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Insel Capraia im Toskanischen Archipel

Klar: Seit je gibt es die Fährverbindung von Livorno, aber erst jetzt sind auch Schiffsverbindungen von San Vincenzo und nun auch von Piombino eingerichtet. Letztere zwei veranstaltet die Fährgesellschaft Acquavision. So geht es im Sommer aktuell nur freitags ab Piombino erst einmal nach Portoferraio auf Elba, dann folgt ein Zwischenstopp an Elbas Nordküste in Marciana Marina, ehe es weiter nach Capraia geht. Nachmittags um 17 Uhr geht es zurück, eine Tagestour, die sich niemand entgehen lassen sollte.

Capraia, die Ziegeninsel, könnte übrigens auch auf das alte mediterrane Wort „Karpa“ (= „Stein“, „Fels“) zurückgehen. Daran erinnert auch das neue, auf Capraia gebraute Craftbeer „Karpa“, das man z. B. im Laden des Hofs Arura an der Via Assunzione 83 an der Hafenpromenade von Capraia-Porto, dem Hafen erhält. Und da die aktuell gerade 383 registrierten Insulaner, im Winter sind es höchstens 200, in letzter Zeit auch prächtig zusammenarbeiten, findet man im Arura-Laden „Aroma e Sapori dell`isola Capraia“ auch viele der anderen neuerdings auf Capraia hergestellten Produkte.

Den Pflanzenreichtum Capraias kann man dann direkt am Hafen an dem hinter der Kirche Santa Maria Assunta beginnenden Percorso Botanico, dem Botanischen Rundweg erleben. Er entstand auf private Eigeninitiative hin und wurde gerade erst 2023 im oberen Abschnitt in Richtung Capraia-Dorf auf zwei Wegvarianten erweitert. Mit Infotafeln ausgeschildert und mit Erläuterungen versehen, verläuft er auf dem alten, in der Antike angelegten Römerweg, der vom Hafen hinauf ins höher gelegene Dorf führt und nun quasi parallel zur einzigen, 800 m langen Asphaltstraße von Capraia verläuft.

Mit der Fähre geht es nach Capraia. Foto: Ellen Spielmann
Mit der Fähre geht es nach Capraia. Foto: Ellen Spielmann

Apropos Asphalt: Bis 2024 erhält Capraia sogar eine zweite Asphaltstraße. Und zwar hinauf zum Piano Santo Stefano, wo seit dem Jahr 2000 die 1999 gegründete Azienda Agricola La Piana versucht, die jahrzehntelang verlassenen Terrassenfelder des Gebiets im Norden Capraias wieder nutzbar zu machen. Denn hier befand sich von 1873 bis 1986 eine landwirtschaftliche Strafkolonie, deren Areal nach ihrer Schließung komplett brach.

Ab 2008 wurden die einst mühsam angelegten Terrassen wieder restauriert, ab 2012 die ersten Vermentino-Rebstöcke für den angestrebten Weinbau gepflanzt. Und heute gediehen hier auch Ansonica, Ciliegolo und Sangiovese. 2015 wurden schließlich jene alten Räumlichkeiten des Ex-Gefängnisses wieder nutzbar gemacht, die einst als Weinkeller dienten.

Und schließlich dienen auch die Stallungen des Ex-Knastes heute wieder für die Aufnahme von 90 Ziegen. Das Weingut La Piana, das sind heute Eros Bollani, Alice Bollani, Giuseppe Gnaccarini, Stefano Teofili, der Önologe Leonardo Conti, Michele, Florin und die Agronomen Stefano und Dario. Und Alice Bollani, für Werbung und Verkauf der Produkte von La Piana zuständig, freut sich über die aktuellen Bauarbeiten an der bislang durch rumplige Betonplatten und Schotter gekennzeichneten Auffahrt zum Gut. „Die 18.000 leeren Weinflaschen, die wir jährlich hier herauf fahren, machen eine schöne Musik (fanno una bella musica)“, ironisiert Alice lachend das bisherige Flaschengeklirre auf den LKW.

Aushängeschild des Biobetriebs ist ohne Zweifel ihr seit einigen Jahren auch von Slow Wine hochprämierte Rosé „Rosa della Piana“, ein IGT Toscana und reiner Aleatico, der 12,5 % Alkoholgehalt aufweist und dessen Trauben im September geerntet wurden. Nach vier Monaten in Stahl und zwei Monaten auf der Flasche passt der 2022er Jahrgang (3000 Flaschen) ideal zu Fisch und Meeresfrüchten, zur Livorneser Fischsuppe Caciucco, zu Gemüseplatten oder zu jenen mit Kräutern wie Nepitella (Bergminze) oder Elicriso (italienische Strohblume) aromatisierten Ricotta- und Käsehäppchen, die Arura zur Verkostung zubereitet hat.

Rebstöcke auf Capraia. Foto: Ellen Spielmann
Rebstöcke auf Capraia. Foto: Ellen Spielmann

Dazu werden herrliche süße und salzige Biscotti gereicht, die Arura ebenfalls selbst backt. Großartig ist auch der „Palmazio“ von La Piana, ein reiner Vermentino Toscana IGT, der mit seinen floralen Noten und seiner Frische brilliert. Sehr gut zur fein geschnittenen, kräftigen Mufflonsalami passt hingegen der „Zenobito“ (70 % Ciliegiolo, 30 % Colorino). Er reifte vier in Stahl, dann zwölf Monate in der Terrakotta-Amphore und schließlich sechs Monate auf der Flasche.

Apropos Zenobito: Schon bei der Anfahrt bestaunen die Gäste des Fährschiffs „Gigierre“ von Acquavision die Südspitze von Capraia, auf der die Ruine der Torre del Zenobito thront. Die Zönobiten, ein Mönchsorden, lebten jahrhundertelang auf Capraia. Der Untergrund hingegen, Basalt, stammt von jener Vulkanexplosion vor acht Millionen Jahren, die zum Entstehen von Capraia führte. Gleich nebenan zeigen die knallroten, von den gelben Blüten der italienischen Strohblume übersäten Felsen an der Cala Rossa an, dass hier vor 4,8 Mio. Jahren ein zweiter Vulkanausbruch stattfand.

Capraia hat kürzlich für nationale und auch EU-Gelder votiert und die Zuschläge bekommen. Und so entsteht nun nicht nur die neue, 2,4 Kilometer lange Asphaltstraße. Auch der alte Klosterkomplex Sant`Antonio in Capraia-Dorf wird restauriert. Hier öffnet demnächst das neue Inselmuseum. Schon vorab wurden in der Kirche Sant`Antonio archäologische Ausstellungen gezeigt. Denn schließlich fand man 2017 im Bereich der höchsten Erhebung von Capraia, dem 447 Meter hohen Monte Castello, sogar steinzeitliche Funde erster menschlicher Besiedelung, die bis ins 2. Jahrtausend vor Christus zurückdatieren.

Und ausgestellt wurde auch schon jene famose antike römische Statue der „Venere di Capraia“, der auch Venere (Vincenzo) Dussol“ genannten „Venus von Capraia“, die sich auf der Insel in Privatbesitz befindet und 2021 erstmals öffentlich vorgestellt wurde. Der Torso der Schönheit wurde Ende des 19. Jh.s am Hafen von Capraia entdeckt und gehörte mal zum Inventar einer antiken römischen Villa aus den Anfängen des 2. Jh.s nach Christus.

Der Hafen der Insel. Foto: Ellen Spielmann
Der Hafen der Insel. Foto: Ellen Spielmann

Überhaupt präsentiert sich Capraia-Dorf mit der schönen Dorfkirche San Nicola mit herrlichen Deckenfresken und einer noch interessanteren Sonnenuhr an der Piazza Milano aufs Angenehmste. Perfekt herausgeputzte Winkel und Gässchen, wo im Mai 2023 mit dem Vitae Ristorante an der Via Lamberto Cibo 30 ein neues Restaurant eröffnete, dessen Betreiber ebenso die Ziele des Nationalparks mittragen wie das ebenfalls im Mai/Juni2023 eröffnete neue La Mandola Eco Hostel an der Via La Mandola. Endlich ist auch das Übernachtungsproblem auf Capraia gelöst.

Denn am Hafen stehen bislang nur eine Herberge (vier Zimmer) und diverse Zimmervermietungen zur Verfügung. Leider ist die alte Burg San Giorgio, hinter dessen Mauern einst die Insulaner Schutz vor Piraten suchen, heute ebenfalls in (englischem) Privatbesitz – allerdings perfekt restauriert. Aber an den Burgmauern kann man noch jene Palmenti, Kelterwannen aus Kalkstein, erkennen, in denen einst Weintrauben gestampft wurden.

Zurück am Hafen ist dann schließlich noch eine Einrichtung von Interesse, die schon regionalweit Aufmerksamkeit erregte. Im Pescinel Capraia, Via Assunzione 64, servieren die deutschstämmige Monika Privitera und Nadia Fardella, Fisch, roh und frisch, wie er gerade aus dem Meer gefangen wurde. Das Capraia-Sushi ist natürlich in aller Munde, wird mit Spumante und Weißwein direkt auf einem an Land gezogenen Bootsrumpf serviert. Es dürfen aber auch Austern, etwa mit Champagner sein.

Und schließlich: Im Oktober und November ist dann jene Zeit, für die Capraia am berühmtesten ist. Dann werden jene „Totani“, Mini-Tintenfische, gefangen und gebraten serviert, für die Gourmets in Italien zig Seemeilenweit schippern! Und dann gibt es auf Capraia auch Polenta mit Mufflon-Ragout. Wer keinen Fisch mag, muss also nicht darben.


Informationen:

Insel Capraia: www.visitcapraia.it, www.prolococapraiaisola.it

Ausflüge: www.isoladicapraia.it, www.visitcapraia.it/lagenzia-viaggi-parco

Percorso Botanico Capraia: www.percorsobotanicocapraia.it

Inselweine: Az. Ag. Biologica La Piana, www.visitcapraia.it/il-vino-della-piana, www.lapianacapraia.it

Capraia-Produkte: www.visitcapraia.it/arura-e-susanna, www.aruraisoladicapraia.it

Capraia, Elba und Parco Nazionale Arcipelago Toscano: www.parcoarcipelago.info, www.islepark.it

Region Toskana: www.visittuscany.com/de

Übernachten auf Capraia:

La Mandola Eco Hostel, www.visitcapraia.it/la-mandola-eco-hostel, www.lamandolacapraia.com

Restaurants auf Capraia:

Vitae Ristorante, www.visitcapraia.it/vitae-ristorante

Pescinel Capraia: www.pescinelcapraia.it

Fotos: Ellen Spielmann

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