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Tschechien: Böhmische Küche und Bier (Teil 1)

Daneben steht unter einer Zapfsäule ein halber Liter frisches Bier – für die innere Anwendung. Bei diesem Anblick in dem gemütlichen Spa des Hotels Purkmistr, zu dem auch die gleichnamige Brauerei gehört, bekommt sicherlich jeder Bierliebhaber Herzklopfen. Was heute als ein beliebter Trend gilt, greift auf eine sehr alte Tradition zurück. Spätestens seit dem Mittelalter ist bekannt, dass Bier wertvolle, gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe enthält, die regenerierend, hautstraffend und entschlackend wirken. Besonders in Tschechien wird Bier nicht nur gern getrunken, sondern auch mit Vorliebe darin gebadet.

Beim Eintauchen in das 35 bis 37 Grad Celsius warme Bierbad breitet sich schnell ein wohliges Gefühl der Enstpannung und Geborgenheit aus. Während im Hintergrund leise Musik zu hören ist, beginnt die Haut leicht zu kribbeln. Die Arme scheinen oben auf der Flüssigkeit zu schweben und die Gedanken gleiten sanft in die Welt der Träume. Nach gut 20 Minuten ist der köstliche Zauber vorbei. Eingewickelt in ein gestärktes Baumwolllaken folgt nach dieser ungewöhnlichen äußeren wie inneren Anwendung im Entspannungsraum eine Ruhephase. Anschließend lohnt eine Kostprobe des vielfältigen Sortiments der Minibrauerei Purkmistr – dem Bier der ältesten Brauerei in Böhmen.

Gebraut werden nur unpasteurisierte und unfiltrierte Biere nach traditionellen Rezepturen aus qualitativ hochwertiger Malzgerste und Hopfen aus Žatec. Die gesamte Produktion der Brauerei beträgt 170 000 Liter pro Jahr.

Von Sudhäusern und Eiskellern

Ganz andere Mengen werden bei der Pilsner Urquell Brauerei produziert. In einer der modernsten Abfüllanlagen Europas beträgt die Kapazität heute 120.000 Flaschen und 60.000 Dosen pro Stunde. Im Jahre 1842 wurde dort das weltweit erste Lagerbier nach Pilsner Art gebraut. Es zeichnet sich immer noch durch einen vollmundigen Geschmack und eine klare goldene Farbe aus. Bei einer Führung durch die Brauerei ist viel über die Historie der Gründungsgeschichte und Produktion zu erfahren. Nach der Besichtigung der Sudhäuser führt die Tour in einen Teilabschnitt der insgesamt neun Kilometer langen, unterirdischen Gänge wozu auch die hohen historischen Eiskeller zählen. Ganz leise ist das Plätschern vom eisenhaltigen Wasser zu vernehmen, das sich seinen Weg durch schmale Rinnen an den Seiten des Fußbodens bahnt.

Pilsner Urquell, frisch gezapft aus dem Holzfass. Foto: Carola Faber
Pilsner Urquell, frisch gezapft aus dem Holzfass. Foto: Carola Faber

Schließlich führt der Weg zu riesigen alten Holzfässern aus denen jeder Gast ein Glas des ungefilterten Pilsner Urquells erhält. Offensichtlich viel Freude bereitet auch ein Kursus beim Zapfmeister Martin Prazan. Mit geübten Bewegungen demonstriert er, wie Pilsner Urquell richtig gezapft wird. Es wirkt so, als könne er sogar im Schlaf das Bier mit der richtigen Struktur zapfen. „Als Jugendlicher habe ich in der Brauerei angefangen. Seitdem habe ich hier viele Bereiche kennen gelernt. Mir macht mein Beruf richtig Spaß“, berichtet der Pilsener gut gelaunt, während er ganz nebenbei ein weiteres Glas mit Bier füllt.

Nach der eindrucksvollen Demonstration kann sich jeder Gast unter seiner Anleitung die Grundlagen des Handwerks aneignen und selbst ausprobieren, wie es sich so anfühlt, ein „čochtan“ (schaumloses Bier), „šnyt“ (Schnitt) oder „mlíko“ (Milch) zu zapfen. Zum Abschluss erhält jeder Teilnehmer ein Bierglas mit der Aufschrift „Absolvent der Bierfachschule“.

Ein Kloster auf Wasser gebaut

In Tschechien sind fast 300 Brauereien gelistet. Von der größten bis zu den Mikrobrauereien ist die Vielfalt enorm. Erlebenswert ist die „Fürstliche Brauerei“ beim Kloster Plasy. Es wird vermutet, dass dort die Mönche schon seit der Gründung im Jahre 1144 Bier brauten. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Kloster, welches zu den ältesten des Landes gehört, großzügig und im prachtvollen Barockstil umgebaut. 1785 erfolgte die Auflösung des Klosters, das anschließend als Privatresidenz von Kanzler Metternich und dessen Familie genutzt wurde. Bei einer spannenden Besichtigung sind der Kreuzgang, die Sankt-Bernhard-Kapelle sowie der Spitalsflügel mit Apothekenausstellung und den einzigartigen Barocktoiletten mit natürlicher Wasserspülung zu sehen.

Im Kloster Plasy. Foto: Carola Faber
Im Kloster Plasy. Foto: Carola Faber

Eindrucksvoll sind auch die Bibliothek, der Arbeitsraum des Abts und der Winter-Speisesaal. Die hohe Decke des Kapitelsaals sorgt für ein mehrere Sekunden langes, voluminöses Echo – selbst, wenn nur geflüstert wird. Es wird vorstellbar, wie mächtig dort die Stimme des Abts bei den morgendlichen Zusammenkünften gewirkt haben muss. Das Kloster Plasy wurde an einem künstlichen Kanal angelegt, der durch die Klosteranlage führte. Er sorgte unter anderem für die Beförderung des Wassers für die Sägemühlen und die Stabilität des Fundaments auf dem sumpfigen Gelände. Mehr als 5000 Eichpfähle wurden in den Boden gerammt, um darauf das Gebäude zu errichten. Um zu verhindern, dass dieses Gerüst marode wird, führte man das Wasser aus mehreren Quellen zum Fundament. So kann keine Luft an das Holz gelangen und die Stabilität der mächtigen Mauern ist gesichert.

Heute noch werden regelmäßig der Wasserstand und die Temperatur in den zwei Barockbecken im Inneren der Anlage geprüft. In einer ehemaligen Kapelle des Klosters wurde die Brauerei des Klosters mit Restaurant im Jahr 2015 neu eröffnet. Während einer Bierverkostung mit zahlreichen exzellenten Spezialbieren, wie zum Beispiel dem grünen Frühlingsbier aus Gerstensaft und Spinat, schweifen die Gedanken immer wieder zu dem Leben der Mönche und ihrem imponierenden Bauwerk, das schon häufig als Drehort diente.


Informationen:

www.visitczechrepublic.com 

www.prague.eu/de 

www.visitpilsen.eu/de/ 

www.tasteofprague.com 

Fotos: Carola Faber

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