Travel

Zu Besuch im apulischen Bitonto (Teil 2)

Auf unserer Tour durch Bitonto geht es weiter in die Altstadt, in der es einerseits vor weiteren Restaurants, Bars und vor allem Kirchen und Palästen nur so wimmelt…

Andererseits besitzt Bitontos Centro storico auch einen herrlich unkomplizierten Charme, ist touristisch nie überlaufen und von freundlich offenherzigen Menschen bewohnt. Vorbei an der barocken Kirche San Gaetano geht es erst einmal zur Loggia des mächtigen Palazzo Sylos-Calò. Dort öffnet im Erdgeschoss nicht nur Bitontos beste Eisdiele! Im zwischen 1529 bis 1583 errichten Prunkbau befindet sich seit 2009 auch die Galleria Nazionale della Puglia, Apuliens Nationalgalerie für zeitgenössische Kunst. Sie basiert auf einer Schenkung, der Sammlung des Ehepaars Girolamo und Rosaria De Vanna, und ist unbedingt sehenswert. Ab der Chiesa del Purgatorio, der Fegefeuerkirche, sind es dann nur noch einige Schritte durch vewinkelte Gässchen zur Piazza Cattedrale mit der Hauptattraktion der Stadt. Die Kathedrale des hl. Valentin, italienisch seit 1986 Concattedrale di San Valentino genannt, ist ein Meisterwerk der apulisch-romanischen Architektur. Sie wurde ab dem späten 11. Jh., exakt ab 1087 n. Chr., bis ins 12. Jh. erbaut und wohl zwischen 1175 und 1200, wahrscheinlich 1195 n. Chr. fertiggestellt.

Eingeweiht wurde sie schon 1114 n. Chr. und dürfte schon damals ein Prachtbau gewesen sein. Das legt die Hauptfassade mit dem reichdekorierten zentralen Portal nahe. Es ist über und über mit Figuren und Ornamenten geschmückt, zeigt Monstren und Meeresnymphen, Alttestamentarisches und über der Lünette einen Vogel, den manche als Pelikan und Symbol für die segensreiche katholische Kirche, manche aber auch als einen an den Flügeln gerupften Stauferadler interpretieren. Dass dieser superbe Bau auf viel älteren Strukturen errichtet wurde, zeigt dann ein Blick nach unten im vom mächtigen bemalten Holzdach bedeckten Hauptschiff. Dort wurde ein rundes Glasauge in den Fußboden eingelassen, der den Blick auf ein spektakuläres Mosaik aus dem 11. Jh. freigibt. Es zeigt einen prächtigen stolzierenden Greifen und ist die Sensation in der auch öffnenden Unterkirche, deren Wurzeln bis ins 6. Jh. n. Chr. zurückdatieren sollen.

Mischung aus Stauferadler und Phoenix. Foto: Ellen Spielmann
Mischung aus Stauferadler und Phoenix. Foto: Ellen Spielmann

Im Erdgeschoß hingegen beeindruckt erst einmal die erste Kanzel, die im 16. Jh. aus Fragmenten eines Vorläufers von 1240 entstanden ist. Ihre geometrischen Muster sind eine künstlerische Sensation. Dann aber geht es weiter in Richtung Hauptalter, wo sich rechterhand der bedeutendere Ambo, eine Mischung aus Pult für Lesungen und Kanzel, erhebt. Dieses Marmormonstrum mit Treppenaufgang ließ 1229 ein besonderer Priester und Magister errichten. Es war Nicola di Bari (Nikolaus von Bari), der dies Meisterwerk der Steinbildhauerei veranlasste. Mag also Bari die Gebeine des hl. Nikolaus von Myra besitzen – Bitonto hat auch seinen Nikolaus, in diesem Fall einen Parteigänger des Stauferkaisers Friedrich II. Vorne unter dem Marmorlesepult hat sich der Magister selbst per Inschrift verewigen lassen. Über dem Pult thront der Stauferadler.

Und dann besitzt der Ambo auf der Rückseite noch eine Sensation: Dort befindet sich ein Relief in Dreiecksform, das – weltweit einmalig – von links nach rechts die Stauferherrscher Kaiser Friedrich Barbarossa (1122 – 1190), auch als Friedrich I. bekannt, Kaiser und König Heinrich VI. (1165 – 1197), Kaiser Friedrich II. (1194 – 1250) und König Konrad IV. von Deutschland und Italien (1228 – 1254). Zudem wurde unter letzten zwei Herrschern ein Vogel appliziert, der eine Mischung aus Stauferadler und Phoenix darstellt. Welch ein Kunstwerk! Es wird heute angenommen, dass Kaiser Friedrich II. persönlich in Bitonto weilte. Womöglich wurde zu diesem Anlass der Ambo errichtet. Er war wohl auch eine Form der Abbitte, denn die Kathedrale war auch Schauplatz jenes Ereignisses vom 29. September 1227, als Bitonto Weltgeschichte schrieb.

Greif mit Löwe. Foto: Ellen Spielmann
Greif mit Löwe. Foto: Ellen Spielmann

Denn in bzw. an der Kathedrale exkommunizierte Papst Gregor IX. damals Stauferkaiser Friedrich II., der gerade vom erfolgreichen 5. Kreuzzug aus Jerusalem zurückgekehrt war und ohne Kampf, aber mit viel Diplomatie, Fortune, Intelligenz und Geschick den Titel des Königs von Jerusalem mit heimbrachte. Papst Gregor IX. indes sah darin Verrat und einen teuflischen Pakt des Kaisers mit Sultan al-Malik al-Kamil. Bis heute erinnert an der Kathedrale die Porta della Scomunica, das Portal der Exkommunikation direkt an der Piazza Cattedrale an dies epochale Ereignis. Nun, wie die Geschichte zeigte, hat der Staufer auch diese gefährliche Situation überlebt.

Und da die Geschichte seither weiterging, darf sich der Gast in Bitonto nach dem Kathedralbesuch und noch vor dem Herumschlendern in der sehenswerten Altstadt auf herrliche kulinarische Genüsse in den Restaurants am Domplatz freuen: etwa im gut frequentierten Ristorante Lateral.

Fotos: Ellen Spielmann