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Ritt mit dem Teufel

„Es ist für mich ein ganz besonderer Tag. Ich freue mich riesig, diesen Tag mit Ihnen zu feiern, es ist mein Geburtstag heute.“ Mit diesen Worten begrüßt die nun 32 Jahre junge Ausnahmepianistin Sophie Pacini das Publikum im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens nach der cis-moll Nocturne von Chopin zur Einstimmung. 

Ebenso charmant wie redegewandt und frei von jeglichen Allüren bringt sie dem Publikum ihren persönlichen Zugang zur Musik nahe, die sie an diesem Abend buchstäblich zum Besten geben wird. Zu Chopin hatte Pacini schon immer eine enge Verbindung. „Er hat mich durch meine Teenagerzeit gebracht – gerade in der Schulzeit, wo ich früh schon eine Außenseiterin war“, sagte sie im November gegenüber „BR-Klassik“. „Dadurch, dass ich früh zu konzertieren angefangen habe, viele Meisterkurse gemacht habe – und somit schon in frühen Jahren wenig in der Schule war, war ich automatisch eine Außenseiterin“, blickt die Ausnahmepianistin zurück. Die Musik von Chopin war für sie eine Welt, in die sie fliehen konnte.

„Ich habe angefangen, Dinge drastischer zu zeichnen“

Einen besonderen Stellenwert genießen an diesem Abend neben dem Scherzo (b-Moll op. 31) und der Fantaisie Impromptu von Chopin insbesondere dessen Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23 und die h-Moll-Sonate von Franz Liszt. Chopins Ballade gehört zu den Werken, die ihr Mut und Trost während ihres ganzen musikalischen Lebens gespendet haben. Einem breiten Publikum bekannt wurde das Werk durch den Polanski-Film „Der Pianist“, in dem ein polnisch-jüdischer Klaviervirtuose dank seines mitreißenden Spiels der Chopin-Ballade der Ermordung durch die SS entgeht.

„Es gab da eine Stelle, die noch viel diabolischer klingen musste.“ Foto: Luca-Ferrari
„Es gab da eine Stelle, die noch viel diabolischer klingen musste.“ Foto: Luca-Ferrari

Brillant ist auch die Darbietung Pacinis, die selbst bei extrem schnellen Tempi und im Fortissimo souverän und differenziert bleibt. Auch in den Pianissimo-Passagen wird der Ausdruck des Gefühls bei ihr nie zum schwülstigen Selbstzweck. Überhaupt präsentiert die Jubilarin eine ganz andere Lesart: dramatisch, kantig, scharf und kontrastreich. Ebenfalls zu ihrer ureigenen Werkdeutung gehören extravagante Rubati, allen voran die Verzögerungen im ersten Thema der Chopin-Ballade und im lyrisch-poetischen Mittelteil von Chopins Fantaisie-Impromptu op. 60. 

Sie selbst attestierte sich schon vor Jahren einen eigenen Zugang zur Klaviermusik, der „jenseits einer Spieltradition liegt“. „Mir fehlte etwas“, sagte sie, als sie sich – gerade 17 Jahre alt geworden – auf einen Klavierwettbewerb in Gstaad vorbereitete. „Es gab da eine Stelle, die noch viel diabolischer klingen musste. Ich habe angefangen, Dinge drastischer zu zeichnen.“ Sie wagte viel – und siegte. 

Brachiale Gewalt und große melodische Bögen

Ihr großes Vorbild ist die Grande Dame des Klaviers Martha Argerich. Doch die heute 82-Jährige wollte im Jahr 2010 nichts von Pacini wissen, als sie sich in Italien trafen. Sophie aber blieb hartnäckig. Argerich gab sich konziliant und meinte: „Nun, dir ist ja offenbar nicht zu helfen. Dann spiel!“ Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: „Was für eine Persönlichkeit“, sagte Argerich damals, „du erinnerst mich an mich selbst. Ich merke, dass du einen eigenen Kopf hast.“ Immer wieder treten die Freundinnen als Duo auf. 

Das Schicksal klopft an die Tür als Hammerschlag-Motiv... Foto: A2-Photography
Das Schicksal klopft an die Tür als Hammerschlag-Motiv... Foto: A2-Photography

Ein starkes Bindeglied ihrer Freundschaft ist die knapp halbstündige h-Moll-Sonate von Franz Liszt, die Pacini im zweiten Teil ihres Rezitals zur Geltung bringt. Sie gilt als eines der bedeutendsten, technisch anspruchsvollsten Klavierwerke der Romantik. Das Werk sei Goethes Faust nachempfunden, erklärt Pacini. Mephisto, das Dunkle und die Versuchung sind mit von der Partie. Das Schicksal klopft an die Tür als Hammerschlag-Motiv, das die Pianistin kurz intoniert. Die technische Schwierigkeit der Sonate symbolisiert für sie die Hürden des Lebens. „Am Ende kommt der Tanz des Teufels“, betont Pacini. Doch der Schluss bleibt offen: Die Sonate endet auf der Dominante und damit auf Fis-Dur, ohne aufgelöst zu werden. Am Ende ihrer Einführung lädt die Liszt-Verehrerin die Zuhörer auf einen „Ritt mit dem Teufel“ ein. 

Sie hat nicht zu viel versprochen. Ihr Spiel gleicht einer diabolischen Klangreise. Scheinbar mühelos führt die Deutsch-Italienerin Leidenschaft, brachiale Gewalt und große melodische Bögen zusammen. Auch die Zugabe annonciert Sophie Pacini mit einem kurzen Kommentar. Gerade seien die Notenblätter aus dem Drucker gekommen, sagt sie lächelnd. Es ist das Liebesthema aus Andrea und Ennio Morricones Musik zu Giuseppe Tornatores warmherzigem Film „Nuovo Cinema Paradiso“. Geburtstagskind Pacini widmet es ihren Eltern. 

Fotos: Anastasia Doskal, Luca-Ferrari, A2-Photography

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