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Zu Besuch im apulischen Bitonto (Teil 1)

Im Jahr 2000, dem 750. Todesjahr des berühmtesten aller Stauferkaiser, von Friedrich II. (1194 – 1250), dem „stupor mundi“, dem „Staunen der Welt“, stellte Wolf den ersten seiner oktogonalen Gedenksteine zu Ehren der mittelalterlichen römisch-deutschen Kaiser- und Königsdynastie auf. Dies geschah in Castel Fiorentino, jenem Ort im nördlichen Teil der süditalienischen Region Apulien, wo Friedrich II. bzw. Federico Secondo, wie er in Italien genannt wird, am 13. Dezember 1250 verstarb.

Bis 2018 waren dann mit großer Unterstützung des „Komitees der Stauferfreunde“ insgesamt 38 Stelen in sechs europäischen Ländern, u. a. in Deutschland, Frankreich, Österreich, Tschechien und den Niederlanden aufgestellt. Künstlerisches Vorbild war natürlich das architektonische Meisterwerk der Ägide Friedrichs II., der ab 1220 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war: das Castel del Monte, die „Krone Apuliens“. Ein Landstädtchen, das ebenfalls eine solche meist 2,50 x 0,33 x 0,80 m große Stauferstele verdient hätte, ist das sich direkt nördlich Bari ausbreitende, von Oliven-, obst- und Weinbau geprägte, 52.000 Einwohner zählende Bitonto. Dies insbesondere, weil ausgerechnet die Nachbarstadt Bari, seit je misstrauisch beäugte Konkurrenten von Bitonto, eine solche im Jahr 2009 erhielt.

Denn schließlich hatte Kaiser Friedrich II. in Bari das mächtige Normannenkastell ab 1233 stark erweitert und zum bis heute bewunderten Prunkstück ausgebaut. Warum Bitonto, von den Einheimischen im Dialekt „Vetònde“ genannt, bisher nicht berücksichtigt wurde, ist eher ein Rätsel. Denn in Bitonto führen zahllose Spuren zu den Regenten der Stauferdynastie Aber man darf sich vor Ort auch damit trösten, dass auch die Nachbarstadt Altamura in den Murge, wo Friedrich II. für den Bau einer mächtigen grandiosen Kathedrale sorgte und per Dekret die wohl erste Multikulti-Stadt Süditaliens des Hochmittelalters neu einrichten ließ, ohne Stele leben muss.

Gleiches gilt auch weiter nördlich für Trani und Barletta mit ihren Stauferkastellen und sogar für das Städtchen Melfi in der nahen Basilicata: Dort wurde nicht nur der erste Kreuzzug ausgerufen. Dort entstanden dank Friedrich II. im Jahr 1231 auch jene Konstitutionen von Melfi, die als Rechtssammlung und Verfassung ursprünglich seines Königreichs des Siziliens heute als erste eines deutschen Staates gelten können. Dass das Castel del Monte nicht mit einer Stele geehrt wurde, versteht sich indes von selbst. Das wäre nun wirklich doppelt gemoppelt. Und: Das Original schlägt in diesem Fall deutlich die Kunst.

Die Torre angioino, der Anjou-Turm. Foto: Ellen Spielmann
Die Torre angioino, der Anjou-Turm. Foto: Ellen Spielmann

Nun, am besten startet man seine Erkundungstour in Bitonto am Eingang zur Altstadt, an der Porta Baresana. Dies einem Triumphbogen ähnelnde Stadttor von und nach Bari entstand in seiner heutigen Form zwar erst im 16. Jh., blickt aber auf eine weitaus längere Geschichte zurück. Erstens war es eines von fünf Stadttoren, die die im 11. und 12. Jh. erbaute 2000 m lange Stadtmauer besaß. Und da Bitonto durchaus noch viel älter ist, darf man durchaus annehmen, dass hier schon in antiker römischer Zeit ein Schlupfloch nach Bari bestand. Welche Bedeutung das Stadttor einst besaß, zeigt sich direkt nebenan.

Da erhebt sich nur 50 m entfernt die Torre angioino, der Anjou-Turm, ein Monstrum von 24 m Höhe und 16 m Durchmesser mit fünf Meter dicken Mauern, das als Wachtturm dieses wichtigen Stadttores diente. Er ist zudem der größte aller 28 Wachtürme, die Bitonto einmal besaß. Keine Frage: Dem nahen Bari trauten die vorsichtigen Menschen aus Bitonto eher nie! Warum auch? Schließlich hatte Stauferkaiser Friedrich II. Bitonto, damals eine Bischofsstadt und so mächtig wie Bari, zur „civitas specialis“ erhoben und damit direkt der Reichskrone unterstellt. Dies tat er, obschon Bitonto zuvor Schauplatz eines kirchen- wie reichspolitischen Theaters wurde, das am 29. September 1227 zu des Kaisers Ungunsten stattfand.

Aber dazu später mehr. Erst einmal lockt am Bari-Tor das Gambrinus: tagsüber Bar, dient es abends auch als Ristorante und wichtigster Treff beim abendlichen Corso in der Stadt. Hier kann man z. B. auch ein echtes italienisches Pilsener probieren, das schon seit 1912 in Pavia gebaut wird. Besser ist aber natürlich, einen Cocktail zu ordern oder einen einheimischen Roten, etwa einen Negroamaro del Salento oder ein Gläschen Primitivo zu ordern.

Fotos: Ellen Spielmann

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