„Mich stört das Spritzen beim herkömmlichen Weinanbau gewaltig. Wir geraten so immer mehr in eine Sackgasse. Ich mache mir zunehmend Gedanken um die folgenden Generationen und die Zukunft“, begründet Winzer Josef Siller seine Entscheidung für die Piwis. Ein weiterer Grund ist die beschwerliche Arbeit in den Steillagen. „Beim klassischen Anbau kann bis zu zwölf Mal im Jahr gespritzt werden. Es wird auch immer schwieriger Arbeitskräfte für dieses anspruchsvolle Gelände zu finden. Durch Piwis wird es deutlich einfacher“, sind sich die Winzer einig.
Das Winzerquartett ist mit der Umstellung und den bisherigen Weinjahrgängen sehr zufrieden. Während Josef Siller vor acht Jahren mit dem Piwi-Anbau begann, pflanzte Franz Mair bereits vor gut zehn Jahren die neuen Sorten. Ein weiteres Projekt ist beim Kapellgut ein Fokus auf Nachhaltigkeit. Zwischen jeder zweiten Rebzeile wachsen bunte Sommerblumen. „Wir wohnen mitten im Dorf und haben viele Feriengäste. So stellen das Blumenmeer wie auch die Holzpfähle in den Rebgärten eine richtige Augenweide dar. Wir werden die Apfelbäume an den Rändern ebenfalls durch Reben ersetzen, denn den Anblick von Netzen empfinden wir ebenfalls als störend“, bestätigt Winzer Franz Mair.
Die größte Piwi-Fläche befindet sich in der Lage Vogelsang. „Ich hätte nie gedacht, dass der Wein so gut angenommen werden würde“, freut sich Josef Siller, der in seinem Hotel den Gästen gern fachkundig an die Sorten heranführt. Bisher werden von dem Verbund die zwei Eigenbauweine Purino (Souvignier Gris) und Carisma (Muscaris) angeboten. Während das feine Aromenspiel der spannenden Piwis beim Souvignier Gris von Äpfeln über Mirabelle bis hin zu Anklängen von Pfirsich und Maracuja variiert, erinnert der Muscaris eher an aromatische Rebsorten, wie Muskateller.
Vor fünf Jahren konnten die engagierten Winzer den renommierten Kellermeister Hartmann Dona für den Ausbau ihrer Piwi-Weine gewinnen. „Es sind spannende Rebsorten, die sehr variable Ausbaumethoden ermöglichen. Ich musste mich auch erst damit auseinandersetzen“, berichtet der erfahrene Kellermeister.
Zurzeit werden in Südtirol nur zwei Prozent Piwis angebaut und davon befinden sich mit 4,5 Hektar die meisten Flächen in Algund. „Ich empfinde es geradezu als verpflichtend, dass wir uns mit Piwis auseinandersetzen. Schließlich wurde in unserem Keller schon seit dem 12. oder 13. Jahrhundert Wein ausgebaut und das offizielle Dorfwappen von Algund mit der Weintraube deutet auf seine sehr lange Tradition im Weinbau hin“, sagt Josef Siller und führt fort: „Diese Gemeinde im Meraner Land kann sich aufgrund ihrer langen Reblandschafts-Tradition als eine der ältesten Weinbaugemeinden Südtirols bezeichnen“.
Die vier Winzer vom Kapellgut (Franz Mair), dem Platterhof (Martin Ennemoser), dem Brunnermoar Hof (Ulrich Gamper) und dem Weingut Huber unterm Baum (Josef Siller) möchten die Einfachheit betonen und verstärkt auf reduzierten chemischen Pflanzenschutz, Nachhaltigkeit sowie Umweltverträglichkeit setzen. Das Kapellgut, das sich im Herzen von Algund befindet, ist ein Apfel- und Weinbauernhof. Die Trauben wachsen buchstäblich vor der Haustür, und hier wird Weinbau am Hof in seiner reinsten Form praktiziert.
Im alten Dorf befinden sich die Weingüter Platterhof und Huber unterm Baum. Der Platterhof ist ein Obst- und Weinbauernhof, der von weitläufigen Weinbergen und Obstgärten umgeben ist. Das Weingut Huber unterm Baum am Südhang des Algunder Waalwegs baut ausschließlich Piwi-Sorten an. Der Brunnermoar Hof, der dem Bürgermeister Ulrich Gamper in Mitterplars gehört, legt großen Wert auf biologische Landwirtschaft über Generationen hinweg und konzentriert sich auf eine nachhaltige Bewirtschaftung der Weinberge sowie Obstplantagen. Das gemeinsame Ziel des Piwi-Projekts ist die Wiederbelebung der Einfachheit und durch den Anbau pilzwiderstandsfähiger Rebsorten neue Geschmackserlebnisse zu schaffen.
„Ganz neu sind Piwis nicht. Die Züchtung dieser Sorten wird seit Ende des 19. Jahrhunderts vorangetrieben. Es ist aber ein ganz langsamer Prozess. Typisch sind unter anderem die Sorten Souvignier Gris, Muscaris, Solaris, Bronner, Chambourcin und Cabernet Cortis“, ergänzt Josef Siller.
Für Kulturliebhaber und Weininteressierte bietet Algund auch eine weitere spannende Möglichkeit, mehr über den Weinanbau zu erfahren. Ein gut fünf Kilometer lange Weinlehrpfad, der im Zentrum von Algund beginnt und leicht begehbar ist, führt durch klassische Weingärten entlang des idyllischen Waalwegs mit Blick auf die berühmten Algunder Steilhänge, die besonders hochwertige Trauben hervorbringen. Der Pfad bereitet besonders viel Freude bei einer Wanderung in Begleitung mit dem Weinexperten Norbert Rechenmacher
Informationen:
www.algund.info/de
Fotos: Carola Faber