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Polarkreis: Rovaniemi, nordfinnische Landschaft und Arctic Cuisine

Rovaniemi (Stadt und Gemeinde zählen 63528 Einwohner) liegt am Zusammenfluss von Ounasjoki und Kemijoki und gilt als das „Tor zum Norden“. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt passiert man erstmals die Polarkreismarkierung und dann die moderne „Brücke mit ewigem Licht“. Finnlands moderner Stararchitekt Alvar Aalto (1898-1976) hat das von der deutschen Wehrmacht total zerstörte Rovaniemi nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut. Er hatte die geniale identitätsstiftende Idee für den Stadtgrundriss ein Rentiergeweih zu wählen.

Aalto entwarf zentrale Gebäudekomplexe der Stadt: das „Zentrum für Kultur und Verwaltung“ bestehend aus Stadthalle (1988), „Bibliothek“ (1965) und das „Lappiahaus“ (1975), das als Theater, Konzertsaal und Kongresszentrum funktioniert. Sie geben Rovaniemi ein ganz eigenes Gesicht. Auch die von Aalto von 1958 bis 1961 mitgebaute Wald-Siedlung Tapiola ist spannend. Der Name Tapiola bedeutet „Gott des Waldes“, er spielt eine Schlüsselrolle im Kalevala-Nationalepos. Jean Sibelius, Finnlands Nationalkomponist, komponierte 1926 eine Tapiola-Symphonie in der Naturkräfte, z.B. der Sturm und der Wald unter Einsatz von Holzbläsern zu Protagonisten werden.

Inmitten dieser nordfinnischen Landschaft von Rovaniemi liegt das charmante „Lappland Hotel Sky“ im örtlichen Skigebiet Ounasvaara. Das 1967 im Stil Mies van der Rohes gebaute Hotel wurde später total modernisiert, behält aber den Charme der 60ies. In der Lobby schaffen offenes Kaminfeuer, eine Mischung aus skandinavischen Möbeln und Lappland Artefakten (Rentiergeweihe, -felle) eine ganz spezifische Atmosphäre. Die Natur ist durch große Fenster auch in den Hotelzimmern absolut gegenwärtig und die Gäste verfügen über eine eigene im Zimmer eingebaute Sauna!

Lappland Hotel Sky im örtlichen Skigebiet Ounasvaara. Foto: Ellen Spielmann
Lappland Hotel Sky im örtlichen Skigebiet Ounasvaara. Foto: Ellen Spielmann

Schwerpunkt der vom Team „This is arctic“ organisierten Reise war es, Arktische Küche zu thematisieren. Ihr slogan „Eat the landscape“ ist Clou und Programm. Zum Auftakt servierte die Sky Kitchen im großen romantisch beleuchteten Speisesaal des Hotels mit Glasfront das Lappland-5 Gänge-Menü. Alle Ingredienzien sind selbstredend von höchster Qualität, top-frisch, stammen von lokal-regionale Produzenten.

Los geht´s mit Cocktails: Sky Royale Sekt mit einem Schuss Arktischem Brombeer-Likör, oder dem Cranberry-Drink (Vodka, Cranberry-Liköre, Cranberry- Soda und Cranberry-Früchte), sie sind köstlich und sehen super aus. Zum Selleriesüppchen kam hausgebackenes Brot: Sauerteigbrot mit Moltebeeren, Malzbrot mit einem süßen Hauch, Knäckebrot mit Sesam und weiteren Samen und gebräunte Butter auf den Tisch. Begleitet wird das Gericht von einem Grünen Veltliner (Bio) von den Terrassen im Kremstal vom Weingut Sepp Moser. Es folgt als weitere Vorspeise: Turnip (weißer Rettich) mit rauchiger Note, Fichtensprossen Pesto und finnischer Ritari-Käse (36 Monate gereift). Einfach köstlich!

Dann die an Intensität unvergleichlich gute arktische King-Crab Suppe mit feinsten Kohlrabi-Stückchen. Dazu ein Glas Champagner (Nicolas Feuillatte Reserve Exclusive Brut), einfach perfekt! Die zweite Vorspeise ein sagenhaftes Pilzrisotto und arktischer crispy Grünkohl (begleitet von einem Pinot Noir vom rheinhessischen Weingut Winter). Natürlich muss das Hauptgericht Lappland Rentier sein: Rentierzunge (starker Wildbret-Geschmack) und Rentierfilet, Zwiebelpüree, Thymiansoße. Diese Köstlichkeit wird wie alle Gerichte auf finnischer Keramik serviert (von dem Designer Ando Bendic, er kommt aus der Region). Untermalt von einem Glas spanischem Rioja-Tempranillo Baron De Ley Gran Reserva (2014) (kostet: 16€).

Zum Start einen Cocktail. Foto: Ellen Spielmann
Zum Start einen Cocktail. Foto: Ellen Spielmann

Ganz leicht kommt das Blaubeeren-Sorbet mit Meadowsweet (Mädelsüß) Granit als top daher. Zum Dessert: weiße Namelaka-Schokolade, Joghurtschaum und Preiselbeer-Sorbet und dazu ein Dessertwein (Le Petit Guirraud Sauternes, ein Blend aus 65% Sémillon und 35% Sauvignon Blanc, Bordeaux). Chapeau für dieses einzigartige Menü. Die Sky-Kitchen bietet je nach Jahreszeit wechselnde 3-5 Gänge Menüs an.

„Auf zu den Rentieren…“

Kota-Poro ist eine Ansiedlung 88 km nördlich von Rovaniemi in der Gemeinde Unari. Wir sind zu Gast in einer Kote, dem traditionellen Lappland-Haus. Seit 2 Jahren wird Lapin Leisku („Flame of Lapland“) von Piia Nikkinen betrieben. Sie verwöhnt uns mit Rentierschinken, -wurst, mariniertem, rohem Rentier, Rentierdöner. Gemeinsam ist diesem Haustyp Kote (finnisch:Kota) eine mittig gelegene offene Feuerstelle aus geschichteten Steinen mit einem Rauchloch oben. Seit dem 19 Jh. wurde der Ofen dann gemauert oder durch einen Eisenofen ersetzt. Die Kota hatte eine Fläche von ca. 20 Quadratmetern, einen Lehmboden mit Birken-Reissig ausgelegt. Man saß und schlief auf Rentierfellen.

Janne Mustonen, ein Rentierherdenbesitzer aus Unari, ist aktiv in der Vereinigung der Rentierherdenbesitzer. Er berichtet vom laufenden Projekt zur Erhaltung der Rentierherden und der dazugehörigen Kultur. Im Mittelpunkt steht die Ausbildung, denn vor Ort mangelt es an interessiertem Nachwuchs. Und wichtig für die Zukunft ist angesichts des Klimawandels und der sich verändernde Sozialstruktur die wissenschaftliche Forschung, die in enger Anbindung an die Lappland Universität (Studiengang Angewandte Forschung) in Rovaniemi stattfindet.

Janne Mustonen. Foto: Ellen Spielmann
Janne Mustonen. Foto: Ellen Spielmann

Das staatlich und EU-geförderte Projekt „Taljat rahaksi“ (Entwicklungsprojekt für Rentierhaltung) hat eine fast zweijährige Laufzeit. Mit Zuschüssen von 191.165 € des insgesamt 212.406 € teuren Unternehmens versuchen die Mitglieder der Vereinigung der Rentierherdenbesitzer die Möglichkeiten auszuschöpfen, die Rentierherden zu erhalten, die Arbeit und Ausbildung unter den ökologischen und regionalen ethnischen Bedingungen zu verbessern und neue Geschäftsaktivitäten zu entwickeln. Hauptanliegen ist die Aufwertung der Rentierzüchtung: das betrifft konkret die Arbeit mit den Herden für die lokalen Produzenten, die Vermarktung der Produkte ohne Rohprodukte wie Fell und Geweih als Abfallprodukte anzusehen. Janne führte uns sehr überzeugend den Qualitätsunterschied zwischen einem industriell maschinenbearbeiteten Rentierfell und einem traditionell handbearbeiteten vor.

Dann geht’s aber erstmal raus Rentiere gucken, doch die verstecken sich im Wald. Unweit des weitläufigen Wintergeheges der Rentiere liegt das Osuuskunta Kota-Poro Sodankylä, das Schlachthaus mit Kühlräumen und fertig abgepackten Produkten, wo Direktverkauf stattfindet.

Lohnend ist ein Stopover bei Annelin Tahvonen, der Kräuter, Obst und Gemüse Produzentin in der Ansiedlung Tapionkylä (30 km nördlich von Rovaniemi). In den frühen 1990ern spezialisierte sie sich auf arktische Kräuter und seit 1998 betreibt sie das Geschäft Annelin Yrtit & Karkit (Annelis Kräuter & Süßigkeiten). Neben dem großen Gewächshaus steht ihr kleiner Verkaufsladen. Annelie reist durch Finnland und verkauft ihre Produkte, die auch online bestellbar sind. Wir gehen mit ihr sehr erfolgreich in die Pilze: eine große Tüte prächtigster Steinpilze.

32 km nördlich von Rovaniemi mitten im Wald. Foto: Ellen Spielmann
32 km nördlich von Rovaniemi mitten im Wald. Foto: Ellen Spielmann

Die Bären Lodge Karhunpesä

Die Lappland Safarihütte „Báran-se“ (Bear´s Den) liegt knapp 32 km nördlich von Rovaniemi mitten im Wald an einem wunderschönen See. Es handelt sich um ein altes Blockhaus, das aus einer sehr langsam wachsenden Holzart gebaut ist. Heute ist Bear´s Den an erster Stelle Ausflugsort mit Restaurant (es gibt einige wenige Zimmer zum Übernachten), doch der Hit ist zweifelsohne die großartige historische Sauna. Hier brachte während des Kalten Krieges Finnlands Präsident Urho Kekkonen Leonid Breschnew bei Aufgüssen zum Schwitzen und ordentlich viel Alkohol führte zu guten Verhandlungsergebnissen. In der Lodge empfing Kekkonen auch Staatoberhäupter wie Golda Meir und ein großes schwarz-weiß Foto als Tapetenwand zeugt von einer Bootstour mit dem Schah von Persien auf dem See.

Im rustikalen Salon der Bear´s Den mit offenem Kaminfeuer, einem ausgestopften imposanten Bären in der Ecke, gab es nach grandiosem Saunagang und Eintauchen im kalten See, die Gelegenheit arktische Küche im rustikalen authentischen Ambiente zu erleben. Zwei Spitzenköche aus Norwegen und Finnland gaben sich die Ehre ein sensationelles Dinner-Menü aufzutischen und ihre Philosophie der arctic cuisine zu erklären. Aus den mitgebrachten Steinpilzen zaubert die Küche eine herrliche Pilzsuppe als Amuse-Gueule.

Johnny Trasti, Meister der grandiosen Finnmark-Küche aus Alta, Provinzhauptstadt von Norwegens Finnmark, hat zu dem event einen großen fangfrischen Heilbutt und Krabben mitgebracht. Als Vorspeise serviert er rohe hauchzarte Scheiben vom Heilbutt, Krabben mit Sojasoße und rohem Steinpilz. Ein Gedicht! Zusammen mit seiner Ehefrau Trine Lyrek betreibt er seit 2007 das Gourmet-Restaurant Trasti &Trine im äußersten Norden. Er ist dort geboren, lebt dort und bleibt dort. Trasti kocht auch den zweiten Hauptgang: Gedünsteter Heilbutt mit Krabbensauce und dreierlei Lauch (als Creme, gebraten und geröstet). Er erklärt: Der besondere Geschmack von Fisch und Krabben komme durch die Frische, aber auch durch die Fangart.

Tero Mantykangas. Foto: Ellen Spielmann
Tero Mantykangas. Foto: Ellen Spielmann

Wie Trusti fühlt sich der finnische Meister-Chef-Koch Tero Mantykangas der Natur und dem nordischen Leben Lapplands aufs engste verbunden. Rentier ist seine Spezialität: sei es Steak, Nacken oder auch Bein. Hauptgang eins des Dinners: Rentierfilet mit Pilzen, Sauce und Kresse. Von drei Filetstücken hat er eins über Nacht in Vakuum im Ofen gegart (es ist butterweich), die kräftige Sauce basiert auf Rentierfond.

Natürlich hat er auch diesmal für den Kochevent sein eigenes Messerset mitgebracht, erklärt er und schenkt uns sein Kochbuch: „Kojamo“ (2019) ist, die Quintessenz seiner langjährigen Arbeiten in Lappland Hotels. Teros Rezept für „Sautiertes Rentier auf offenem Feuer“: 1 kg Rentier Steak, 100 g Rentierfett, eine Handvoll Schnee, Salz. Das Fett in einer Bratpfanne schmelzen, und das Fleisch darin Garen. Salz und Schnee dazugeben und das Ganze 20 Minuten sautieren. Beilagen: Kartoffelbrei, Preiselbeeren und eingelegte Gurkenstückchen. Guten Appetit! Nauti ateriastasi!


Informationen:

www.thisisarctic.com 

www.visitarcticeurope.com

Übernachten:

Lapland Hotels Sky Ounasvaara, www.laplandhotels.com

Fotos: Ellen Spielmann