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Azienda Agricola Giovanni Abrigo: „Kleiner Süßer“, erlesen und fein!

Damals lag, zur Freude vieler Aussteiger aus Nordeuropa, das genaue Gegenteil im Trend: Italien erlebte eine gewaltigen Exodus vom Land in die Städte, viele verkauften ihre kleinen Familiengüter, um sich neue Lebensperspektiven an den Werkbänken dieser Welt zu schaffen. Nicht so Giovanni Abrigo, der sich entschloss, seinen neuen Hof Crava noch nach alter Art zu führen: Wein wurde angebaut, klar, doch vor allem wurden die Trauben an die großen Keltereien ringsum verkauft. Nur ein kleiner Teil der Weinernte diente für den familiären Bedarf. Dazu kam die Viehzucht mit piemontesischen Rindern und es wurden verschiedenste Obstsorten kultiviert. Schließlich durfte auch die jährliche Ernte der wohl berühmtesten und heute auch teuersten Haselnuss der Welt, der geschützten Nocciola Piemonte I.G.P., nicht fehlen. Dann beendete 1987 Sohn Giorgio Abrigo, er führt heute das Gut, sein Landwirtschaftsstudium und setzte fortan neue Akzente im Weinbau.

Heue bewirtschaftet Giorgio Abrigo mit Gattin Paola Morando 13,67 ha Weinberge – mit großem Erfolg und viel Augenmerk auf Nachhaltigkeit! Gerade einmal 60 000 Flaschen werden pro Jahr abgefüllt. Aber, so Giorgio Abrigo, dies sei nur der Beginn eines weiten Weges für das Weingut, das gerade dabei sei, die Horizonte zu erweitern und sich zu vergrößern, um bald auch international als Botschafter des längst berühmten Territoriums des rubinroten Dolcetto di Diano d`Alba zu fungieren.

Dass solche hehren Ziele nicht abwegig sind, dafür sorgt nun auch schon die dritte Generation der Abrigo-Familie. So ist Sohn Giulio Abrigo bereits aktiv. Der Absolvent der Weinschule Umberto I in der Trüffel-, Barolo- und Nebbiolo-Hochburg Alba hat schon fleißig experimentiert und mit dem „Abrigo2“ seinen ersten eigenen Wein kreiert.

Die Familie Abrigo. Foto: Azienda Agricola Giovanni Abrig
Die Familie Abrigo. Foto: Azienda Agricola Giovanni Abrig

Und auch der jüngere Sohn Sergio Abrigo, noch Universitätsstudent für Önologie, hat seinen ersten Wein geschaffen. Es ist ein „Winterwein“ („Inverno“), aus passierten Trauben und ohne jede Sulfite, weit mehr als „nur“ ein Wein, den er „Sesta Classe“ taufte. Allen Abrigo gemein ist indes die Liebe zum Dolcetto di Diano. Und die teilt die Abrigo-Familie auch mit den Dorfbewohnern von Diano d`Alba. Als Giovanni Abrigo Ende der 1960er Jahre hier Fuß fasste, war das Dorf mit gerade einmal 2100 Einwohnern quasi am Tiefpunkt der Entwicklung angelangt. Heute sind es mit über 3600 Einwohnern wieder fast doppelt so viele. Und ein, wenn nicht der wichtige Grund für diese höchst positive Entwicklung ist die unter mindestens noch 96 weiteren Namen bekannte Rebsorte „Dolcetto“. Indes: Der Dolcetto aus Diano d`Alba ist schon seit 1974 geschützt. Nur sechs weitere Dolcetto-Kleinstweingebiete im Piemont können dies für sich in Anspruch nehmen. Und seit 2010 – und nochmals 2014 aktualisiert – ist der Dolcetto d`Alba sogar ein DOCG-Gebiet. Und dafür haben die Dorfbewohner von Diano d`Alba – und somit auch die Abrigo-Familie – höchst selbst gesorgt. Fleißig haben sie schon seit den 1980er Jahren nur die allerbesten Hänge im 490 m über dem Meeresspiegel gelegenen Dorf ausgewählt, um ihre Dolcetto-Rebsorte zu hegen und zu pflegen. Bei den Abrigo liegen sie zwischen 400 und 450 m Höhe. Heute sind in Diano d`Alba 77 solcher Flächen ausgewiesen, die im Dialekt “ sorí“ bzw. „sörí“ genannt werden. „Sorí“ wiederum steht für „luogo solatio“, einen sonnenverwöhnten Ort.

Und so wachsen und gedeihen nun die Trauben des Dolcetto, übersetzt „der kleine Süße“ auf insgesamt 300 Hektar Rebfläche. Heraus kommt ein Wein, den schon Veronelli zu den allerbesten Italiens zählte. 9 der 13,67 Hektar Weinberge der Azienda Agricola Giovanni Abrigo liegen direkt in Diano d`Alba. Sie diene für die Erzeugung von weißen und roten Trauben. Ein weiterer Hektar kommt im nahen Grinzane Cavour hinzu, einer in der Gemeinde Roddi und knapp zwei Hektar in Novello im Ortsteil Ravera. Sämtlich vor durchschnittlich 30 Jahren angelegt, befinden sich sämtliche Abrigo-Weinberge im allerbesten Alter und bieten so neben dem Terroir optimalste Voraussetzungen für Spitzenweine.

Und beim „kleinen Süßen“, dem Dolcetto, heißt dies: Er ist ein wunderbar intensiver rubinroter Wein mit violetten Reflexen, fruchtig, mit einem Hauch von Holz, trocken und vor allem herrlich harmonisch! Besitzt der „kleine Süße“ mehr als 12,5 % Alkoholgehalt, darf er sich sogar „Superiore“ nennen. Das ist für die Weine von Abrigo gar kein Problem. So erreicht der Dolcetto di Diano d`Alba Superiore „Garabei“ 2019 mühelos 13,5 %, der gleiche Wein vom Jahrgang 2018 sogar 14 %!

Abrigo lässt auf den „Sori Crava“, in Südostrichtung in 400 m Höhe in Diano d`Alba angelegten, 30 Jahre alten Weinbergen, die Trauben für den Dolcetto di Diano „Sorí dei Crava“ gedeihen. Es entsteht ein fruchtig trockener Wein mit duftenden Aromen und Charakter, der auch Langlebigkeit besitzt.

Dolcetto Superiore. Foto: Azienda Agricola Giovanni Abrigo
Dolcetto Superiore. Foto: Azienda Agricola Giovanni Abrigo

Zu den „Sorí dei Crava“ gehören auch die steilen Weinberge der „Garabei“: Hier sind die Rebstöcke sogar bis zu 50 Jahre alt. Sie sind die ältesten von Abrigo und sozusagen das Schatzkästchen für den „kleinen Süßen“: Südsüdwest-Lage, in nur 350 m Höhe: Hier entwickelt der geschützte, absolut reinsortige Dolcetto di Diano d`Alba Superiore „Garabei“ seine einzigartige Komplexität und expressive Schönheit. Das sandstein- und lehmhaltige Terrain schenkt ihm Harmonie, Eleganz, duftige Aromen mit einem variantenreichen Bouquet von Kirschen, Sauerkirschen und roten Früchten, einen leicht mandelartigen Geschmack und großzügige Langlebigkeit von über zehn Jahren. Er wird Mitte September von Hand gelesen. Der 2018er, er erhielt die maximalen drei Sterne von Veronelli und 90 Punkte von Doctor Wine und James Suckling, ist schon für ca. 12 € die 0,75-l-Flasche zu haben und passt, eventuell dekantiert und bei 16 bis 18°C serviert, perfekt zu gegrilltem Gemüse, deftiger Pasta, Lamm, Rindfleischgerichten und auch Hirsch- oder Rehbraten. Und natürlich zu reifem Hartkäse. Etwas günstiger ist sogar der 2019er (ca. 11 € pro 0,75-l-Flasche).

Und natürlich experimentiert Abrigo auch noch mit und auf weiteren Weinbergen. So liefert der sand- und sandsteinhaltige Weinberg unterhalb der Rocca von Diano d`Alba allerbeste Trauben für den „Barbera“. Und auch von den neuen Weinbergen in Grinzane Cavour und Roddi erwartet man Top-Resultate. Und auf dem 1992 angelegten, 1,25 ha großen Weinberg gedeiht die authochtone Traube „Favorita“. Nebbiolo-Traune für den Nebbiolo d`Alba gediehen seit 2004, 2006 und 2013 auf insgesamt 1,6 ha Weinbergen in Diano d`Alba.

Und Nebbiolo-Trauben für den Barolo liefern die Weinberge im Ortsteil Ravera von Novello. Schließlich ist ein 5400 m² großer Weinberg in Diano d`Albo für Nebbiolo-Trauben reserviert, die für den Langhe Nebbiolo dienen. Er wurde allerdings erst 2013 angelegt. Aktuell liefert Abrigo, der auch den leckeren weißen Arneis und einen Rosé produziert und vor Ort noch immer nur im Direktverkauf ab Hof die Super-Haselnüsse aus der Langhe verkauft (zu Weihnachten ein Renner!), bereits Weine in die USA, nach Nordeuropa, Japan, China, Brasilien und weitere südamerikanische Länder. Und eben auch erfolgreich in den deutschsprachigen Raum.

Erfahrung ist für die Abrigo-Familie der Schlüssel zum Erfolg. Aber auch der hohe Wert von Wissen und Wissenschaft hinter jedem Arbeitsschritt und der unbedingte Schutz der UNESCO-Weltkulturerbe-Landschaft der Langhe gehören dazu. Und natürlich gehen Qualität und Nachhaltigkeit hier Hand in Hand. Der entscheiden Schritt ist aber die Parzellierung des Territoriums und die jeweils separate Vinifizierung. Denn so erhält der vorzügliche „kleine Süße“ aus Diano d`Alba erst seine volle Eleganz. Und dies wird im 2019 eröffneten neuen Weinkeller auch geschehen. Und man sollte auf die Barolo Ravera-Weine von Abrigo achten. Der 2016er erhielt schon zwischen 93 und 95 Punkte – ein Top-Resultat!


Information:

Azienda Agricola Giovanni Abrigo, www.abrigo.it

Fotos: Azienda Agricola Giovanni Abrigo

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