Im Süden gelegen, zählt Arquà, das den Zusatznamen Petrarca erst 1870 erhielt, zudem zu den schönsten Dörfern Italiens. Arquà Petrarca teilt sich in einen oberen und einen unteren Ortsteil. Idealerweise startet man oben an der Piazzetta San Marco mit der 2003 Loggia dei Vicari. Unter den Arkaden der Loggia aus dem 13./14. Jh. am Dreifaltigkeits-Oratorium Santissima Trinità und der Casa die Vicari, dem Haus der Vikare, versammelte einst der Vikar mit Glockengeläut die Honoratioren der Stadt und Deputierten der Dörfer.
Talwärts beeindruckt Arquà Petrarca mit seinen mit Blumen und Balkonen geschmückten Häusern und dem Straßenpflaster aus Trachyt. Mit diesem harten Gestein aus dem Euganeischen Hügeln ist auch die Piazza San Marco in Venedig bedeckt. Auffällig sind die vielen Bäume, allen voran eine Baumart, die man hier gar nicht vermuten würde: Es sind chinesische Jujube-Bäume, auch chinesische Dattel, Rote Dattel oder Roter Brustbeerbaum genannt. Im Italienischen heißen seine Früchte „giuggiole“, im Singular „giuggola“, der Baum „giuggolo“, lateinisch „Ziziphus jujuba“.
„Brustbeerensuppe“
An der Via Valleselle, die wir hinab schlendern, um zu einer anderen Großattraktion von Arquà Petrarca stehen eine Reihe dieser im Mai/Juni blühenden, von August bis Oktober Früchte tragenden Bäume. Auch gegenüber der Hausnummer Elf, der Enoteca da Loris. Sie existiert schon seit über 50 Jahren und wird aktuell von Laura Bonello geführt.
Hier sind alle typischen Spezialitäten von Arquà Petrarca im Angebot, allen voran aber die berühmteste der Brodo di Giuggiole, auch Brodo di Arquà Petrarca genannt. Übersetzen kann man diese Einmaligkeit mit „Brustbeerensuppe“ oder „Suppe von Arquà Petrarca“. Doch gemeint ist ein Likör!
Jujube-Baum
Glaubt man den Einheimischen, besitzt jede Familie im Dorf einen Jujube-Baum. Wie diese exotische Art hierher kam, ist ungewiss. Schon die Römer brachten vor 2000 Jahren erste Exemplare nach Italien. Dann sorgten die Venezianer später für ihren Anbau in Dalmatien und in ihrem Hinterhof auf der Terra Ferma, ihrem Festland-Hinterland, den Euganeischen Hügeln. Früher sammelten alle Bauernfamilien ringsum die reifen Früchte und legten sie mit andern Früchten in eine Keramikvase ein, wo dann nach und nach ein süßer likörähnlicher Saft entstand.
Dann aber kamen jene Jahre Mitte des 20. Jahrhunderts, als mehr und mehr Dörfler daran dachten, die Bäume abzuholzen. Dies verhinderte indes Giuseppe Callegaro, Spitzname Bepi Scarpon, der zig Jujube-Bäume rettete und sie auch auf Weinberge setzte, wo sich der Ertrag prompt erhöhte. In den 1990er Jahren gründete dann Sohn Giancarlo die örtliche Azienda Agricola Scarpon und setze die Arbeit des Vaters fort.
Und natürlich kann man heute den Likör online bei der Az. Ag. Scarpon, aber besser noch bei Laura Bonello erwerben. Sie bietet sogar Degustationen an und jedem Gast erst einmal ein kleines Gläschen dieses Likörs an. Und sie kennt natürlich das lokale Sprichwort „Andare in Brodo di Giuggole“, wörtlich in etwa „in Brustbeersuppe eintauchen bzw. baden“, meint nichts andere als „in Jauchzen vor Freude ausbrechen“. Dass dies klappt, dafür sorgt nicht nur der gute Geschmack, sondern auch 24 % Alkoholgehalt.
Zusätzliche Varianten zum Jujube-Likör
Heute gibt es zig zusätzliche Varianten zum Jujube-Likör. Es gibt Jujube-Bier, Jujube-Spritz („Spritz Euganeo“, „der mit der Giuggola“), Jujube-Nasch- und Backwerk, Jujube-Pralinen, Jujube-Honig, Jujube-Konfitüre und Jujube-Konfekt. Zudem produziert die Azienda Agricola Scarpon auch hervorragendes Olivenöl.
Nur wenige Schritte weiter steht dann an der Via Valleselle 4 mit der Casa Petrarca die Topattraktion. Francesco Il Vecchio da Carrara schenkte 1369 dies Haus samt Garten seinem Freund, Italiens Dichterfürsten Francesco Petrarca, den dieser als Alterssitz nutzte und wo er auch 1374 verstarb. Im Garten baute der Dichter Wein, Äpfel und Gewürze an, von Jujube wurde nichts bekannt.
Wein allerdings war Petrarca nicht abgeneigt – allerdings trank er ihn nur „moderat“. Das Haus bewohnte er im Erdgeschoß, die Dienerschaft wohnte, ungewöhnlich, oben. Das heutige Haus geht allerdings nicht auf ihn, sondern auf den Adligen Paolo Valdezocco zurück, der hier 1546 – 1556 wohnte und das obere Stockwerk mit Fresken mit Motiven aus Petrarcas Werken „Canzoniere“, „Trionfi“ und „Africa“ ausmalen ließ. Ob Sessel und Bücherschrank tatsächlich Petrarca gehörten, ist nicht mehr gewiss.
Ehe es auf der Via Jacopo d`Arquà talwärts in den unteren Ortsteil Arquà Petrarca di Sotto geht, entdeckt man an Hauswänden einige Wandmalereien, die stark denen von Megastar Banksy ähneln. Doch hier war der italienische Street artist „Alessio-B“ aktiv. Weitere Läden mit Giuggole-Verkauf wie die Enoteca folgen. Mit Quota 101 Bed & Wine ist dann an der Via Jacopo d`Arquà auch ein Winzer der Weinstraße Euganeische Hügel mit einem Weinladen vertreten. Hier bietet Roberto Gardina, der neue Präsident der Weinstraße, die Weine seiner Azienda Agricola Torreglia Quota 101 an. Dazu werden auch Appartements für Übernachtungen vermietet.
Es folgt die große, mit Trachytplatten bedeckte Dorfpiazza im unteren Arquà Petrarca. Hier steht, direkt vor der ab 1026 erbauten, 1926 neoromanisch restaurierten Dorfkirche Santa Maria Assunta das Grabmal von Petrarca. Der Platz war früher der Dorffriedhof, nur Petrarcas nach antikem römischem Vorbild geschaffener Sarkophag mit zwei Inschriften blieb erhalten. In jedem Fall lohnend ist auch der Besuch der Kirche Santa Maria Assunta, wo bei Restaurierungsarbeiten zahlreiche Fresken aus dem 13. Bis 15. Jh. freigelegt wurden.
Informationen:
Strada del Vino Colli Euganei: www.stradadelvinocollieuganei.it/en
Jujube-Produkte:
Enoteca da Loris, www.collieuganei.it/enoteche/enoteca-da-loris
Azienda Agricola Scarpon, www.scarpon.it, www.brododiarquapetrarca.it, www.brodogiuggiole.it
Wein:
Quota 101 Bed & Wine, www.quota101.com/bed-wine
Fotos: Jürgen Sorges