Die boomende Hauptstadt Westpommerns liegt an der Odermündung und dem Stettiner Haff. Die Ostseemetropole, Zentrum der grenzüberschreitend historischen Region Pommern, präsentiert sich begeisterten internationalen Besuchern gegenüber extrem offen und innovativ: das gilt insbesondere für das ökologisch ausgerichtete Entwicklungsprogramm „Floating Garden“ der alten Hafenstadt: Bis 2050 sollen die Inseln und Kanäle der Mitteloder und Dammschem See und die Parks und Waldgebiete der Stadt, Szeczenin in einen schwimmenden Garten verwandeln.
Schon heute wartet die alte Grenz- und Hansestadt mit ausgezeichneter touristischer Infrastruktur (Hotels, Kulinarisches, Kultur) auf. Dank des städtischen Besucherpfads ist es kinderleicht, sich zu orientieren: eine auf Gehwegen rot punktierte Linie (vom Bahnhof aus), führt zu den Sehenswürdigkeiten und schönen Orten Szczecins. Natürlich geleitet die Route in das Herz der Altstadt, die mit ihren perfekt restaurierten Plätzen und Monumenten sowie kulinarischen Entdeckungen lockt.
Szczecins Altstadt – die gotische Jakobskathedrale und das Flora-Denkmal
Über dem Zentrum der 1945 schwer zerstörten Altstadt thront die Jacobskathedrale. Das gotische Bauwerk zählt zu den größten Kirchen Pommerns und blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück. Ursprünglich geht Sankt Jakob auf die Konsekration des Bischofs Zyfryd zurück: 1187 stiftete der Bamberger Bürger Jakob Beringer den Bau der Pfarrkirche um Pommern möglichst schnell zu evangelisieren. Anstelle des alten kleinen Gotteshauses entstand im 14. Jahrhundert die stattliche Kirche, 1375 wurde der Chor fertiggestellt, die Halle 1400. Der hohe Turm kam erst 1504 dazu. Ein wichtiger Baumeister war Heinrich Brunsberg. Bedeutend ist das Presbyterium mit dem Altar, der aus drei zerstörten gotischen Altären Polens (aus den Kirchen Chojno, Mieszkowice, und Lukowa stammen) zusammengesetzt und von einem Kreuz aus dem 15. Jahrhundert geschmückt ist und die Taufkapelle mit Triptychon aus dem 16. Jahrhundert sowie Reliquien des Heiligen Otton aus Bamberg.
Bestimmt war die Jakobikirche vor allem für die deutschen Bürger in Stettin. Nach der Reformation zog die lutherische Gemeinde hier ein. Nach Zerstörungen etwa dem Großbrand im Zuge der Belagerung durch Brandenburg 1677 erlebte das Gotteshaus mehrere Umbauten, so hatte die Kirche 1699 Kirche 52 Altäre. Von diesem mittelalterlichen Bau hat sich nichts erhalten, aber große sakrale Wirkung entfalten neben Altar und Skulptur des Kirchenpatrons Jakobus der Ältere und der Kapelle der Pommerschen Herzöge die vielen reichgeschmückten Nebenaltäre: interessant ist das Madonnenflachrelief (1693), das die Madonna auf Heringen darstellt und das Wappen der Fischhändler ist. Andere Berufsvereinigung, die Werftarbeiter stifteten eigene Nischen, hier sind neben der Schiffsglocke auch Symbole der Solidarnosc zu finden. Bewegend und bedeutend bleibt das Gedenken in der Nische für den polnischen Pater Maximilian Kolbe, der im Konzentrationslager Auschwitz anstelle eines polnischen Familienvaters freiwillig in die Todeskammer ging. Papst Johannes Paul II. sprach Kolbe heilig. Ein Kirchenfenster ist zudem der im Hungertrakt von Ausschwitz verstorbenen Edith Stein gewidmet.
Bei der Bombardierung 1944 überlebten Chor und Turm und 1945 ging die Ruine der evangelischen Jakobikirche in die Hände der polnischen katholischen Kirche über. Ihr Wiederaufbau erfolgte erst 1970, 1972 wurde sie zur Kathedrale ernannt und 1983 erhob Papst Johannes Paul II. den Szczecins Dom zur Basilika minore. Ihren 110 m hohen Turm erhielt sie nach der Milleniumswende und auch der ursprüngliche Turmhelm von 1624 krönt seit 2007 den Bau. Die Aussichtsplattform ist seit 2009 begehbar, zwei Fahrstühle führen hinauf. Hier eröffnen sich grandiose Blicke auf den Hafen mit den alten Kränen, die liebevoll Dinosaurier heißen und auf die Werften, den Dammschen See, auf die Altstadt mit dem Schloss des Herrschergeschlechts der Greifen, auf das alte Rathaus mit dem Heumarkt, auf die Hakenterrasse, benannt nach Stettins erfolgreichem Bürgermeister und den sich daran anschließenden ehemaligen Regierungssitz, das Amt der Woiwodschaft Westpommern.
Die bedeutendsten Orgelkonzerte Polens finden in der Kathedrale statt. Ihre Orgel verdankt sie dem Dresdner Matthias Schuler, Arp Schnitzler vollendete den Orgelbau 1699. Über 46 Jahre wirkte der Komponist, Kantor und Organist Carl Loewe in der Pfarrkirche, sein Herz ist in den ersten südlichen Pfeiler der alten Orgel eingemauert. Bei freiem Eintritt lauschen heute zahlreiche Besucher der Musik Bachs, Corellis und Francks, die durch die mit fast 5000 Pfeifen von 1 bis 10 Meter Länge ausgestatteten 65-stimmigen modernen Orgel erklingt.
Ganz in der Nähe Sankt Jakobus auch auf dem roten Besucherpfad eingezeichnet liegt das Denkmal der antiken Göttin Flora inmitten eines kleinen Parks. Die barocke Statue schuf der deutsche Bildhauer Johann Georg Glume um 1730. Nach der Zerstörung der Figur im zweiten Weltkrieg wurde sie 1953 restauriert. In der Hand hält die Frühlingsgöttin einen Blumenkorb, sie wird rechts und links von zwei Putti begleitet. Eines der göttlichen Helfer erklettert ein Füllhorn. Ein Stückchen weiter liegt der geschichtsträchtige Ort, der Weiße Adler Platz mit dem barocken Springbrunnen (Polnisch: Plac Orła Białego). Hier erblickte die Zarin Katharina die II das Licht der Welt.
Am Heumarkt (Alte Markt) Rynek Sienny
Die bei der Bombardierung 1944 fast gänzlich zerstörte Altstadt, die zwischen dem Oderufer und der heutigen Bahnhofsstraße und der Unabhängigkeitsallee, (dem früheren Paradeplatz) und dem Platz des polnischen Soldaten (früher Königsplatz) und der neuen Schlosstrasse (einer Schnellstrasse) liegt, konnte seit Ende der 1990er Jahre nur teilweise wiederaufgebaut werden. Doch es gelang markante Orte stadthistorischer Identität zu schaffen. Oben thront das Schloss der Herzöge von Pommern. Südlich davon lag die Bürgerstadt. Sie wird heute durch den Loitzenhof, den im gotischen Stil restaurierten Kaufmannspalast, repräsentiert. Die Kaufmannsfamilie Loitz (Vorfahre Dom Loitzów 16. Jahrhundert) erwarb ihre Reichtümer im Salzhandel und machte im Dienst der Pommerschen herzöge Bankiersgeschäfte in Nordeuropa. Am Fuß des Schlosses lagen der Heumarkt (Alte Markt), der Neumarkt, die Nikolaikirche (1811 abgebrannt), das Alte Rathaus, imposante gotische Backsteinarchitektur.
Den Heumarkt (Rynek Sienny), ein imposanter Marktplatz mit Kopfsteinpflaster, säumen an der Ostseite heute wieder Giebelhäuser mit Barockfassaden in leuchtendem blau, gelb und burgunderrot. Damit erhalten die Bewohner Szczenins einen identitätsstiftenden Teil ihrer Geschichte zurück. Kleine Cafés laden an dem wunderschönen Alten Markt zum Verweilen ein. Und: direkt am Platz offeriert das Restaurant „Brasileirinho – Brazylijska Kuchnia & Bar“ („Kleiner Brasilianer“) beste exotische Kochkunst. Schon die Außenterrasse mit Blick auf den Heumarkt ist äußerst anziehend. Eine Berimbau – das klassische Saiten-Musikinstrument afro-brasilianischer Kulte – und andere Objekte regionaler Folklore schaffen ein authentisches Ambiente. Dazu gehören auch die bunt bemalten Kacheln der Treppe, die in die offenen Separées und den großen Speisesaal im Untergeschoss des Restaurants führen.
Die Treppe ist eine Anleihe an den zur Ikone gewordenen Aufgang zu einer der berühmten favelas (slum) Rio de Janeiros. Brasileirinhos Küche wartet mit originären Vorspeisen auf: populären „Pasteis“ – frittierte Teigtaschen gefüllt mit scharfen Krabben oder Frischkäse – und „Coxinha“ (Hühnerschenkel) Hühnchenfleischfasern in krosser Panade, ein mundgerechter Happen, dann „pãozinho de queijo“ fluffiges Käsebällchengebäck. Dazu passt perfekt eine Caipirinha, entweder klassisch mit Zuckerrohrschnaps oder die auch in Brasilien beliebte Version auf Wodkabasis.
Dank Fusion ist auch eine weitere Variante mit frischer Ananas oder Kiwi zu haben. Als Hauptgang kommt „Churrasco“(„Gegrilltes“) auf den Tisch: Das hochwertigste Stück vom Rind, die Picanha, ein Rinderfiletstück mit Fettrand (lecker!), Schweinelendchen, Huhn und Salsicha, würzige Bratwürstchen. Beilagen des Churrasco im Brasileirinho sind kleine Portionen „Feijoada“ – schwarzer Bohneneintopf – Reis, frittierter Maniok (in Pommes Frittes Form), geröstetes grobes Maniokmehl und zwei kalten Soßen, eine Chilisoße und eine aus frischem Koriander, feingeschnittenen Tomaten, Zwiebeln und Limette. Dazu serviert die Küche große gemischte Salatplatten mit köstlichen Palmenherzen. Statt Caipi bietet sich an auch das berühmte brasilianische Traditionsbier „Brahma“ aus São Paulo zu probieren. Die einst großen braunen Flaschen sind heute modernem Design gewichen: durchsichtige kleine Flaschen mit gelbem Etikett. Also „Saude“, pana zdrowie, zum Wohl!
Information:
Polnisches Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel
Essen und Trinken:
Rest. „Brasileirinho – Brazylijska Kuchnia & Bar“ („Kleiner Brasilianer“) mit Außenterasse, Separées und Saal im Untergeschoss, https://de.de.facebook.com/brasileirinhoszczecin/
Fotos: Jürgen Sorges