Foodie

Sven Elverfeld: „Kopfmensch“ zwischen Champagner und Salzkartoffeln

Als der KULINARIKER gerade erst in den Startlöchern stand, adelte der Gault-Millau Sven Elverfeld 2002 zum „Aufsteiger des Jahres“. Gerade mal drei Jahre später war Sven Elverfeld schon „Thema“ in der Redaktion. Der Hanauer Aromenkünstler schwang sich in den kommenden Jahren seiner Karriere von Erfolgsstufe zu Erfolgsstufe: Sein Name wurde nicht zuletzt durch den dritten Michelin-Stern (2009) und die „The World`s 50 Best Restaurants“-Liste in den internationalen Gourmet Fokus gehoben.

So in etwa zu dieser Zeit berichteten wir das erste Mal über Sven Elverfeld. Es dauerte aber noch einige Jahre, bis wir ihn kennenlernten konnten. Im März 2016 folgten wir dann einem kulinarischen Ruf aus den Niederlanden. Zum Food-Festival fuhren wir in Richtung See nach Zeeland.

Top-Trilogie in Cadzand

Im „De Kromme Watergang“ (seit 2012: **) von Edwin Vinke trafen wir neben Andreas Caminada und Sergio Herman auch Sven Elverfeld. Die drei Ausnahmeköche bildeten schon damals eine kulinarische Top-Trilogie, wie sie so nicht alle Tage zusammenkommt. Ein kurzer Plausch mit Elverfeld und Co. rundet das Essen zur Mittagszeit ab, ehe es zum Festival ging. Es war voll, bei Sergio Hermann, Sven Elverfeld und Andreas Caminada bildeten sich an den Ständen – natürlich – lange Schlangen.

Ausblick vom Ritz-Carlton. Foto: The Ritz-Carlton, Wolfsburg
Ausblick vom Ritz-Carlton. Foto: The Ritz-Carlton, Wolfsburg

In den folgenden Jahren besuchten wir das Aqua in Wolfsburg mehrfach, Sven Elverfeld war immer wieder im Fokus vieler Texte im KULINARIKER. Natürlich, denn mittlerweile ist er aus dem Reigen der Drei-Sterne nicht mehr wegzudenken. Seit nunmehr 14 Jahren kann sich das Aqua unter der Leitung Elverfelds die begehrte Plakette des Guide an die Tür schrauben. Und wer sich jemals hat im Zuge eines Menüs von den Kochkünsten Elverfelds und seines Teams überzeugen können, dürfte verstehen, warum alljährlich die höchste Bewertung des Michelin ausgesprochen wird.

Eine eigene Linie

„Ich schaue nicht zu viel nach links oder rechts, ich bleibe bei meiner eigenen Linie“, sagt uns Sven Elverfeld im Gespräch in Wolfsburg. „Aber entscheidend ist für ein Restaurant natürlich auch die Lage, der Standort. Für uns zählt selbstverständlich auch die Nähe zum Produkt. Auf der der Karte ist immer ein Saibling oder eine Forelle vermerkt. Was ich nicht, oder kaum, verarbeite, ist zum Beispiel das Massenprodukt Hummer. Da verarbeite ich lieber Flusskrebse oder Carabineros.“

Einer der Gänge in seinem Menü wurde durch den Kaisergranat bestimmt. Ein Gang, „der vielleicht so ein wenig signature ist“, wie Sven Elverfeld erzählt. „Ich liebe Gewürze, auch, und gerade, die asiatische Küche. Allerdings muss man als Koch die Gewürze auch integrieren können, sie sinnvoll einsetzen“, so Elverfeld weiter. Und was zählt, was er als eine seine Stärken sieht, ist seine Kreativität. „Manchmal bin ich vielleicht sogar zu kreativ“, sagt er fast selbstkritisch.

Und diese Kreativität wissen die Gäste des Aqua durchaus zu schätzen, dabei hat die Klientel oftmals eine lange Anreise. „Denn im Durchschnitt fahren die Gäste im Restaurant sicher mehr als 100 Kilometer um hierher zu kommen, aus den Benelux-Ländern, Dänemark und natürlich aus ganz Deutschland erfolgt oftmals die Anreise nach Wolfsburg; die Klientel ist also durchaus international. Und die will natürlich im Laufe der Zeit auch einen Wechsel im Menü erkennen, nicht bei einem erneuten Besuch das gleiche auf dem Teller haben. Aber daran arbeiten wir permanent, regelmässig werden einzelne Gänge des Menüs ausgetauscht. Und klar: das orientiert sich stark an der Saison und Regionalität“, so der Sternekoch.

Chefkoch Sven Elverfeld. Foto: Kirchgasser Photography
Chefkoch Sven Elverfeld. Foto: Kirchgasser Photography

Ein Menü wie Musik

Und das alles Handarbeit ist, alles in seinem Kopf passiert, was jeweils allabendlich auf den Tellern landet, ist für ihn selbstverständlich. Wenn andere Kollegen mit Tabellen arbeiten, die Kombinationsmöglichkeiten generieren oder sogar Empfehlungen von Bestandteilen servieren, so ist Sven Elverfeld „Kopfmensch“ geblieben. „Ich kann meine Tätigkeit sehr gut mit Musik oder einem Musiker vergleichen: Ein Musiker weiß ja auch, welche Töne er spielen muss. Und so weiß ich, welche Waren ich wie einsetzen kann. Ein Menü kann man durchaus mit einem Musik-Album vergleichen, da kann es bombastisch losgehen oder sich auch durch Dramaturgie auszeichnen.“

Und damit diese Dramaturgie in den Menüs, der reibungslose Ablauf in der Küche und die stets gleichbleibende Qualität im Aqua erhalten bleibt, dafür sorgt nicht zuletzt das Arbeitsumfeld, dass Sven Elverfeld als Voraussetzung für alle Prozesse im Restaurant ausmacht: „Glücklicherweise bleiben sicher 80 Prozent der Mitarbeiter hier wenigsten drei oder vier Jahre im Betrieb.“ Und wenn dann wirklich mal Bedarf nach Mitarbeitern bestehen sollte, kann sich der Chefkoch aus einem fast unendlichen „pool“ bedienen. Seit vielen Jahren existiert eine WhatsApp-Gruppe aus ehemaligen Mitarbeitern, um sich auch in solchen Fällen bei Bedarf auszuhelfen oder auch Mitarbeiter weiter zu vermitteln.

Für Sven Elverfeld ist und bleibt dieser Beruf nach wie vor spannend. Er würde jungen Menschen den Beruf des Kochs oder allgemein in der Gastronomie ausnahmslos ans Herz legen. „Du kannst in dieser Branche reisen, kommst in Kontakt mit anderen Kulturen und Sprachen. Kein Tag ist wie der andere, auch wenn der Verdienst – zumindest in den ersten Jahren – meist geringer ist, als bei Gleichaltrigen in anderen Branchen.“

Das Kochbuch

„Natürlich war der Anruf und die Verkündung über den Empfang der ersten Michelin-Stern 2002 etwas ganz Besonderes. Aber das war – auch wenn nicht ausgesprochen – immer mein Ziel, zumindest dieses Sterne-Niveau zu erreichen. Der dritte Stern 2009 war natürlich auch eine ganz besondere Auszeichnung. Nicht nur, weil es die höchste Auszeichnung des Guide ist, sondern weil das Aqua das erste Drei-Sterne-Restaurant in Norddeutschland war“, so der gebürtige Hanauer.

Impression Aqua Restaurant im Ritz-Carlton in Wolfsburg. Foto: The Ritz-Carlton, Wolfsburg
Impression Aqua Restaurant im Ritz-Carlton in Wolfsburg. Foto: The Ritz-Carlton, Wolfsburg

Und damit dieses Niveau gehalten wird, nichts an Ideen verloren geht, muss es niedergeschrieben werden. Sofort, wie er es in seinem „Das Kochbuch“ schreibt. Dort ist auch nachzulesen, dass die besten Ideen in Ruhephasen oder beim Musik hören geboren werden. So entstand ein 400 Seiten starkes Werk, dass die Idee und den Leitfaden des Aqua ausdruckstark transportiert, keine Frage. Ein kulinarisch absolut hochwertiges Kochbuch und eine klare Empfehlung!

Kindheitserinnerung

2011 kam „Das Kochbuch“ Sven Elverfelds auf den Markt, zwei Jahre nach der Vergabe des dritten Michelin-Sterns. In den vergangenen zwölf Jahren hat sich Elverfeld nicht nur fest in den Drei-Sterne-Bereich kochen können, er ist vielmehr der bodenständige Mensch, so wie wir ihn 2016 in Jeans und Army-Hacke in den Niederlanden kennenlernten. Wie kann dies besser belegt werden, als durch die Bekanntgabe seines Lieblingsgerichts: „Für mich, aus der Kindheit, wenn ich mit meinem Bruder von der Schule kam, war Rührei mit Salzkartoffeln und Spinat immer mein Lieblingsessen. Das pochierte Ei mit Périgord Trüffel im Aqua basiert ein wenig auf dieser Kindheitserinnerung“, erzählt Sven Elverfeld abschließend.


Informationen:

www.ritzcarlton.com

Fotos: Michael Schabacker, Kirchgasser Photography, The Ritz-Carlton, Wolfsburg

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