Vermutlich jeder Stadtbesucher gelangt irgendwann in Viterbos von hohen Mauern umgürteter mittelalterlichem Centro Storico auf die Via San Lorenzo. Sie ist eine der Hauptarterien im urbanen Gassengewirr und verbindet das politische Zentrum der Stadt, die Piazza del Plebiscito, mit dem religiösen, der Kathedrale San Lorenzo und dem einstigen Palast der Päpste an der Piazza San Lorenzo. Hier öffnen zahlreiche Läden, vom feinsten Modegeschäft bis zum billigen Jakob, der Kleider und Gürtel verhökert, ist alles vertreten. Vor allem aber sammeln sich hier in den Erdgeschossen der aneinander gereihten Paläste viele kleine Restaurants, die auch an Straßentischen zur heutigen großen Attraktion Viterbos bitten: zur Porchetta.
Nun ja: Früher galt und warb Viterbo mit dem Slogan „Città delle belle fontane e delle belle donne“, „Stadt der schönen Brunnen und der schönen Frauen“. Das scheint heute nicht mehr zeitgemäß! Und so rückte diese kulinarische Spezialität in den Fokus des Tourismus: Porchetta, das ist eine, wenn nicht die lokale Spezialität Mittelitaliens, vor allem in Umbrien und im Latium. Gemeint ist ein mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und wildem Fenchel gewürztes, im mit Holz beheizten Brotbackofen geröstetes Schwein von circa 50 Kilogramm Gewicht – indes kein Spanferkel! Das Schwein wird entbeint und ausgenommen, dann gewürzt, mit den Innereien erneut gefüllt, wieder vernäht und gelangt dann in den Ofen. Serviert wird es heute vorwiegend kalt, zum Beispiel im Brot als leckeres Sandwich. An der Via San Lorenzo ruft ein besonders gewitzter Wirt gar zur „Porky Hour“ auf. Bei ihm gibt es Porchetta mit einem Glas Wein für schlappe fünf Euro!

Nur wenige Schritte weiter öffnet sich dem geneigten Besuchspublikum ein von alten Bäumen angenehm beschattetes Kuriosum: Viterbos Piazza della Morte, der „Platz des Todes“. Es ist übrigens der einzige Platz dieses Namens in ganz Italien. Denn wer will schon täglich vor seiner Haustür an den Sensenmann erinnert werden. Nicht so die Viterbesen: Der Brunnen auf dem Platz, aus dem 13. Jahrhundert heißt natürlich auch Fontana della Morte („Brunnen des Todes“).
Und nur wenige Schritte entfernt geht es neuerdings sogar in die Unterwelt der Stadt: Hier lockt ein Privatanbieter zu „Viterbo Sotterranea“, einer Führung durch die unterirdische Stadt samt Verkostung mit lokalen Leckerbissen. Na klar: Viterbo ist eine uralte Stadt, die Gründung ging schon auf die Etrusker zurück, hieß damals Surrena oder Surna, wurde dann 310 v. Chr. von den Römern erobert und hieß fortan Castrum Herculis. Dies war nicht zuletzt dem Herkules-Tempel zu verdanken, auf dessen Resten heute die Kathedrale San Lorenzo ruht. Dank der Lage an der antiken Römerstraße Via Cassia wurde die Stadt rasch bedeutend, hieß im 8. Jahrhundert erstmals Castrum Biterbi, was sich wohl vom lateinischen „vetus urbs“ („alte Stadt“), mithin „Burg der Altstadt“ ableiten lässt. Was danach geschah, zeigt das Wappen Viterbos: Prominent sind darauf die Löwen, die auch auf Viterbos berühmtesten Brunnen, der Fontana dei Leoni (Löwenbrunnen) an der Piazza delle Erbe (Kräuterplatz) eine große Rolle spielen.

Aber zurück auf den „Platz des Todes“: Hier wurde niemand je hingerichtet. Das geschah indes nur 200 Meter entfernt auf spektakuläre Weise vor dem Portaleingang der ab 1080 bekannten romanischen Kirche San Silvestro (Chiesa di San Silvestro) an der Piazza del Gesù im Herzen der Altstadt. Eine Tafel an der Kirchenwand erinnert an die Freveltat, einen grausamen Rachemord am englischen Höfling Heinrich von Cornwall (1235 – 1271) der hier am 13. März 1271 von den adligen Brüdern und englischen Asylanten Guy und Simon de Montfort brutal exekutiert wurde, obschon er sich am Altar festklammerte und um Gnade flehte.
Besonders attraktiv ist auch, dass an der Piazza della Morte 14 das Ristorantino Il Gargolo öffnet und mit seinen zahlreichen Open-air-Tischen zum vergnügten Verweilen im Schatten unter der Mittagssonne einlädt. Ein zum Werbeschild verändertes Fahrrad mit zig Korken auf den Speichen zeigt zudem an, dass „Il Gargolo“ auch leckeren Wein bietet. Übersetzbar sei der Name „Gargolo“ nicht, meint die freundliche Bedienung bei unserer Bestellung – einfach ein Kunstwort.
Dann aber geht es zur Sache: Ein Hit ist etwa das Nudelgericht mit Venusmuscheln (Vongole), Traditionspflege bedeutet das ortstypisch zubereitete Pollo alla Viterbese (Huhn nach Art von Viterbo). Und schließlich richtig großartig ist dann „Tunfisch in Sesamkruste mit Kichererbsen-Püree“.

Weiter geht es bergauf vorbei am Palazzo Farnese, in dem Alessandro Farnese, später Papst Paul III., und wohl auch Schwester Giulia Farnese einen Teil ihrer Kindheit verbrachten. Dann ragt der Turm der Kathedrale San Lorenzo auf, deren Kirchenschiff im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde und nun wieder perfekt aufgebaut ist. Die neuen Bronzetüren schuf der 1939 in Siena geborene Roberto Joppolo 2009 im Auftrag des Ratzinger-Papstes Benedikt XVI.
Dann geht es zum 1255 – 1266 erbauten Palast der Päpste, in dem zahlreiche Päpste residierten und in dem das berühmte Konklave zur Wahl von Papst Gregor X. im Jahr 1271 stattfand. Heute kann man den Konklave-Saal bewundern – auch das Dach, das angeblich von erbosten Viterbesen komplett Abgenommen wurde, nachdem das Konzil nach drei Jahren heftigen Disputs noch keinen Nachfolger gefunden hatte. Doch das Dach wurde wohl nur in Teilen abgetragen – und dass die Wahlkardinäle auf Wasser und Brot gesetzt wurden, ist vermutlich auch eher unglaubwürdig.
Großartig ist hingegen der Blick vom Belvedere des Palastes der Päpste (Palazzo dei Papi) auf die Kirche der heiligsten an der Piazza Trinità 8, die in Viterbo auch Chiesa della Madonna Liberatrice genannt wird. Der gesamt Komplex ist als Museo Colle del Duomo zu besichtigen, auch mit der Viterbo Card, die fünf Tage gültig ist.

Denn Viterbo bietet noch so viel mehr. Etwa das volkstümliche Mittelalterviertel San Pellegrino, das nationale Etruskermuseum oder das Keramikmuseum. Natürlich Pflicht sind die Päpstlichen Thermen und die Etruskernekropole Castel d`Asso, dann auch die Kirche Santa Rosa. Zu Ehren der Heiligen Rosa von Viterbo findet jährlich am 3.9. eine Stadtprozession statt, zu der ein alle paar Jahre neu gebautes 30 Meter hohes Ungetüm, die „Macchina di Santa Rosa“, von 100 Männern durch die Straßen getragen wird.
Und natürlich muss man zur Piazza del Plebiscito: Großartig ist dort die Brunnenanlage auf dem Terrassenhof des Palazzo dei Priori, in dem regelmäßig Ausstellungen stattfinden. Er wurde ab 1624 nach dem Entwurf des Malers Filippo Caparozzi aus Viterbo von der aus Viterbo stammenden Bildhauern Antonio Pieruzzi, Agostino Prosperi, Leonetto Carrarini und Antonio Conti geschaffen. Und großartig am Platz ist auch das Fresko „Madonna mit Kind und Verehrern“ über dem Eingang zum Optikladen Ottica Burla. So etwas gibt es eben nur in Italien.
Informationen:
Stadt Viterbo: www.visit.viterbo.it
Viterbo Pass/Museen: www.viterbopass.it
Fotos: Ellen Spielmann