frische der Frühlingsblumen mit der Intensität etwa von Thymian und ist eine Top-Empfehlung nicht nur zur Sommerzeit.

Die weiteren Weine sollte man dann zum Dinner genießen, dass manchmal sogar mit grandiosen Überraschungen daher kommt. So schoss bei unserem Aufenthalt einer der drei Brüder einen Damhirsch, der dann abends frisch zubereitet den Gästen als zusätzliches Schmankerl angeboten wurde. Und dazu passen eben auch so hochkomplexe, herausragende Bio-Weine, wie sie Vater Carlo von Beginn an wollte und die etwa vom Decanter schon eine Platinmedaille und 97 von 100 möglichen Punkten erhielten.

Merlot 24 Monate in 225-l-Eichenfässern

Das Dinner bereichern natürlich auch das selbstgebackene Brot (drei Sorten) oder die hier im Hain geernteten Oliven. Warum das Castello di Vicarello längst mehr als ein Geheimtipp und eine hochexklusive Adresse für exklusiven toskanischen Country style-Tourismus ist, zeigen dann die weiteren Gerichte, etwa der herausragende Tartar vom Windschwein oder, grandios, die perfekt von Massimilliano zubereitete Bistecca Fiorentina. Und dazu passen natürlich perfekt die Weine des Hauses.

Da ist erst einmal der neue Poggio Vico 2019 IGT Toscana Rosso, ein reiner Malbec mit 14,5 % Alkoholgehalt, auch er dank Vater Carlo entstanden, indem er Reben der ursprünglich französischen Weinsorte aus dem argentinischen Mendoza importierte. Das Wein-Magazin Falstaff vergab umgehend verdiente 90 Punkte. Dann erfreut der Terre di Vico 2016 IGT Toscana Rosso, ein Blend aus Sangiovese (70 %) und Merlot (30 %) umgehend alle Freunde guter Weine im Bordeaux-Stil. Der Sangiovese reifte 24 Monate im 500-l-Eichenfass, der Merlot 24 Monate in 225-l-Eichenfässern. Sodann reifte der Blend weitere 18 Monate auf der Flasche – und ist 2023 im perfekten Alter. Zurecht wird er leicht höher bewertet.

Poggio Vico 2019. Foto: Ellen Spielmann
Poggio Vico 2019. Foto: Ellen Spielmann

Dann aber sticht der Signature wine und Supertuscan „Castello di Vicarello 2016 IGT Toscana Rosso (45 % Cabernet Franc, 45 % Cabernet Sauvignon, 10 % Petit Verdot) nochmals seine Vorgänger aus. Von diesem Wein werden jährlich nur 1400 bis maximal 2500 Flaschen abgefüllt. Liebhabe müssen sich also sputen, ein Fläschchen zu erwischen. Dieser intensive weine mit Aromen von Gewürzen, Lakritz und Sandelholz reifte zehn bis zwölf Monate in 160-, 225- und 300-l-Fässern aus französischer Eiche und weitere 24 Monate im Glas. Zum Haussortiment zählt zudem noch der elegante, fruchtige Merah. Sein Name bedeutet im Indonesischen „rot“, ist eine Hommage an Bali und eine Huldigung an den Sangiovese.

Keine Frage: Mit diesen komplexen Bio-Weinen der Extraklasse, dem Schlosshotel im feinsten Country Style und der erlesene Bio-Küche unter der Regie von Massimiliano Volonterio zählt das Castello di Vicarello zu dem Top-Adressen der Toskana. Und dann ist da ja auch noch „Uva“, die ihr Reich beschützt.


Informationen:

Weine des Castello di Vicarello: www.castellodivicarellovini.com

Schlosshotel Castello di Vicarello: www.castellodivicarello.com/de
 
Ristorante La Terrazza: www.castellodivicarello.com/de/essen

Fotos: Castello di Vicarello, Ellen Spielmann

Teilen: