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„Aleatico“, „A“ und „Vie Cave“!

Natürlich befindet sich das Herz des mittlerweile weltumspannenden Weinimperiums der Marchesi Antinori in der Toskana. Vor den Toren des Dörfchens Bargino, Teil der Gemeinde San Casciano in Val di Pesa, öffnen die für wohl 100 Millionen Euro errichteten Cantine Antinori nel Chianti Classico, der neue Hauptsitz der nun schon seit 1180 im Weinbau aktiven adligen Familiendynastie.

Natürlich kann man sich in Bargino wunderbar über die Antinori-Welt informieren: Da sind die einzigartigen heiligen Hallen der unteririsch errichten „Weinkathedrale“, da sind das Antinori-Museum, die Weinbar, der Laden und das Ristorante „Rinuccio 1180“ sowie zahlreiche zu bewundernde Werke moderner Kunst – sicher einen Ganztagsausflug wert. Doch nicht alle toskanischen Besitzungen der Antinori stehen Besuchern offen. Ausnahmen sind da die Antinori-Kellereien unter der Badia a Passignano samt Entoeca a Badia di Passignano und der großartigen Sterneküche in der Osteria di Passignano. Auch die Tenuta Guada al Tasso nahe dem toskanischen Weinmekka Bolgheri steht samt Osteria del Tasso und Laden Bottega Guada al Tasso Besuchern offen. Und Antinori-Fans dürfen sich auch auf die Visite im Maremma-Weingut Fattoria Le Mortelle nahe Castiglione della Pescaia oder dem Weingut La Braccesa unterhalb Corona freuen. Lange nicht auf der Liste stand ein altes, historisches Weingut das Antinori 1995 erwarb und mit enormen Mitteln zum höchst erfolgreichen Versuchslabor für Spitzenweine ausbaute: Die Fattoria Aldobrandesca!

Im Herzen der etruskischen Maremma und im magischen Dreieck des Tuffsteingebietes von Pitigliano, Sorano und Sovana gelegen, erstreckt sich das Weingut direkt unterhalb des Tuffsteinhügels von Sovana. Und erfreulich: Seit einigen Jahren öffnet sich auch dieses Weingut für Besucher. Eine Bottega, ein kleiner Laden wurde in der modernen Cantina eingerichtet. Und so ist die Fattoria auch bei der schon 1993 gegründeten toskanischen Bewegung zur Förderung des Weintourismus, dem Movimento Turismo del Vino, gelistet. Besucher können auch zur Weinverkostung anreisen, zu der auf der sonnendurchfluteten Terrasse des Gutes auch leckere Käse-, Salami- und Schinken-Häppchen zu genießen sind.

Schon die Anfahrt zur Kellerei der Fattoria Aldobrandesca ist ein besonderes Erlebnis. 193 Hektar umfasst das Weingut, 100 Hektar sind von Weinbergen bedeckt. Fein säuberlich und wie mit dem Lineal gezogen reihen sich die Rebstöcke am Wegesrand auf, während ringsum die Landschaft der Terra del Tufo, des einmaligen südtoskanischen Tuffsteingebietes, die großartige Kulisse liefert und alles zum prächtigen Panorama dieser uralten Kulturlandschaft vereint. Denn anders als an der Küste mit ausgedehnten Pinienhainen, Maremma-Rindern und Maremma-Cowboys, den „Butteri“, präsentiert sich die Maremma hier im toskanischen Landesinneren als faszinierende Tufffelslandschaft, in der schon in der Antike bedeutsame Geschichte geschrieben wurde.

Da alles bereits mit den Etruskern begann, kann man sogar festhalten, dass hier faktisch jeder heutige Acker auch potentielles archäologisches Gebiet ist. Das ganze Areal ist somit ein einzigartiges Freilichtmuseum mit dem uralten Sovana im Zentrum, unter dessen Tuffvorsprüngen die Rebflächen der Fattoria Aldobrandesca auf mittleren Höhen von 200 m über dem Meeresspiegel liegen. 193 ha umfasst das Anwesen, 100 werden als Weinberge genutzt. Denn Namen verdankt das Weingut der uralten Adelsfamilie der Aldobrandeschi.

Weingut Fattoria Aldobrandesca. Foto: Ellen Spielmann

Und die hat wohl langobardische Ursprünge. Älteste Erwähnungen der Aldobrandeschi datieren allerdings erst in das Jahr 800, als der Familiennamen von Klerikern und Kaufleuten in Lucca getragen wurde. Da war das in der antike etruskische, dann römische Sovana schon seit 594 n. Chr. langobardisch. Ihren ersten Stammsitz hatten die Aldobrandeschi, die über Jahrhunderte die südliche Toskana von der Küste bis hin zum Monte Amiata regierten, indes in Roselle nahe Grosseto. Doch wurden sie aber 935 n. Chr. von Piraten vertrieben und errichteten ihre neue Stammburg bis 940 n. Chr. in – Sovana. Bis heute kann man die Burgruine .am Ortsrand bestaunen. Ein zweiter Hauptsitz wurde dann auch Santa Fiora am Uralt-Vulkan Monte Amiata. Ihre Grafschaft Sovana ging dann ab 1293 dank der heiratsfreudigen Margarita (Margherita) Aldobrandeschi (um 1255 bis um 1313; fünf Ehen), an die römischen Grafen Orsini. Und natürlich verewigte Dante sie und zwei weitere Aldobrandeschi in der Göttlichen Komödie. Einen, Guglielmo Aldobrandeschi, nannte Dante gar „Il Gran Tosco“, den „Großen Toskaner“, verbannte ihn aber ins Fegefeuer (Purgatorium XI, 58). Cecilia Aldobrandeschi ehelichte indes Bosio Sforza im Jahr 1439, womit die Grafschaft Santa Fiora an die mächtigen Sforza fiel.

Es ist eher unwahrscheinlich, dass die ursprünglich kaiser-, dann jahrhundertelang papsttreuen Aldobrandeschi in diesem Gebiet schon im Hochmittelalter Weinbau betreiben. Allerdings sicher Landwirtschaft. Doch der Tuffstein-Untergrund eignet sich önologisch perfekt. Die ebenen Böden sind vulkanischen Ursprungs und mit viel Tuffsubstrat angereichert. Und so nimmt es nicht Wunder, dass Antinori sich 1995 entschloss, auf diesem herrlichen Areal einerseits der traditionellen, schon seit der Antike hochgelobten Rebe Aleatico wieder eine Heimat zu geben und dazu den italienischen Weinbau um eine weitere neue Rebsorte, die Varietät Malbec zu bereichern. Denn auch für sie ist hier das ideale Terroir.

Und man kann mit Fug und Recht behaupten, dass Antinoris Versuche, die Erforschung und Entwicklung nicht nur (es wird z. B. auch Cabernet Sauvignon gepflanzt), aber vor allem dieser beiden Reben, an diesem Ort zu grandiosen Ergebnissen geführt haben. Es entstanden dank dieser Neuinterpretation neue große Weine. Einer, der maßgeblich zum Erfolg beigetragen hat, ist Gutsmanager Walter Guerrini. Nach der Besichtigung der verhältnismäßig kleinen Kellerei mit der Galerie der Stahltanks und dem Fasslager, wo der Wein in Fässern aus der Bourgogne (Seguin Moreau) lagert und jährlich 50.000 Flaschen abgefüllt werden, treffen wir ihn vor der Cantina zur Degustation. Erst einmal glänzt im herrlichen Licht der toskanischen Herbstsonne ein „A“, genauer gesagt der Roséwein „A“, Jahrgang 2019. Diesem IGT Toscana könnte man ohne zu zögern auch „Triple A“ nennen. Denn seine Qualität entspricht diesem Top-Ranking. Der Falstaff verlieh dem „A 2019“ satte 91 Punkte!

Und die drei „A“ könnten auch für „Aleatico“, „Antinori“ und „Aldobrandesca“ stehen. In jedem Fall steht das „A“ für den Willen der Antinori, einen Rosé-Wein, ergo einen Rosato, der absoluten Spitzenklasse zu erzeugen. Perfekt umgesetzt haben dies Walter Guerrini und seine kleine Crew der Fattoria Aldobrandesca. Und Hauptverantwortlich für den Erfolg ist natürlich die Aleatico-Traube als Basis des Weins. Das Jahr 2019 kam ihr natürlich auch entgegen. Es war von warmem Wetter geprägt, sporadische, aber intensive Regenfälle im Frühjahr halfen ebenfalls.

Heimat der Antinori Spitzenweine. Foto: Ellen Spielmann
Heimat der Antinori Spitzenweine. Foto: Ellen Spielmann

Und dann kam der trockene Sommer mit hohen Temperaturen, ehe die Lese in der zweiten Septemberwoche startete. Dabei wurde natürlich selektioniert. In mehreren Etappen gelangten nur die besten Trauben von den eigens für den Aleatico ausgewählten Weinbergen in die Kältemazeration und dann in kleine Edelstahltanks. Wichtig für die Herstellung dürfte indes auch sein, dass die aromatische Rebe Aleatico ihre faszinierenden Eigenschaften bis hin zu einem außergewöhnlichen, eleganten Wein vor allem der Sorgfalt und Liebe zum vulkanischen Tuffstein-Territorium verdankt. Und diese Sorgfalt und Liebe bringt Walter Guerrini ohne Zweifel mit. Heraus kam mit dem „A“ 2019 ein herrlicher Rosé mit einer sanften Farbe von Korallenrosa, der delikate Aromen von Rosenblüten und roten Beeren vereint und mit seiner Intensität höchst positiv überrascht. Allerdings hat dieser Top-Rosato auch seinen Preis. Mindestens 27 Euro muss man schon für eine Flasche anlegen. Online wird er zumeist für um die 30 Euro angeboten.

Welche bewundernswerte Qualität der leicht süße Aleatico besitzt, zeigt dann der Aleatico Sovana Superiore DOC 2019. In der Fattoria Aldobrandeschi wird er schon seit 1997 hergestellt. Natürlich profitierte auch dieser Wein vom herrlichen Sommer des Jahres. Er besitzt eine starke, strahlende rubinrote Farbe und bietet intensive Blütennoten von Wildrosen, aber auch roten Früchten und bildet dabei eine außerordentliche Harmonie von Frische und Süße. Ein Grund dürfte die Vinifizierung sein. Denn bei der lese wurden die Trauben geteilt. Der erste Teil wurde vinifiziert, der zweite wurde einen Monat lang in trockenen, gut durchgelüfteten Räumen angetrocknet, um eine höhere Konzentration zu erzielen. Nach dem schonenden zerdrücken ging es in die einwöchige Mazeration im Edelstahl. Bis zur Abfüllung lagerte der Wein bei Niedrigtemperaturen.

Schließlich darf natürlich auch das „Schlachtschiff“ des Hauses, der „Vie Cave“, nicht fehlen. Benannt ist der IGT Toscana nach jenen Hohlwegen, die schon die Etrusker im weichen Tuffstein anlegten und deren Funktion bis heute nicht vollends aufgeklärt worden ist. In jedem Fall wurden diese Hohlwege im Laufe der Jahrhunderte immer tiefer in den Tuff gegraben, so dass die ältesten Spurten sich heute jeweils ganz oben an den Wänden, die jüngsten indes unten in Augenhöhe befinden. Solche Vie Cave finden sich rund um Sovana und auch Pitigliano zuhauf, sie verlaufen auch in den Weinbergen der Fattoria. Waren es schlicht Verkehrswege? Oder dienten sie Prozessionen oder Totenkulten? In jedem Fall ist der Vie Cave eine Bereicherung für den italienischen Weinmarkt. Denn er wird aus Malbec-Trauben hergestellt. Die Rebsorte ist ursprünglich französischer Herkunft, aber findet hier im Tuff allerbeste Entfaltungsmöglichkeiten.

Der 2018er Jahrgang wurde in der ersten Oktoberwoche geerntet. Nach der Mazeration im Stahl gelangt er für 10 Monate in Barrique-Fässern aus französischer Eiche. Danach ruht der Vie Cave weitere Monate in der Flasche, ehe er Marktreife erlangte. Dieser intensive rubinrote Wein imponiert mit komplexen Noten von schwarzen Früchten wie Brombeere und Heidelbeere und Gewürznoten wie Vanille. Er besitzt ausgewogene, seidige Tannine und auch leichte Aromen von Kaffee oder Bitterschokolade. Keine Frage: Die edlen Weinspezialitäten der Fattoria Aldobrandesca setzen neue Maßstäbe.

Der Aldobrandesca mit dem zugehörigen Boden. Foto: Ellen Spielmann
Der Aldobrandesca mit dem zugehörigen Boden. Foto: Ellen Spielmann

Information:

Fattoria Aldobrandesca, www.antinori.it/de/tenuta/weingueter-in-italien/fattoria-aldobrandesca-weingut/

Fotos: Ellen Spielmann

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