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Interview: Nicole Hesse (Seeblick Resort)

1950 übernahmen Elise (geb. Hinrichs) und Georg Flor die Pension Hinrichs, um sie 1983 an Angelika (geb. Flor) und Hartmut Hesse zu geben. Diese rissen die Pension ab und bauten das heutige Hotel auf. Nach und nach wurden neue Gebäude errichtet und modernisiert. 2007 übernahm mit Nicole und Gunnar Hesse die vierte Generation das Hotel. Erneut wurden verschiedene Bereiche des Hotels grundlegend modernisiert. Das heutige Seeblick Genuss und Spa Resort wird somit in der vierten Generation betrieben. Mit den Kindern Jannis und Jule steht auch schon die nächste Generation am Start.

Als Sie das Hotel von ihren Schwiegereltern übernahmen, entschieden Sie sich für einen kompletten Neu- und Umbau. Wie wichtig ist es, als Hotelier mit der Zeit zu gehen?

Ich finde es sehr wichtig, mit der Zeit zu gehen. Unsere Gäste sollen sich wohl fühlen, gleichzeitig aber spüren, dass mit jeder Renovierung das Seeblick-Gefühl präsent bleibt. Entscheidend ist für uns bei jedem Umbau, dass nicht einfach nach ein paar Jahren alles neu macht, sondern wir achten dabei besonders auf Nachhaltigkeit. Die abgeschlossenen Renovierungen sind so hochwertig konzipiert, dass man auf Wunsch die sichtbaren Teile austauschen kann, um beispielsweise eine andere Farbe ins Spiel zu bringen. Das „Gerüst“ der Zimmer ist überall gleich und vom Material so ausgesucht, dass alles zeitlos ist und von sehr guter Qualität.

Im Winter und Frühjahr 2021 fanden der neueste Umbau und die aktuellste Renovierung statt. Was hat sich verändert?

Wir haben unsere Hotelküche komplett entkernt, den Boden, die Fliesen und natürlich die Kücheneinrichtung erneuert. Die alte Küche hat einen guten Dienst erfüllt und durfte nun nach 38 Jahren „in Rente“ gehen. Auch bei dieser Planung stand neben der sinnvollen Einrichtung ebenfalls die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Bei dem neuen Küchenblock Maître von Palux sind wir auf Induktion umgestiegen und für alle Küchengeräte haben wir eine Schnittstelle zur Energieoptimierung erhalten.

Die ehemaligen Einzelzimmer haben wir genauso komplett erneuert, mit neuen Bädern, Teppich- gegen Holzoptikboden ausgetauscht und natürlich eine umweltbewusste LED-Beleuchtung und neue Möbel. Mit den neuen Queen-Size-Betten fühlen sich nun sowohl Alleinreisende, als auch Paare wohl. Die Betten haben jeweils zwei Matratzen. Wenn nur eine Person das Bett belegt, legen wir einen Topper dazu, damit das Liegegefühl sich der Belegung anpasst. Besonderen Wert lege ich immer auf eine Einrichtung, an der man die Farben der Insel wiedererkennt. Bei den neuen Juniorzimmern ist das Thema Nautik nicht zu übersehen.

Nicole Hesse: Der Gast möchte vor allem in der wichtigsten und schönsten Zeit des Jahres – dem Urlaub – entschleunigen und entspannen. Foto: Carola Faber
Nicole Hesse: Der Gast möchte vor allem in der wichtigsten und schönsten Zeit des Jahres – dem Urlaub – entschleunigen und entspannen. Foto: Carola Faber

Ihre Kinder planen früher oder später den Einstieg in das Familienhotel. Wo leben Jannis und Jule heute und wo sehen sie ihre Zukunft im Hotelgewerbe?

Unser Sohn Jannis hat mit seinen 19 Jahren gerade die Ausbildung zum Koch auf Sylt abgeschlossen. Er hat nun noch viele Jahre Zeit, sich kulinarisch umzuschauen und die bunte Gastrowelt kennen zu lernen. Jule wird im Sommer 18 Jahre alt und widmet sich erst mal ihrem Abitur auf der Nachbarinsel Sylt. Danach könnte entweder eine klassische Ausbildung oder auch ein Tourismus-Studium auf dem Wunschzettel stehen – schauen wir mal, was es dann wird.

Wir würden uns sehr freuen, wenn die beiden den Betrieb irgendwann übernehmen würden, aber das Ganze soll ohne Druck passieren. Wenn sie soweit sind, dann nehmen wir uns gerne zurück, werden aber auch ebenso gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. So wie meine Schwiegermutter es bei uns gemacht hat.

Muss ein Hotel heute deutlich mehr als nur eine Übernachtungsmöglichkeit sein? Was muss ein Hotel im 21. Jahrhundert bieten?

Ich denke schon, dass wir mittlerweile nicht mehr nur die Aufgabe haben, ein Bett und fließendes Wasser bereit zu stellen – aus dem Zeitalter sind wir glücklicherweise raus. Der Gast möchte vor allem in der wichtigsten und schönsten Zeit des Jahres – dem Urlaub – entschleunigen und entspannen. Dazu trägt ein ganzheitliches Konzept im Bereich Einrichtung bei. Sehr wichtig ist das Gefühl, welches wir dem Gast geben. Es gibt verschiedene Arten von Freundlichkeit, wir leben die offene und ehrliche mit unserem Team. Denn wir freuen uns wirklich, dem Gast eine gute und besondere Zeit zu bescheren.

Auch das Restaurant ist vielseitig aufgestellt. Warum stehen auf der Speisekarte Gerichte zwischen bodenständiger, guter Hausmannskost und Gourmetküche?

Das ist ganz einfach erklärt, wir lieben die Abwechslung, die wir dem Gast damit bieten. An einem Abend hat man vielleicht Lust auf etwas Deftiges wie Matjes mit Bratkartoffeln und an einem anderen will man sich bei einem Menü mit regionalen Produkten verwöhnen lassen. Es gibt zwar noch viele andere interessante Restaurants auf der Insel, aber wir freuen uns natürlich über jeden Tag, den die Gäste bei uns im Hause bleiben. Und dann ist es klar, dass wir da auch mal besondere Gerichte anbieten, wie das Tatar vom Amrumer Rind oder auch einen Fisch in der Salzkruste – beides am Tisch des Gastes angemacht, bzw. tranchiert.

Sie sind seit 23 Jahren ein Veranstaltungsort vom Schleswig-Holstein Gourmetfestival und gehören auch seit 16 Jahren dem Vorstand an. Wie hat sich das Festival im Lauf der Jahre entwickelt?

Es ist so schön, dass auch das Schleswig-Holstein Gourmetfestival mit der Zeit geht. Anfangs war das Besondere immer ein gesetztes Menü, das die Gastköchin oder der Gastkoch mit unserem Team zubereitet hat. Mittlerweile ist alles ein bisschen lockerer geworden. Wenn man Gourmetfestival hört, denken viele, dass das „kleine Schwarze“ oder die Krawatte rausgeholt werden müssen – aber das ist schon länger nicht mehr so. Wichtig ist uns, dass bei den Veranstaltungen auch die Produkte aus unserer Region eingesetzt werden und dass wir langfristige Handelspartner als Sponsoren haben. Für die nachfolgende, junge Generation haben wir das Schleswig-Holstein Gourmetfestival Jeunesse ins Leben gerufen, das zu Nicht-Corona-Zeiten sehr gut angenommen wird und die Hemmschwelle zu dem Begriff „Gourmet“ abbaut.

Lobby des Hotels. Foto: Carola Faber
Lobby des Hotels. Foto: Carola Faber

Woher nehmen Sie Ihre Energie? Was unternehmen Sie zum Ausgleich?

Auf jeden Fall ist es sehr wichtig, einen Ausgleich zu haben. Früher waren es die Kinder, als die noch klein waren. Da die nun zum größten Teil aus dem Haus sind, muss der Hund das übernehmen. Wenn ich mit meiner Enie ausgedehnte Spaziergänge am Kniepsandstrand mache, füllt sich mein Akku von ganz alleine wieder auf.

Was mir auch sehr gut tut, sind Kurztrips auf das Festland, die mit Besuchen bei Freunden oder einem Konzert, Festival oder einem Fußballspiel vom FC St.Pauli verbunden sein können. Einmal kurz eine ganz andere Welt erleben und dann bin ich aber auch wieder glücklich, wenn ich in Dagebüll schon das Meer wieder um mich habe.

Was denken Sie, in welche Richtung wird – oder muss – das Hotelgewerbe auf Amrum zukünftig gehen?

Ich bin der Meinung, dass wir hier schon ziemlich viel richtig machen. Es muss nicht immer alles höher, schneller und weiter sein – vielmehr ist das Ankommen und Entschleunigen wichtiger in der heutigen Zeit geworden. Dafür muss man natürlich mit der Zeit gehen und darf nicht stehen bleiben. Konkret gesagt, eine gute WLAN-Verbindung ist auch für unsere Gäste wichtig, aber dennoch lassen viele Urlauber die Geräte auch mal aus, um abzuschalten. Und genauso ist es mit der Gastronomie, es muss ein abwechslungsreiches Angebot vorhanden sein, bei dem die Qualität und insbesondere bei uns die Regionalität der Produkte wichtiger ist. Das Ganze lässt sich genauso auf den Service adaptieren – wichtig ist kompetentes, gut geschultes Personal, da unsere Gäste immer mehr Wert auf die Freundlichkeit und Offenheit legen – sie wollen spüren, dass sie willkommen sind. Denn das sorgt am Ende für das richtige Wohlgefühl.

Amrum ist vor allem als Badeort ein Begriff. Was hat die Insel abseits der Hotellerie zu bieten? Wie verbringt man den Sommer auf Amrum? Ist ein Trend zur Ganzjahressaison erkennbar?

Ich finde ja, dass die Insel zu allen Jahreszeiten schön ist. Je nachdem, ob man im Sommer mehr an der frischen Luft ist, Sonne tankt, die Abende beim Sonnenuntergang mit einem Glas Wein genießt – oder in den Herbstmonaten nach einem langen Spaziergang sich in der Sauna wieder aufwärmt und dann bei einem Friesentee am Kamin den Tag ausklingen lässt… jeder Urlaub kann entspannend und gut für Körper und Seele sein. Daher haben wir auch schon fast 40 Jahre durchgehend 365 Tage im Jahr geöffnet.

Was die Insel ansonsten zu bieten hat? Natur, Entspannung, Ruhe – alles was man braucht, um zu sich selber zu finden und seinen persönlichen Akku aufzuladen.

Fotos: Carola Faber

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