Die Auszeichnung der Top-100-Liste kam nicht von ungefähr: Schließlich hatte und hat Arrighi mit dem 2019 erstmals präsentierten Vino Marino (Meerwein) Nesos eine Weltsensation geschaffen, die seither rund um den Globus Aufmerksamkeit erzeugt. Aber das war den Mailänder Juroren noch längst nicht genug. Sie prämierten auch Antonio Arrighis Spitzen-Weißwein Arembapampane Elba Vermentino DOC. Dieser sei ein großartiger Vermentino von der Insel Elba, der „von Sonne und Meer weiß“! Bescheiden kommentierte Arrighi, dass dies auch eine große Ehrung für die Insel Elba und ihre Weine sei. Schließlich befinden sich auch nur 16 Winzer der Toskana auf der Liste.
Gründe genug also, Antonio Arrighi zu besuchen, der zudem 2016 das Weinberg-Trekking erfand. Im Sommer täglich 18 Uhr wandert er mit seinen Gästen in die Weinberge der Azienda Agricola Arrighi an der Viale Europa im hügeligen Tal Pian Del Monte, das sich direkt nördlich von Elbas herrlichem Küstenort Porto Azzurro erstreckt. Die Anfahrt ist ausgeschildert, die Orientierung leicht. Der kleine Familienbetrieb in dritter und beinahe schon vierter Generation feierte 2020 sein 100-jähriges Bestehen.
Und mit Antonio Arrighi sind nun auch seine zwei Töchter Giulia und Ilaria voll in den Betrieb integriert. Giulia ist angehende Önologin und heimste an der Uni Florenz schon 2019 den Kreativitätspreis des italienischen Landwirtschaftsverbandes im Jugendbereich und damit den „Oscar Green 2019“ ein. Der Grund: Auch sie war maßgeblich an der Entwicklung des „Nesos“ beteiligt. Tochter Ilaria kümmert sich derweil um Marketing und Kommunikation. Keine leichte Aufgabe, schließlich stürzten sich TV-Gesellschaften aus aller Welt nach der Präsentation des „Nesos“ 2019 auf die Familie. Sogar das chinesische Staatsfernsehen war da! Bei potentiell 900 Millionen TV-Zuschauern kam dabei sogar die Frage auf, ob denn Arrighi überhaupt so viel Wein habe? Die klare Antwort: Nein! Aktuell werden jährlich gerade mal 80.000 Flaschen Wein abgefüllt, hinzu gesellen sich Olivenöl, ein Spezialessig, Limoncino und Arancino!
Und vom Nesos gab es anfangs gerade 48 Flaschen, In diesem Jahre stehen gerade 280 Flaschen zum Verkauf! Stückpreis pro 0,75-l-Flasche: ca. 200 Euro! Dass der Nesos überhaupt weiterhin im Handel ist, ist zudem Antonio Arrighi zu verdanken. Denn der erste 2019 entkorkte Jahrgang des Nesos beinhaltete zu viel Salz! Da spielten also die EU-Verordnungen nicht mit. Also musste der Salzgehalt reduziert werden, was ihm gelang. Dennoch müssen die Trauben für den Nesos erst einmal im Meer „baden gehen“.
Die Rezeptur für diesen Meerwein entwickelte ein Star und Guru der italienischen Weinszene: Attilio Scienza, Professor für Önologie an der Uni Mailand. Ihm gelang es, die Herstellung eines der berühmtesten und teuersten Weine der Antike, dem von der griechischen Insel Chios, zu rekonstruieren. Julius Caesar soll ihn gern für seine Bankette geordert haben. Und auf Chios landeten vor 2000 Jahren wohl ebenfalls die Trauben im Meer. Ein Glücksfall war dann, dass Antonio Arrighi schon seit dem Jahr 2010 mit der Herstellung von Wein in Amphoren experimentierte. Und so fanden die zwei zusammen!
Dritter wichtiger Punkt: Elbas berühmte Ansonica-Traube soll jenen der Antike sehr ähneln! Und gesagt getan: Mit Hilfe der örtlichen Bio-Taucher von Spazio Mare aus Porto Azzurro wurden schließlich der spektakulärste Teil des Experiments auf den Weg bzw. in die blauen Fluten des Tyrrhenischen Meers gebracht. Die eigentlich im Umweltschutz und nachhaltgien Tourismus aktiven Taucher aus dem „blauen Hafen“ Porto Azzurro versenkten gleich mehrere Körbe prallgefüllt mit frisch vom Weinberg geernteten Ansonica-Trauben in der nahen azurblauen Barbarossa-Bucht. Die Körbe befestigten sie exakt zehn Meter unter der Meeresoberfläche. Das entspricht etwa zwei Bar Druck. Gleichzeitig sorgte die dort stets gleichmäßig vorherrschende Strömung dafür, dass die Trauben wunderbar vom salzigen Meerwasser umspült – und so wohl auch perfekt gereinigt wurden. Nach einiger Zeit holten sie die Körbe wieder hervor. Erst danach ging es zur Kelterei.
Wie viel Zeit die Trauben unter Wasser verbringen sollten, war eingangs nicht klar. Doch Antonio Arrighi und Professor Scienza fanden heraus: 72 Stunden sind die ideale Badezeit für Ansonica-Trauben, um eine perfekten „Nesos“ zu kreieren. Diese Zeit und auch die Tiefe hat Antonio nun modifiziert und kann so auch die EU-Vorgaben für den Salzgehalt erfüllen. Die Weinherstellung selbst, so erklärt uns Arrighi bei einer Fahrt durch die Weinberge auf seinem Quad-Bike, das als Traktorersatz dient, werde dadurch allerdings noch komplizierter. Und schließlich müssen die Trauben dann noch in die Terrakotta-Amphore. Von denen hat Arrighi mittlerweile ein ganze 1000 Liter fassende Armada angeschafft. Auch dies ist ein Kostenfaktor!
Aber er profitiert natürlich auch von der Erfahrung, die er mittlerweile mit seinen Amphorenweinen gesammelt hat. Schon seit 2011 sponserte er die archäologischen Ausgrabungen jener Villa Romana delle Grotte, die einst gegenüber Portoferraio im heutigen Ortsteil San Giovanni stand. Dabei wurden auch antike römische Weinbehältnisse von ca. 1500 Liter Kapazität gefunden, die sogar den Namen desdamaligen Winzers, eines Sklaven, trugen: „Hermia“. Und so schuf Arrighi 2017 mit dem „Hermia“ genannten Weißwein den ersten Amphorenwein des Hauses.
Ein voller Erfolg, wie er stolz berichtet, als wir uns jener Big Bench Elbana Azzurra nähern die seit Juli 2022 den oberen Rand seines höchsten Weinbergs ziert. Diese überdimensionale blaue Sitzbank erlaubt es seinen Gästen beim Weinberg-Trekking, einen herrlichen Blick über das Tal und auch Porto Azzurro zu genießen.
Nach dem Rundgang geht es dann zurück in die Cantina zur Degustation. Neben „Nesos“, „Hermia“ und dem Arembapampane, dem Klasse-Vermentino des Hauses, sind da z. B. der weiße Elba Bianco DO „V.I.P.“ der Rosato „Isola in Rosa“ (ein IGT Toscano) Tochter Ilaria gewidmete weiße „Ilagiu“ aus 80% Procanico sowie Ansonica und Biancone, der rote Elba Rosso DOC „Centopercento“, ein reiner Sangiovese, und der Cru des Betriebs, der rote „Tresse“ zu nennen. Letzterer besteht aus Sangiovese (50%), Syrah (30%) und Sagrantino (20%). Immerhin werden von ihm 4000 Flaschen abgefüllt. Der Valerius“ hingegen, ein reiner Ansonica, ist dem einstigen antiken Besitzer der römischen Villa delle Grotte bei Portoferraio gewidmet: Valerio Messalla! Schließlich ist der Silosò ein Elba Aleatico Passito DOCG der Extraklasse! Neu ist der Spumante „In Bolla“, den man, umgeben von Kunstwerken von Maria Giusi Canova und Italo Bolano im schönen Garten der Azienda Arrighi genießen kann.
Anschließend sollte man es sich nehmen lassen, im mit sehr guten Restaurants verwöhnten Porto Azzurro die neue Osteria Clandestina an Der Via D`Alarcon 8/10 aufzusuchen. Hier praktizieren Massimo Poli und Marina Rovano ihre Art von Elba-Lebensgefühl aufs Feinste! Traditionelle Elba-Küche vom Feinsten, zu der auch Trippa gehört, wird auf den Tisch gebracht. Man wählt Linguine del Pescatore (15 €) oder Spezzatino di Cinta alle erbe (18 €), genießt Ossobuco di manzo al forno mit Kartoffeln (18 €) und delektiert sich zum Dessert an einem Stück der Sciacca del Minatore!
Informationen:
Azienda Agricola Arrighi: www.arrighivigneolivi.it
Porto Azzurro, Elba und Parco Nazionale Arcipelago Toscano: www.parcoarcipelago.info, www.islepark.it
Region Toskana: www.visittuscany.com/de
Fotos: Antonio Arrighi / Fabrizio Troccoli, Ellen Spielmann