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Im Herzen der nordnorwegischen Sami Community

Dass in Guovdageaidnu, dem zentralen Ort der Sami-Ansiedlung von Sápmi, heute die Čoarvemátta, eine Gemeinschaftseinrichtung aus dem Nationalen Sami-Theater Beaivváš, der Sami-Hochschule und der Schule für Rentierherdenhaltung steht, und es dazu noch das Haus des Wissens (Diehtosiida) gibt, das die Sami-Universität und die Abteilung des Sami-Parlaments beherbergt, grenzt an ein Wunder. Doch diese wichtigen kulturellen-politischen Institutionen im Hinterland Nordnorwegen fielen natürlich nicht vom Himmel, sie sind das Ergebnis jahrzehntlangen Aktivismus der Sami. Als in den 1970er Jahren ein Wasserkraftwerk in Alta gebaut werden sollte, ein Staudamm in der Region die Siedlungen der Sami bedrohte, kam es zu massiven Protesten, die sich im ganzen Land ausbreiteten, Hungerstreik vor dem Parlament in Oslo. 

1980 erhielten die Samen Norwegens den Status einer indigenen Bevölkerung, 1989 wurde das Sami-Parlament im benachbarten Karasjok eingeweiht. Der moderne Theaterbau in den ein Museum und Bildungseinrichtungen integriert sind, verfügt über ein Alleinstellungsmerkmal: das Schlachthaus. Konzeptuell entwickelte das norwegisch-amerikanische Architekturbüro Snøhetta (Schneekappe Architektur und Landschaft) das innovative Projekt unter Beteiligung des in Alta geborenen samischen Künstlers Joar Nango. Der Name des Komplexes Čoarvemátta kommt von den samischen Worten “čoarvi” und „mátta”, das bedeutet „Horn-Geweih” und „Huf”, also die stärksten Körperteile des Rentiers. In Vitrinen sind traditionelles Kunsthandwerk (duodji) viele aus Geweih und Huf hergestellt, zu sehen.

Juhls´ Silberschmiede

Als wirklich romanesk entpuppt sich die Geschichte von Juhls´ Silber Galerie am Rande Kautokeinos, die 1957 ihren Anfang nahm, als es den 18-jährigen Dänen Frank und die junge Deutsche Regina in die Tundra der Finnmark verschlug. Zufällig trafen die Aussteiger, der Kopenhagener Künstler und die Schauspielerin, Absolventin des Wiener Max Reinhardtseminars in der Einöde der Sami-Gegend aufeinander und beschließen etwas Sinnvolles aufzubauen: sie lernen Gold- und Silberschmieden, gründen eine Familie, bauen in den 1960er Jahren nach archaischem Leben im Zelt, ein Holzhaus auf einem Hügel umgeben von Moorlandschaft, Seen und sandiger Steppe. 

Seit einigen Jahren führt die heute 53-jährige Tochter Sunniva Juhls´ Gallery, setzt das innovative Projekt ihrer Eltern (der Vater ist inzwischen verstorben) sehr erfolgreich fort mit neuen, eigenen Akzenten etwa der genialen Auswahl skandinavischen Kunsthandwerks. Regina Juhls arbeitet seit Jahren an ihrem großen Vermächtnis, einem wandgroßen Mosaik, das in Teilen die Schöpfungsgeschichte mit Akzenten auf außer-europäischer und weiblicher Geschichte (z.B. Amazonendarstellungen) erzählt.      

Schmuck aus der Silberschmiede. Foto: Ellen Spielmann
Schmuck aus der Silberschmiede. Foto: Ellen Spielmann

Kaffeesatzlesen und Sami-Kosmos

Bei einem Stop-over besuchen wir May Britt von Arctic Urbi in ihrem kleinem Javvu (Sami-Zelt) in Karasjok, dem Zentrum der Sami (im Herbst und Winter nehmen 60.000 Rentiere hier Quartier). Wir lernen von der passionierten Sami-Naturheilkundlerin wie ihre Landsleute die arktische Natur gleichermaßen für Essen und gesundheitliche und medizinische Zwecke nutzen. Kosmetika stellen Sami-frauen aus den Substanzen ausgekochter Hufe, Fett und Mädchentreu als Duftnote her, so entsteht eine ergiebige pflegende Creme für Hände, Wangenknochen und Lippen. 

Motto ihrer Speisen heute ist „Migration und Dunkelheit“: Zu Blau-, Preisel- und Krähenbeerentee mit reichlich Zucker reicht sie Fingerfood: Wraps. Eine Sami-fusion-Küche, denn es gibt Käse, der bei den nomadisch lebenden Sami nicht auf dem Speiseplan steht. 

Mays Nachbar betreibt die erste Käserei in der Region (mit insgesamt 40 Kühen). Es ist ein abenteuerliches Unterfangen, denn die Temperaturen können hier über Monate bis zu -50 Grad erreichen, da muss ordentlich geheizt werden. Wraps mit gebratenem Rentierfettaufstrich in Frischkäse mit Wacholderkräutern und in Weißwein mariniertem Gemüse und mit gebratenem gekochtem und gebratenem Rentierfleisch in Pfefferkäse mit roten Zwiebeln, Rucola und Karotten. Die Füllung der vegetarischen Rolls besteht aus Kräutern, Pilzen, getrockneten Rhabarber- und Beerenblättern und Käse. Frischkäse mit Maulbeeren auf Ritzcrackern und dunkle Schokolade mit Preiselbeeren gibt es zum Dessert. 

Dann gelingt es der Natur-Fee May beim Kaffeesatzlesen die Schicksale der Gäste erheblich durcheinander zu rütteln. Wir ziehen ins nächste geräumige Sami-Zelt zu Marit Gunhild, die über einen reichen Erfahrungsschatz an samischem nomadischen Leben verfügt, und uns mit viel Humor in die duodji (Kunsthandwerk und Handarbeit) und den Sami-Kosmos einführt: Bei minus 50 Grad sei es Zeit die traditionellen mit Gras gefütterten Schuhe durch Fellschuhe zu tauschen. Rentierhirten müssten ihre Mahlzeiten während des Peaks des Herdentriebs im Laufschritt einnehmen: getrocknetes Rentierfleisch im ledernen Beutel ist der Hauptproviant und die Kaffeekanne mit gesalzenem Kaffee darf nicht fehlen.

Marit führt uns ihr Messer vor: Sami-Frauen tragen Messer bei sich, auch um im Fall einbrechenden Eises mit dem schnell gezückten Messer am Rand Halt zu finden, bis Hilfe kommt. Und die kosmologische Vorstellungswelt der Sami? Sami erkennen am Firmament ein Rentier als Sternbild. Wir lernen, dass im Umgang mit Nordlichtern Respekt geboten ist, wer mit den samischen Geistern seinen Schabernack treibt, provoziert, dass die bösen Geister ihn holen. 

Über offenem Feuer bereitet sie uns frisch gefischte Maränen (samisch čuovža) zu: ein Gedicht!

Informationen:

Vis Norway www.visitnorway.com

Thon Hotel www.thonhotels.com/de/hotels/norwegen/kautokeino/thon-hotel-kautokeino

Scandic Hotel www.scandichotels.de/hotelsuche/norwegen/karasjok/scandic-karasjok

Hütte www.jergulastu.no

Glamping www.minaja.no

Silberschmiede www.juhls.no

Skodi Rein www.skodi-rein.no/om-oss/

Fotos: Ellen Spielmann

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