Natürlich hätte man Mr. Cluer mit den Flaschen im Gepäck auch einfach ein paar Mal zwischen Doha und London hin- und herfliegen lassen können oder – wie Singapore Airlines es macht – Verkostungen in einer Druckkammer organisieren, die die Druckverhältnisse im Flug simuliert. Aber hey, der Kilimanjaro bietet da schon deutlich mehr Atmosphäre und sorgt definitiv für stimmungsvollere Fotos.
Doch hinter solch aufwändigen PR-Aktionen steckt tatsächlich ein klassisches Luxusproblem. Während es die in der Eco servierten Fruchtbomben dank plakativer Primäraromen nämlich selbst im Flieger relativ leicht haben zu beeindrucken – zumindest auf den ersten Schluck – tun sich große, elegante Weine in luftigen Höhen mitunter schwer ihr volles Potenzial zu entfalten. Also ausgerechnet jene Tropfen, mit denen eine Airline zahlungskräftige Klientel in ihre Business und First Class Kabinen locken will. Wenn man es genau nimmt, ändert sich allerdings nicht der Wein, sondern unsere Sinnesorgane verlieren bei deutlich reduziertem Luftdruck und extrem trockener Luft schlicht zunehmend die Fähigkeit zu differenzieren und komplexere Aromen wahrzunehmen. Prestige-Champagner schneiden deshalb am Himmel noch am besten ab, denn die Bläschen helfen unseren Sinnesorganen wieder ein wenig auf die Sprünge.
Außerdem werden sie ja oft schon am Boden serviert. Deshalb rücken viele Airlines im Marketing auch gerne den an Bord ausgeschenkten Schaumwein in den Mittelpunkt. So geisterte zuletzt der Deal von Emirates mit Dom Pérignon oder ein Exklusivvertrag von Singapore Airlines mit Roederer Cristal durch die Presse, während man bei Qatar in der Frist Class u.a. auf die Grande Cuvée von Krug setzt. Das Kürzel „u.a.“ ist hier besonders wichtig, denn eines von Qatars Alleinstellungsmerkmalen im Premium-Bordservice ist es, den Gästen nicht nur ein prestigeträchtiges Label anzubieten, sondern eine größere Auswahl. So kann man als Alternative z.B. auch einen Armand de Brignac wählen. Zumindest wenn man eher zur Bling-Bling- als zur Connaisseur-Fraktion gehört. Doch dazu später mehr.
Mit der Weinjournalistin und Verkostungsexpertin Anne Krebiehl, die seit 2014 ihren Master of Wine Titel in der Tasche hat, zeichnet nun künftig eine Deutsche für die Weinselektion bei Qatar Airways verantwortlich. Gott sei Dank hat sich die Airline für Annes offizielles Debüt allerdings eine etwas weniger abgelegene Location ausgesucht als den höchsten Gipfel Afrikas. Namentlich Alex Dillings mit 2-Michelin-Sternen geadeltes Restaurant Café Royal auf der Beletage des gleichnamigen Luxushotels unweit von Londons Piccadilly Circus. Schließlich hat man bei Qatar einen Ruf zu verteidigen, wurde die Fluggesellschaft von Skytraxx dieses Jahr doch zum wiederholten Male zur besten Airline der Welt gekürt.
Außerdem gehört die Fluggesellschaft zur renommierten oneworld-Alliance, die sich rühmen darf, die seit 1985 vom Magazin Business Traveller ausgelobten Cellars in the Sky Awards in der Kategorie beste Alliance die letzten 13 Jahre durchweg gewonnen zu haben. Ein Erfolg, an dem Qatar Airways Weinportfolio nicht unerheblichen Anteil gehabt haben dürfte.
Zu Anne Krebiehls wichtigsten Aufgaben gehört künftig die Auswahl jener Weine, die neu ins Bordprogramm aufgenommen werden sollen. Schließlich sind bei Qatar saison- und streckenanhängig jeweils rund ein Dutzend unterschiedlicher Weinmenüs in First und Business Class gleichzeitig im Angebot. Aber natürlich muss Krebiehl auch dafür sorgen, dass die in der Economy ausgeschenkten Tropfen für gute Laune sorgen. Dafür will sie in Zukunft spezielle Cuvées entwickeln. Und das alles macht man nicht mal so eben nebenbei, denn dafür müssen Jahr für Jahr im Schnitt allein rund 1000 Weine blind verkostet werden. Die müssen dabei nicht nur geschmacklich überzeugen, sondern auch ins Budget passen – vor allem aber in ausreichender Menge verfügbar sein. So werden bei Qatar pro Jahr z.B. rund vier Millionen Gläser Champagner ausgeschenkt und mehr als 1,4 Millionen Flaschen Rotwein entkorkt.
Apropos entkorkt. Wir sitzen mittlerweile auf bequemen Sofas, vor uns jeweils drei – noch – leere Gläser und ein Verkostungschart, denn bevor wir uns über die Signature-Kreationen von Alex Dilling hermachen dürfen, steht auch für uns erst mal eine Blindverkostung auf dem Programm. Zwar wissen wir, dass es im ersten Flight ausschließlich um Champagner geht und es fällt auch nicht schwer, den persönlichen Favoriten auszuwählen – ganz klar die Nummer 3.
Aber die Weine wirklich adäquat zu beschreiben und ein begründetes Urteil zu fällen, ist gar nicht so leicht. Jedenfalls entpuppt sich unser Favorit als Krug Grande Cuvée 171eme Edition. Als zweiter geht Veuve Clicquots La Grande Dame 2015 durchs Ziel, während uns der ebenfalls schon erwähnte Armand de Brignac ehrlich gesagt nicht so ganz überzeugen kann. Aber es gibt ja wie gesagt auch reine Labeltrinker, die sich von einer goldenen Plastikrobe beeindrucken lassen. Für die sollte ja auch was „Nettes“ an Bord im Angebot sein. Flight Nummer 2 präsentiert anschließend drei hochwertige Rosé-Weine – eine Kategorie bei der Qatar bei den Cellers in the Sky Awards regelmäßig abräumt.
Hier hat ganz klar der kräuterwürzige Chateau Galoupet Grand Cru die Nase vorn, dicht gefolgt vom ebenfalls exzellenten Chateau d´Esclans, während der Chateau Minuty Rosé et Or eher durch eine wunderbare frische Erdbeerfrucht besticht. Dann wird es mit den ersten Roten langsam ernst. Zunächst gilt es das Land zu erraten. Ist das vielleicht Frankreich, nein, zu viel Power und Schmelz in der Nase. Kalifornien? Nein, auch nicht. Ein kleiner Tipp: Europa. Ok, dann muss es Spanien sein. Und was wir da in den Gläsern haben, gehört tatsächlich zum Besten was die Iberische Halbinsel zu bieten hat.
Allen voran ein Vega Sicilia Unico 2012, der den anderen beiden Weinen fast ein wenig die Show stiehlt. Und das will etwas heißen, haben wir links und rechts des Unico doch Vega Sicilias Pintia aus Toro und den Spitzenrioja Macan, Vega Sicilias Gemeinschaftsprojekt mit der Familie Rothschild im Glas. Dann noch ein Rotwein-Flight. Diesmal klar erkennbar aus Down Under und allesamt von Australiens Weingiganten Penfolds. Und auch hier gibt es einen Wein, der deutlich hervorsticht, schließlich haben wir, wie sich nach dem Enthüllen der Flaschen offenbart, eine flüssige Legende im rechten Glas: Penfolds Grange, den nannte Weinkritiker Hugh Johnson einmal den einzig wahren Grand Cru der südlichen Hemisphäre.
Da tun einem die beiden anderen Penfolds Spitzenweine im Flight – der im Grunde nicht minder monumentale BIN 707, Penfolds Cabernet Sauvignon basiertes Gegenstück zum Grange, sowie der reine Coonawarra Cabernet BIN 169 – schon fast ein wenig leid, die ohne die Konkurrenz durch den Grange noch deutlich heller strahlen würden. Aber leider ist das Bessere eben nun mal der natürliche Feind des Guten. Aber funktionieren solche Weine denn nun auch beim Fliegen?
Bei Qatar tun sie das, keine Sorge. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil der Airline ist nämlich auch die vergleichsweise junge Flotte. Und in Maschinen der jüngsten Generation herrschen wesentlich moderatere Druckverhältnisse als in Flugzeugmodellen älteren Typs. Außerdem wird die Kabinenluft in A350, Dreamliner und Co. systematisch befeuchtet. Trotzdem muss Anne Krebiehl darauf achten, vor allem bei den Roten keine zu Tannin lastigen Tropfen auszuwählen, weil sich deren Herbheit in der Luft tatsächlich potenziert.
D.h. anstelle eines strengen Medocs vom linken Ufer, macht sich ein Bordeaux aus Pomerol oder Saint-Emilion mit hohen Merlotanteil am Himmel einfach besser. Luxusprobleme wie gesagt. Vor dem Einstieg in das Menü von Alex Dilling kommen wir dann noch in den Genuss des Qatar Kaviar Service. Zwar gehören die delikaten Perlen in der First Class seit jeher zum Verwöhnprogramm der Airline, seit November 2024 kommen auf ausgewählten Qatar-Strecken wie London- oder Paris-Doha aber auch Business Class Gäste in den Genuss. Aufgetischt wird das Ganze klassisch mit Blinis und Melbatost.
Anschließend brilliert Dilling dann mit einer Kreation vom braunen Taschenkrebs mit Räucheraal, Sauerampfer und Gurke gefolgt von einem seiner Signature Gerichte: butterzartes Hunter Chicken mit einer mit Foie Gras gebunden und scheinbar mit Bienenpollen verfeinerten Albufera Sauce, bevor zum Süßen Finale ein Vacharin gefüllt mit peruanischer Grand Cru Schokolade, Buchweizen und Vine Jeaune aufgetischt wird. Die Reise an die Themse hat sich definitiv gelohnt.
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Fotos: Qatar Airways