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Mythos Absinth: Legendär und sehr berüchtigt

Und die geht so: Im 18. Jahrhundert erstmals gebrannt, war es zunächst vollkommen legal, ihn herzustellen. Doch dann wurde er verboten – 1910 zum Beispiel in der Schweiz, 1914 in Frankreich – weil er angeblich giftig sei, blind und verrückt mache. Bis er, ja bis er schließlich 2005 in der Alpenrepublik dann doch wieder legalisiert wurde, viel später übrigens als anderswo in Europa.

Doch wer die eigenwilligen Brenner im Travers-Tal kennenlernt, ahnt, dass sie sich durch Restriktionen von oben nur schwerlich abhalten lassen, das zu tun, was sie schon immer getan haben. Sie produzierten ihren Absinth fröhlich illegal weiter, 95 Jahre lang, weitestgehend unbehelligt von den Behörden. Claude-Alain Bugnon, der heute hochoffiziell die Brennerei Artemisia führt, gehörte zu diesen unbeugsamen Schwarzbrennern, wie er verschmitzt grinsend erzählt. Denn der Absatz florierte weiterhin.

Kräuter für Absinth. Foto: Kirsten Lehmhuhl
Kräuter für Absinth. Foto: Kirsten Lehmhuhl

Wie aus Absinth „Jura-Milch“ wurde

Dabei half ein kleiner Trick. Man bestellte in der Wirtschaft keinen Absinth mehr, sondern „Jura-Milch“. Der Absinth verfärbt sich unter Zugabe von Wasser – ähnlich wie bei Pernod und Pastis – milchig hell. Übrigens war es ein Herr Pernod, der als einer der ersten in der Westschweiz Absinth brannte, bevor er die Rezeptur veränderte und sein Pernod zum Kultgetränk in Frankreich wurde.

Grüne Fee mit Bitternote

„Absinth ist kein Schnaps“, erklärt Claude-Alain Bugnon, „sondern ein Appetitmacher, ein Aperitif!“ Und doch haben es die Getränke mit der Bitternote ganz schön in sich. Denn sie bringen Alkoholgehalte zwischen 53 und 72 Volumen-Prozent ins Glas. Und mag jeder Brenner auch sein eigenes Rezept haben, etwas ist doch immer gleich: Verschiedene Kräuter der Region bestimmen den Geschmack, allen voran Wermut, aber auch Fenchel, Anis, Zitronenmelisse, Sternanis, Süßholz, Pfefferminze und Ysop, das Eisenkraut.

Absinth richtig serviert. Foto: Kirsten Lehmhuhl
Absinth richtig serviert. Foto: Kirsten Lehmhuhl

Verkostung beim ehemaligen Schwarzbrenner

Bugnon bietet Verkostungen seiner eigenen sechs Absinths an – und es lohnt sich, bei ihm vorbeizuschauen: Er zelebriert den Genuss der Spirituose, darunter auch der berühmten Sorte „Grüne Fee“, die ihre Färbung nicht etwa durch künstlichen Farbstoff, sondern durch das Chlorophyll der Kräuter bekommt. Es macht Spaß, seinen augenzwinkernd erzählten, abenteuerlichen Geschichten aus Zeiten der Schwarzbrennerei zu lauschen.

180 Liter destilliert er pro Tag – als einer von etwa 30 Produzenten allein im Val de Travers. Und einen Insider-Tipp gibt er dann auch noch preis: „Einen Schuss Absinth morgens in den Kaffee: tipptopp. Und mittags zum Dessert: tipptopp“, sagt der leidenschaftliche Brenner und zeigt sein breites Lächeln. Und bevor es jetzt jemandem den Atem verschlägt: Absinth gibt es mittlerweile auch in der alkoholfreien Version. Und die wunderschöne Areuse-Schlucht liegt für einen langen Spaziergang in der Nähe. Für alle Fälle…

Die Areuse-Schlucht im Jura. Foto: Kirsten Lehmhuhl
Die Areuse-Schlucht im Jura. Foto: Kirsten Lehmhuhl

Informationen:

Absinth-Destillerie Artemisia, Couvet: www.absinthe-swisse.com

Allgemeine Infos zur Region: www.j3l.ch

Fotos: Switzerland Tourism Andre Meier, Kirsten Lehmhuhl