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Gdańsk: „Grassomanie” zum Bier…

Die Macher der Bar hätten kaum ein besseres Motiv auswählen können. Denn Günter Grass wurde nahebei im gleichen Stadtviertel Gdansk-Wrzeszcz, früher deutsch Danzig-Langfuhr, am 16. Oktober 1927 geboren und wuchs in der ul. Lendziona 5 a (deutsch: Kastanienweg) und später in der ul. Lelewela 13 (Labesweg) auf.

Heute gilt die ul. Wajdeloty – verkehrsberuhigt und saniert – als lebendigste Straße im alten Brauerei-Stadtteil Gdansk-Wrzeszcz. Zudem ist sie, nach der Renovierung der meist aus dem 19. Jh. stammenden Bürgerhäuser, neuer Pflasterung der Bürgersteige nun dank Bars, Cafés, Restaurant und vielfach alteingesessenen kleinen Läden auch ein angesagter kulinarischer Hotspot.

Dem war nicht immer so: Noch in den 1990er Jahren galt das ganze Areal hier als sozialer Brennpunkt mit schlichtestem Baubestand der Mietwohnungen. Dies hat sich grundlegend geändert. Und ein Scherflein dazu hat auch Günter Grass beigetragen. Nur wenig entfernt steht das Doppeldenkmal „Günter Grass und Oskar Matzerath“ am Plac Wybickiego, früher der Neumarkt in Danzig-Langfuhr.

Dies Hauptziel aller Grass-Fans in Gdańsk ist eine Bronze-Arbeit nach dem Entwurf von Slawoj Ostrowski, enthüllt 2002. Allerdings wurde damals nur die Statue des kindlichen Blechtrommel-Helden Oskar Matzerath samt der Bank, auf der er sitzt, enthüllt. Die ebenso längst fertiggestellte Statue des sitzenden Günter Grass kam indes erst später hinzu. 2002 hatte Grass seine Zustimmung zur Aufstellung der Statue verweigert, solange nicht erst einmal viel Geld in die Restaurierung des Stadtviertels gesteckt werde. Ergo wanderte die Statue ins Depot.

Statuen von Günter Grass und dem Blechtrommel-Held Oskar Matzerath. Foto: Ellen Spielmann
Statuen von Günter Grass und dem Blechtrommel-Held Oskar Matzerath. Foto: Ellen Spielmann

Erst am 16. Oktober 2015, dem 88. Jahrestag der Geburt von Günter Grass und nach seinem Tod am 13. April 2015, wurde sie schließlich doch noch enthüllt. Die Grass-Statue trägt auf dem Knie des rechten Beins ein offenes Buch mit einer Schnecke darauf, Referenz an den Grass-Roman „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“. Die Statue von Blechtrommel-Protagonist Oskar Matzerath spielt hingegen die Trommel – aber ohne Schlegel! Denn diese wurden ihm seit 2002 wiederholt wohl von Souvenirjägern stibitzt.

Übersehen wird zudem auf dem Platz die goldglänzende Statue „Tanzendes Mädchen mit Schirm“. Sie steht auf einer Steinsäule der Brunies-Podkriefke-Brunnenanlage: eine Referenz an die Hauptfigur Jenny Brunies aus dem Grass-Roman „Hundejahre“ oder auch der Tulla Podkriefke im Grass-Werk „Im Krebsgang“.

Aber zurück zur Bar „Alebrowar“: Sie ist die – nach den Bars in Gdynia und Wroclaw – die bereits dritte Bar der erst 2011 gegründeten kleinen Craft Beer-Brauerei Alebrowar, die im Mai 2012 ihr erstes Bier braute. Danach verzeichnete dies quasi aus dem Nichts entstandene Startup einen märchenhaften Aufstieg, obschon man erst 2017 eigene Brauereiräume 60 km von Gdansk entfernt fand.

Heute werden 150 verschiedene Biere und exportiert ins Ausland, vor allem auch nach Berlin. Gut, dass Gäste hier erst einmal einige der angebotenen Biere als Degustation verkosten können, ehe man zu größeren Bestellungen übergeht.

Den Anfang macht das allererste gebraute Bier, „Lady Blanche“, ein sehr gutes Weizenbier mit Koriander und Orange, 4,5 % Alkohol und 12 % Stammwürze. Ihm folgt das ebenfalls seit 2012 im Standardumfang von je 7000 Litern gebraute „Rowing Jack“, ein sehr schmackhaft bitteres IPA (Indian Ale Pale) mit 6,2 % Alkohol und 10 % Stammwürze. Ein vortreffliches echtes Pils ist dann der „Baltycki Dziad“ („Baltischer Lump“) mit 4,8 % Alkohol und 12 % Stammwürze. Ein Dunkles Bier (6,2 % Alk., 16 % Stammwürze) ist dann das „Smoky Joe“, ehe dann mit dem „Saint Nomore 2021“ (6,2 % Alk., 16 % Stammwürze) ein Single Hop folgt.

Flüssige kunterbunte Kulinarik in der „Alebrowar“. Foto: Ellen Spielmann
Flüssige kunterbunte Kulinarik in der „Alebrowar“. Foto: Ellen Spielmann

Eine tiefe Verbeugung vor der traditionellen Berliner Weißen ist dann das beliebte „Herr Axolotl“ (8,8 % ‚Alk., 24 % Stammwürze. Clou im Angebot sind dann zwei „Bier-Essenzen“: Da ist das „Yankee Monk“, ein belgisches Starkbier mit satten 21,4 % Alkoholgehalt. Ein Fläschchen (0,25 l) dieser Komposition kostet ebenso 60 Zloty wie der American Barley Wine „Hard Bride“. Aktuell angesagtester Gerstensaft ist schließlich das „El Fruto“, ein Mangobier und Double IPA (8 % Alk., 20 5 Stammwürze).

Der Standort der Bar ist exzellent gewählt, da hier in Gdansk-Wrzeszcz einst das herz des Danziger Brauereiwesens schlug. Ein Wandbild von 2016 an der ul. Białej erinnert an die Brauerei Gdansk (Browar Gdanski we Wrzeszczu) und zeigt sie im Jahr 1873, als sie die Danziger Aktien-Brauerei im Stadtteil Danzig-Langfuhr war. Heute sind Teile der Brauerei durch schmucke Neubauten ersetzt, Aber ein modernes Brauerei-Restaurant mit Bar und Terrasse lädt zum Verweilen ein. Auch das Einkaufszentrum an der S-Bahnstation bietet kulinarische Genüsse.

Und natürlich kann man Günter Grass auch an weiteren Orten in Gdansk erleben: Die Städtischen Galerien veranstalten das jährliche Festival „Grassomania“ und ihre Galerie „4G“ (Gdańska Galeria Güntera Grassa; Danziger-Günter-Grass-Galerie) sowie das bis Ende 2023 zum Kulturzentrum umgebaute das „Dom Daniela Chodowieckiego i Güntera Grassa“ (DChiG; Daniel-Chodowiecki-und-Günter-Grass-Haus) widmen sich ihm. Und vor dem „4G“ steht die Grass-Skulptur „Butt im Griff“.


Informationen:

Polnisches Fremdenverkehrsamt: www.polen.travel

PROT, Informationszentrum: www.pomorskie.travel/en

Europäische Route der Backsteingotik: www.eurob.org

Tourismus Gdańsk: www.visitgdansk.com/de

Bar Alebrowar: www.alebrowar.pl/nasze-lokale/bar-alebrowar-gdansk

Fotos: Ellen Spielmann

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