Hier, bei Castellina in Chianti, erwarb 1945 der Florentiner Guido Masini die Ländereien dieses historischen, bis ins 15. Jahrhundert zurückdatierenden Landgutes. Seine damalige Motivation war so einfach wie bestechend: Guido liebte das Land und vor allem die lange Geschichte und gewachsene Struktur des Gutes, das er vor allem als Erholungsort für seine Familie erworben hatte.
Dann aber erwachten sein Unternehmungsgeist und der Faible für die Landwirtschaft. Er erntete erste Weintrauben, um diese zu veräußern und – züchtete Schweine! Dann verpachtete er das Land sogar, bis Tochter Laura 1989 wieder alles übernahm. Und diese, nun verheiratet mit dem Architekten Giorgio di Battista, zögerte keinen Augenblick, das Landhaus aus dem frühen 15. Jahrhundert zu restaurieren und einen höchst erfolgreichen Agriturismo mit heute zehn herrlichen Zimmern, Suiten und Apartments zu gründen, die perfekten toskanischen Charme ausstrahlen. Gleichzeitig wandelte Laura das brach liegende Gut zum tatsächlich wirtschaftenden landwirtschaftlichen Gut, ließ Olivenbäume pflanzen und einige Weinberge wieder in Schuss bringen.
Nur wenig später gründete sie dann ihre bis heute existierende, vielfach gerühmte Kochschule. Hier können kulinarisch Interessierte die bewunderte Matriarchin und uneingeschränkt von der Familie verehrte Grand Dame des Landgutes bis heute am Herd erleben. Dort zelebriert und zaubert Laura Di Battista traditionelle toskanische Gerichte mit Pfiff mit ihren Gästen, die dann gemeinsam mit der Meisterin der toskanischen Kochkunst das so zubereitete Vier-Gänge-Menü genießen können.
An eine eigene Weinherstellung aber dachte man damals, Anfang der 19990er Jahre, noch überhaupt nicht. Dies änderte sich erst 1998, als Sohn Jacopo Di Battista in die Arbeit auf dem Landgut einstieg und sich umgehend um den Aufbau des Weinkellers unter dem neuen Weinlabel Querceto di Castellina im Ortsteil Querceto („Eichenwald“) von Castellina in Chianti kümmerte. Der erste Jahrgang wurde abgefüllt – ganze 3300 Flaschen!
Und natürlich wurde er nach Mutter Laura benannt. Und bis heute ist dieser rote „L`aura“ eines der Aushängeschilder des Weingutes und sozusagen ein Klassewein für jeden Tag. Dies gilt auch für den „L`aura“ Chianti Classico DOCG 2018 mit seinen 13,5 % Alkoholgehalt. Erst einmal brilliert dieser Wein auch mit seinem Etikett: Es zeigt eine herrliche Keramik, die Nonna Nella, Oma Nella, schon 1930 herrlich per Hand bemalte und wundervolle Engel und florale Motiven applizierte. Und so ist der L`aura auch eine Hommage an Oma Nella, deren Nähe zur Natur vermutlich auch ein Gutteil zum Werden des Landgutes beigetragen haben wird. Denn der L`aura ist natürlich ein Biowein, zumindest seit 2012, als die Azienda Agricola vollständig biologisch zertifiziert wurde. Und natürlich kann dieser Biowein aus 100 % Sangiovese-Trauben, der 12 Monate in französischer Eiche (500-l-Fässer) war und dann noch drei Monate in der Flasche ruhte, auch schon als junger Jahrgang getrunken werden. Er beeindruckt durch seine ausgewogene Balance und breite Aromen von Früchten, besitzt eine gute Struktur samt langem, klarem Abgang.
Alles begann 1997/98 mit der Auswahl der Rebsorten für die sechs Weinbergareale Belvedere, Poggio, Campocorto, Campolungo, La Fonte und Livia. Und natürlich werden seither jährlich nur die besten Trauben geerntet. 80 % der Fläche verlangt der Sangiovese, während der Merlot dann den Hauptteil der restlichen Rebstöcke ausmacht, gefolgt von Viognier und Roussane. Am 2003 angelegten Hauptweinberg Belvedere gedeihen Sangiovese und Merlot.
Und hier findet natürlich auch die Traubenlese für einen Biowein der Extraklasse, den „SEI“ Chianti Classico Gran Selezione statt, der ein hundertprozentiger Sangiovese ist und 18 Monate in französischen Eichenfässern (500 l) reift, eher er weitere 12 Monate in der Flasche ruht. Und so ist auch der grandiose „SEI“ Chianti Classico DOCG Gran Selezione 2017 ein perfektes Resultat dieses 6,6 ha großen Weinbergs, auf dem 6666 Rebstöcke pro Hektar gepflanzt sind. Und so ergibt sich auch der leicht eingängige Name des Weins: „SEI“ steht natürlich italienisch für „Sechs“.
Und nicht genug damit: In den Tonneaux-Fässern von Querceto di Castellina reift Wein für 666 Flaschen. Und natürlich spielt auch Mutter und Matriarchin Laura eine bedeutende Rolle: Denn sie wurde am 6.6.1946 geboren! Keine Frage: Dies heutige Flaggschiff des Biolandgutes besitzt die Tiefe, Komplexität und Schönheit der Sangiovese-Traube und überzeugt zudem mit dem Reichtum des Terroirs und den Aromen von reifen Feigen und Kirschen sowie Noten von Gewürzen wie Oregano (14 % Alkoholgehalt). Und ein schöner Blickfang ist natürlich auch das Etikett: Es zeigt ein Blatt des Sangiovese-Rebstocks und die lateinische Bezeichnung „Folia Sanguis Jovis“, „Blatt des Blutes von Gottes Jupiter“.
Nun, über die Namensherkunft der Superrebe Sangiovese streiten die Gelehrten bis heute. Und dabei ist die Ableitung vom italienischen „sanguegiovese“ mit dem Hinweis auf das Blut von Gott Jupiter bzw. Zeus nur eine der möglichen, eher unwahrscheinlichen Erklärungen. Ebenso tapfer wird behauptet, das der Ursprung des Namens Sangiovese, der erstmals im 16. Jahrhundert von einem gewissen Giovan Vettorio Soderini benutz wurde, über die Brücke „sangiovannese“ im Ortsnamen San Giovanni in Valdarno zu finden sei. Andere favorisieren indes den toskanischen Dialekt und „san giovannina“, eine Traue, die früher Ende Juni zum Fest „Johannes des Täufers“ eine große Rolle spielte. Aber dies sind sämtlich Resultate der „fröhlichen Wissenschaften“. Denn Önologen und Forscher favorisieren heute die Entstehung des Sangiovese als Ergebnis von und mit Kreuzungen uralter süditalienischer Rebsorten.
Keine Probleme mit Göttern hat indes der heimliche Superstar des Bio-Weingutes, der dennoch göttliche „Podalirio“. Denn das Etikett dieses wunderbaren Bio-Roten ziert ein sich gerade entpuppender Schmetterling. Dabei handelt es sich um den Segelfalter, den Iphiclides podalirius, einen Schmetterling aus der Familie der Ritterfalter. Und man kann sogar noch weiter gehen. Denn der Podalirio leitet sich zudem von jenem Podaleirios ab, der als berühmter Heilkundler in die griechische Mythologie einging. Dieser Podaleirios war einer der heilkundigen Söhne des Asklepios und der Epione. Mit seinem ebenfalls heilkundigen Bruder Machaon nahm er, Agamemnon und Menelaos folgend, als Arzt und Krieger am Feldzug nach Troja teil. Nach der Zerstörung Trojas begleitete Podaleirios den Seher Kalchas bis zu dessen selbst vorhergesehenen Tod. Denn Kalchas wusste, dass er sterben würde, wenn er einem anderen Seher in der Voraussage unterlag. Und dies gelang dem Seher Mopsos, der anders als von Kalchas gemutmaßt bei der Geburt einer Sau nicht nur acht sondern korrekt neun Ferkel vorausgesagt hatte.
Solch ein Schicksal war und wird dem „Podalirio“ nicht beschieden sein, auch nicht dem gerade neu edierten „Podalirio“ Vino Rosso Toscana IGT 2017 (14 %). Obschon: Er selbst oder auch seine eigenen folgenden Jahrgänge könnten ihn schlagen. Denn dieser auch durch die faszinierende Schönheit des Schmetterlings beeindruckende Bio-Rotwein wird von Jahr zu Jahr immer besser. Es ist ein reiner Merlot mit Trauben vom einzigen Weinberg Belvedere, der besonderes Terroir bietet. Dieser intelligent komponierte, erfrischende, gut ausbalancierte und süffige Merlot mit Aromen von schwarzen Waldfrüchten weist eine bemerkenswerte Komplexität und Konzentration auf und wurde ursprünglich Ende der 1990er Jahre erstmals kreiert, um die Struktur und die Alterungswürdigkeit dieser Rebsorte auf auch toskanischem Terrain nachzuweisen. Perfekt!
Natürlich hat Querceto di Castellina noch weitere Weine zu bieten, allen voran der Weißwein „Livia IGT Toscana Bianco, dessen Trauben seit 2010 auf dem Weinberg Livia gedeihen. Inspiriert vom Rhone-Tal wurden hier die Rebsorten Viognier und Roussane angepflanzt, die je zur Hälfte den Livia IGT Bianco ausmachen. 10 Prozent lagert acht Monate in französischer Eiche (225 l), 90 Prozent indes acht Monate im Stahl, ehe alles zwei Monate in der Flasche reift. Das Ergebnis ist bemerkenswert. Der 2018er Jahrgang ist bereits ausverkauft.
Schließlich gibt es noch nur 1400 Flachen des Venti IGT Toscana 2016, einen Blend aus Sangiovese und Merlot. Der Sangiovese reift 20 Monate in französischer Eiche (500 l), der Merlot 20 Monate in kleineren 225-l-Eichenfässern aus Frankreich. Sein Name bezieht sich auf das 20. Jubiläum der Gründung der Weinkellerei. Und nicht vergessen werden darf auch der Rosè Furtivo IGT Toscana Rosato 2019 aus Sangiovese, de vier Monate im Stahltank war. All diese Bioweine kann man online ordern oder auch vor Ort während einer Degustation verkosten. Sehr praktisch ist auch die gutseigene Livia Wine & Cheese Bar, wo man zusätzlich mit Käse, Salamis und Schinken aus der Toskana verwöhnt wird.
Information:
Azienda Agricola Bio Querceto di Castellina di Jacopo Di Battista, www.quercetodicastellina.com
Fotos: Azienda Agricola Bio Querceto di Castellina