Etwa 50 Millionen Euro sollen in die Restaurierung des Herzstücks Posens geflossen sein. Der rechteckige Marktplatz, angelegt wie ein Schachbrett – mit rechtwinkelig verlaufenden Straßen – wurde 1253 von Przemyst I und Bolestaw, dem Tapferen am linken Ufer der Warthe errichtet. Nun sind das historische Pflaster und die Gehwegplatten wieder komplett, nachdem das für die Zukunft wichtigste, die unterirdische Infrastruktur durch den Bau großer Zisternen modernisiert und erneuert wurden.
Auch die städtische Galerie „Arsenal“, die 1962 als modernistisches Gebäude anstelle des im Zweiten Weltkriegs zerstörten Arsenals gebaut wurde, ist restauriert und fit für Multimediapräsentationen. In der kleinen Gasse ul. Jana Baptysty Quadro zwischen Galerie und dem Armeemuseum ist eine luftige glasüberdachte „Kulturpassage“ entstanden, die idealen Raum bietet für Kunstinstallationen.
Die gotischen Gewölbe im Rathaus
Doch der neue Stary Rynek wartet mit einem absolut neuen Highlight auf: Die gotischen Gewölbe des Rathauses (16. Jh.), das mit seiner atemberaubenden Fassade – mit den allegorischen Darstellungen der Tugenden (unten) und den Helden der Antike (oben) sowie Weisheiten von Pythagoras und Diokletan auf Latein -, zu den architektonischen Schmuckstücken des Marktplatzes zählt. Die alten restaurierten Gewölbe unter dem alten Markt sind erstmals seit Jahrzehnten zu begehen. In dreijähriger Arbeit wurden historische Funde aus der Gotik, dem ältesten Teil des Gebäudes konserviert und mit Artefakten aus der Sammlung des Nationalmuseums Poznańs kombiniert, die nun unterirdisch in einer imposanten neuen Ausstellung zu sehen sind: Zum Beispiel die erratischen Steinblöcke in den Gewölben des ehemaligen Waffenarsenals samt originaler eiserner Tür aus dem 15. Jh. oder die fensterlose Folterkammer, die auf das Jahr 1583 zurück geht. Hier ist der Pranger, eine achteckige Säule aus schwarz angemaltem Sandstein aufgestellt, der 1535 vor dem Rathaus errichtet wurde.
In der Rathaushalle ist oben im Gewölbe der einzig erhaltene Schlussstein zu bewundern. Er stellt einen heraldischen Löwen dar, der seinen Kopf auf die Hinterpfoten legt und mit der charakteristischer doppelten Schwanzquaste ausgestattet ist, sein Haupt trägt eine Krone. Eine Madonnenfigur mit Kind (1520) aus dem Górka-Palast, Kapitelle in Form menschlicher Köpfe (13 Jh.), Fragmente von Fensterrosetten aus der Kathedrale, die Grabsteinplatte des Domdekan Thedoryk Pradels (um 1383) sind ausgestellt, sie erzählen zusammen mit Fundstücken archäologischer Ausgrabungen, Alltagsgegenständen, Schmuck, Kleidung die Stadtgeschichte bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. „Poznań vor Quadro“ ist der Titel der Schau in den gotischen Gewölben, denn es geht um die Geschichte der Stadt bevor der italienische Architekt Giovanni Batista di Quadro nach Poznań kam und 1550 begann das Rathaus im Stil der Renaissance zu rekonstruieren. Dieser (oberirdische) Teil des Rathauses mit der berühmten Großen Halle des Renaissance-Gewölbes wird gerade in einem neuen, ebenfalls sehr ambitiösen Projekt restauriert und bleibt vorerst geschlossen.
Der alte Markt: Museen und Kulinarik
Neben den neuen sind die bekannten Highlights auf dem weitläufigen Alten Markt anzuschauen, die Posener Geschichte erzählen. Die reichen Bürgerhäuser und schmalen bunten Giebelbauten der Krämer am Platz, die ebenfalls von dem Tessiner Baumeisters Giovani Battista di Quadro geplant wurden. Ihn ehrt eine Fassadenstatue an der Platzecke. Hinter dem Rathaus steht die Bronzestatue der „Bamberka“. Die zwei Wassereimer schleppende „Bambergerin“ in traditionellem Gewand erinnert an die Einwanderer, die mit Ende des Nordischen Krieges (um 1720) aus Bamberg und Umgebung nach Posen gezogenen Katholiken. Sie konnten sich leicht ins Posener Leben integrieren.
Im Restaurant „Bamberka“ steht traditionell regionale, polnische Küche auf dem Programm. Am Marktplatz an der Ecke Stary Rynek 84 liegt das kleine schmucke Muzeum Literackie Henryka Sienkiewicza (Literaturmuseum Henrik Sinkiewicz). Es widmet sich dem polnischen Schriftsteller, der 1905 mit dem Literaturnobelpreis gekürt wurde. Überaus sehenswert ist das Musikinstrumentenmuseum am Stary Rynek 45, das in drei Bürgerhäusern des 16. bis 19. Jh. untergebracht ist.
Die Zweigstelle des Posener Nationalmuseum gründet sich auf eine Privatsammlung, die erstmals 1949 öffentlich ausgestellt wurde. In 19 Ausstellungsräumen sind historische Instrumente zu sehen: Violinen aus den Werkstätten der polnischen Geigenbauerfamilien Groblicz und Dankwart, transportierbare Orgeln aus dem 16. und 17. Jahrhundert, Harfen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Tasteninstrumente aus dem 18. bis 20. Jahrhundert, Posaunen aus dem 18. Jahrhundert und kuriose Spieldosen und Musikautomaten, aber auch außereuropäische Volksinstrumente, zum Beispiel die afro-brasilianische Berimbau, ein Saiten- Perkussionsinstrument.
Gleich ums Eck (Stary Rynek 41) im ersten Stockwerk eines Bürgerhauses im Renaissancestil präsentiert das Martinshörnchen-Museum Poznań (Rogalowe Muzeum Poznańia) die die über 150-jährige Geschichte der süßen Spezialität der Stadt. Um das Martinshörnchen – ein Croissant mit Weißmohnfüllung – gibt es Streit. Es geht um die Zutaten: muss es Butter sein, wie die strengen Regeln der Tradition es fordern oder darf auch Margarine verwendet werden, wie viele Bäcker fordern? Auf der schönen Terrasse direkt am Platz lädt das Restauracja „Vis a Vis Koziolków“ (Stary Rynek 40) zu Café und gediegenen Speisen ein mit Blick auf Hauptfassade des Alten Rathauses, die dreistöckige Loggia sowie die drei Türme. Aus dem Hauptturm über der Uhr erscheinen 12 Uhr mittags zum Glockenschlag die bemalten, metallenen Ziegenböcke (Wahrzeichen Poznańs), sie stoßen 12-mal mit ihren Hörnern gegeneinander.
Zwei Restaurants am Alten Markt stehen hoch im Kurs. Da ist einmal die Brovaria (Brauerei), Stary Rynek 73 – 74, mit Küchenchef Jaroslaw Baczyk. Restaurant, Cocktail Bar und Mikro-Brauerei sind in zwei historischen Wohnhäusern untergebracht. Beeindruckend große Räume und multiple Funktionen und verschiedene Nutzungsmöglichkeiten waren typisch für die Bürgerhäuser am Alten Markt und diese Tradition setzt die Brovaria fort, denn schließlich gab es früher in Poznańs Altstadt an die hundert Brauereien.
In der großen Kneipe mit den hohen Ziegelsteindecken und -wänden sorgen die Biermetalltanks für eine modern zünftige Atmosphäre. „Für uns ist das Brovaria in erster Linie Bier und Schweinshaxe“, lautet die Selbstbeschreibung. Drei verschiedene Biere, Pils, Weizen und Honigbier, sind im Angebot und saisonal werden Biere (Ale, Maibock) in limitierter Ausgabe produziert, ausgeschenkt und verkauft. Brovarias Craft-Biere haben im internationalen Wettbewerb schon viele Preise eingeheimst. In den kleineren intimeren Räumen des Restaurants serviert Küchenchef Jaroslaw Baczyk feine Speisen (Rinder-Tartar, Rinder-Carpaccio, Rippchen, Steaks, Ente, dazu verschiedenste Salate, Pommes Fritte, selbstgebackenes Brot) und gute Weine, aber es bleibt bewusst fleischbetont.
Und dann ist da das Ratuszova (ul. Stary Rynek), es gilt mit Küchenchef Adam Szefler zu den Top-Restaurants am Alten Markt mit schöner Aussicht auf die Brunnen, den Pranger und das Rathaus. Hier gibt es polnische, regionale Küche vom Feinsten: Czernina, die traditionelle süß-saure Entenblut-Suppe mit hausgemachten Nudeln, gebratene Ente mit Äpfeln und Wildbret. Frischste Zutaten, höchste Qualität der köstlichen Speisen in einem eleganten Ambiente nebst bestem Service lassen den Besuch im Ratuszova zu einem überaus erfreulichen Erlebnis werden.
Informationen:
Info Poznań (Posen): www.poznan.travel/de
Polnisches Fremdenverkehrsamt: www.polen.travel/de
Essen:
Restauracja „Bamberka“(„Bamber Restaurant“), www.bamberka.com.pl
Rest. „Brovaria“, www.brovaria.pl
Rest. „Ratuszova“, www.ratuszova.pl
Restauracja „Vis a Vis Koziolków“, www.visaviskoziolkow.pl
Attraktionen:
Poznań Museum (Stadtmuseum im Rathaus, gotisches Gewölbe), www.mnp.art.pl
Muzeum Literackie Henryka Sienkiewicza, www.bracz.edu.pl/muzea/muzeum-literackie-henryka-sienkiewicza
Muzeum Instrumentow Muzycznych, www. mnp.art.pl/ muzeum-instrumentow-muzycznych
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